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B: Prozessbericht vom zwölften Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Der Zeuge war an der Observation des Angeklagten beteiligt, hat aber nach eigener Aussage keine Erinnerung mehr daran, weder konkret noch allgemein an den Einsatz. Weder der Name unseres Gefährten noch RAZ sage ihm irgendetwas. Zur Vorbereitung habe er das Behördenzeugnis und den Observationsbericht gelesen, was aber keine neuen Erinnerungen in ihm wachgerufen habe. Auf Nachfrage des Richters bestätigte er, am 12.07.21 an einer Besprechung seiner Behörde teilgenommen zu haben, bei der er und seine Kollegen darauf vorbereitet worden wären, was vor Gericht auf sie zukomme, was die Aussagegenehmigung bedeute und was sie zu beachten hätten. Auf die weitere Frage des Richters, ob er sich mit Kollegen über den damaligen Einsatz gesprochen habe, gab der Zeuge an mit niemandem darüber gesprochen zu haben, er sei gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt.

Nun wollte die Verteidigung wissen wo die Besprechung stattgefunden habe, was der Zeuge zunächst mit Hinweis auf seine beschränkte Aussagegenehmigung nicht beantwortete, auf die weitere Frage, ob er denn wenigstens die Stadt nennen könne, in der die Besprechung stattgefunden habe, antwortete er mit Berlin. Auch seien alle Teilnehmer dieser Besprechung aus Berlin gewesen, niemand sei aus Köln angereist. Er erinnere sich auch, dass er grundsätzlich an Observationen in Berlin teilgenommen habe, ob er speziell dazu ausgebildet worden sei, also als Observateur, dazu wollte er wieder mit Verweis auf seine beschränkte Aussagegenehmigung nichts sagen. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen.

Dann teilte der vorsitzende Richter noch mit, dass die für 13:30 Uhr geladene Zeugin, die auch schon an einem früheren Termin nicht erschienen war, heute wieder aufgrund eines Rückenleidens, welches sie sowohl am Stehen wie auch am Sitzen hindere, nicht kommen könne. Der Richter betonte die Wichtigkeit der Ladung der Zeugin und meinte, dass man dafür Sorge trage könne, dass die Zeugin zu einem anderen Termin auch liegend vor Gericht erscheinen kann. Des Weiteren habe der vorsitzende Richter noch ein Fax vom 24.08.21 erhalten, in welchem ihm auf seine Frage bezüglich der Erinnerungen der zu ladenden Zeugin Immendorf geantwortet worden sei. Es sei mit der Zeugin telefoniert worden und sie könne sich nicht an die Observation erinnern, noch was der Gegenstand dieser gewesen war. Allerdings sei wohl ein Zeuge beim Verfassungsschutz noch nicht fündig geworden, man wüsste nur seinen Decknamen. Dann wurden noch weitere Termine mit den Verhandlungsteilnehmern abgesprochen, da die bisher angesetzten Verhandlungstage nicht ausreichend seien (Wir haben die neuen Termine ans Ende des Berichts gesetzt). Es wurde vom Richter festgestellt, dass die am 19.08. ausgegebenen Urkunden zur Kenntnis genommen werden konnten und deshalb nicht mehr verlesen werden. Im Anschluss teilte das Gericht noch mit, welche Urkunden es vorhabe zu verlesen beziehungsweise in Augenschein genommen werden sollen. Auch sei dem Gericht mitgeteilt worden, das Frau Durbach vom Verfassungsschutz nicht so gerne kommen möchte, das Gericht habe aber darauf bestanden und folglich werde sie wahrscheinlich am 14.09. oder am 21.09. vor Gericht erscheinen. Um 9:25 Uhr wurde dann eine Pause bis um 11:00 Uhr einberufen.

Nach der Pause erschien ein pensionierter Bulle vom BKA, der die Razzia bei unserem Gefährten geleitet hatte, vor Gericht. Er wisse worum es geht, könne sich anhand der Unterlagen, die er im Vorfeld gelesen habe, erinnern. Er habe in der hier zu verhandelnden Sache nur die Durchsuchung geleitet und eine kleine Auswertung vorgenommen. Auf eine diesbezügliche Frage des Richters, teilte der Zeuge mit, dass durch entsprechende Maßnahmen der tatsächliche Wohnort des Beschuldigten versucht wurde herauszufinden, wo dann auch die Razzia durchgeführt wurde, da diese nicht mit der Meldeadresse übereinstimmte. Er könne sich noch ungefähr an die Wohnung erinnern, ihre Größe, dass alle Räume unverschlossen waren, der Mitbewohner nicht anwesend war, Cem sich aber in der Wohnung befunden habe. Diese habe er über seine Rechte belehrt. Zum Ablauf teilte er mit, dass um 6:00 Uhr das SEK in die Wohnung eingedrungen wäre, da davon ausgegangen worden sei, dass sich in der Wohnung eventuell Waffen und Sprengstoff befinden könnten. Dann sei der Zeuge mit den anderen Bullen in die Wohnung, wo er Cem gefesselt vorgefunden habe. Nachdem dieser versichert habe, die Durchsuchung nicht zu stören, seien ihm die Fesseln abgenommen worden und er sei über das laufende Ermittlungsverfahren und den Durchsuchungsbeschluss aufgeklärt sowie über seine Rechte belehrt worden. Auf die Frage des Richters, was der Beschuldigte darauf gesagt habe, teilte der Zeuge mit, dass dieser einen Rechtsanwalt kontaktieren wollte, was zunächst nicht funktioniert habe, da niemand bei der Telefonnummer die ausgehändigt wurde, um den Anwalt zu kontaktieren, abgenommen habe, jedoch über eine Notfallnummer schließlich doch geklappt habe. Ebenso habe er um einen Durchsuchungszeugen gebeten, wozu jemand im Haus gefunden wurde, der der Razzia bis zu ihrem Ende um 12:00 Uhr beiwohnte. Zur Sache habe Cem keine Aussagen machen wollen. Später sei dann auch der kontaktierte Rechtsanwalt erschienen und habe mit Cem gesprochen, auch der Zeuge habe mit dem Anwalt wegen der Hausdurchsuchung und der folgenden ED-Behandlung des Beschuldigten gesprochen. Bei der Razzia sei, wie gesagt, nach Sprengstoff und Waffen gesucht worden, weshalb unter anderem mit Spürhunden die Wohnung und die Kellerräume durchsucht wurden. Cem habe dem Zeugen zwar mitgeteilt, dass er die Kellerräume nicht nutze und dementsprechend auch über keine Schlüssel zu diesen verfüge und auch der Mitbewohner, den die Bullen diesbezüglich angerufen haben, bestätigte, dass Cem den Keller nicht nutze, dennoch wurde die Tür für die Kellerräume aufgebrochen und diese dann durchsucht. Nachdem der Keller, der aus zwei Räumen bestand, geöffnet worden war, stellte die Bullen fest, dass, so wie es ihnen zuvor vom Mitbewohner mitgeteilt worden war, der vordere Raum vom Mitbewohner genutzt wurde und der hintere Raum von einer weiteren Person ohne festen Wohnsitz, die in keinem Zusammenhang mit dem Verfahren stehe. Es habe sich kein Hinweis auf eine Nutzung der Kellerräumlichkeiten durch Cem finden lassen.

In der Wohnung habe sich die Zuordnung des Zimmers zum Angeklagten dadurch ergeben, dass dieser dort geschlafen habe und der Zeuge gehe auch davon aus, dass man dort persönliche Gegenstände von Cem gefunden habe. Im Verlauf der Hausdurchsuchung wurde ein Rechner und weitere Datenspeicher beschlagnahmt, was dort aufgefunden wurde, wusste der Zeuge nicht. Ansonsten sagte der Zeuge noch, dass Cem nichts unterschrieben habe und erläuterte dann noch den Ablauf Asservierung, dass sich die Asservatennummer aus jeweils einer Nummer für die Person, des Hauses, der Etage und des Raumes ergebe. In der Wohnung belege er üblicherweise die Zimmer mit einzelnen Nummern, die er an die Türen klebe, so dass die Kollegen diese nachvollziehen und die Asservaten entsprechend zuordnen können. Auf die Frage, ob sich viele schriftliche Unterlagen und Bücher in dem Zimmer befunden haben, antwortete der Zeuge, dass es schon Bücher gegeben habe, aber ob das besonders viele gewesen seien, könne er jetzt nicht mehr sagen. Der Zeuge habe Cem noch zur ED-Untersuchung gebracht, an der Auswertung der Asservate sei dieser nicht beteiligt gewesen. Er habe noch zwei Vermerke zur Telekommunikationsüberwachung vom 05. und 06.03.2013 bezüglich des Anschlussinhabers einer Telefonnummer und eines E-Mail-Accounts angefertigt, aber er denke, da habe es nichts Belastendes gegeben, ansonsten wäre ihm das in Erinnerung geblieben. Wie der E-Mail-Account dem Beschuldigten zugeordnet werden konnte, das wisse er nicht.

Nun fragte die Verteidigung den Zeugen, ob er bezüglich der Nutzung der Zimmer auf die Angaben des SEK vertraut habe, woraufhin dieser angab, dass er Cem gefragt habe, welche Räume er nutze und sich diese Angabe nach Überprüfung bestätigt hätte. Der Rechtsanwalt wollte nun wissen, zu welchem Zeitpunkt er sich denn zur Raumnutzung geäußert habe. Sehr früh, so die Antwort des Exbullen, nach der Belehrung als der Angeklagte nicht mehr gefesselt gewesen sei, aber noch vor dem Telefonat mit dem Rechtsanwalt. Die Frage, ob er dies für relevant halte, bejahte der Zeuge, warum er dies dann nicht in den Bericht geschrieben habe, ließ er unbeantwortet. Auch die weitere Frage der Verteidigung, warum laut Bericht, 13 Minuten zwischen dem erfolglosen Anruf auf der Festnetznummer des Rechtsanwalts und dem erfolgreichen auf der Mobilfunknummer konnte nicht geklärt werden. Die weiteren Fragen bezogen sich auf die Telekommunikationsüberwachung. So glaube der Zeuge nicht, dass sich daraus irgendwelche Hinweise auf ein konspiratives Verhalten des Beschuldigten ergeben habe und er habe auch keine Erinnerung an ein Zeitungsprojekt auch nicht eines mit dem Namen „Strike“. Die Verteidigung wies darauf hin, dass bei den abgehörten Gesprächen zwischen Cem und Oliver Rast (der auch beschuldigt war) um ein öfters als „Blättchen“ bezeichnetes Zeitungsprojekt ging, wobei es sich immer, so der Bullenbericht, um die Zeitschrift „Strike“ gehandelt habe. Eine Verbindung zur RAZ habe sich laut dem Zeugen aus Telekommunikationsüberwachung auch nicht ergeben. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen, jedoch nicht ohne sich die Anreise aus einem Kaff in der Nähe von Bonn und eine Übernachtung in Berlin vom Gericht entschädigen zu lassen.

Kurz vor Ende des Prozesstages erklärten sich alle Verhandlungsteilnehmer damit einverstanden, dass auf die Ladung der zuvor schon erwähnten Zeugin Immendorf vom Verfassungsschutz verzichtet werden kann.

Damit endete der Verhandlungstag um 11:40Uhr.

Die neuen zusätzlich angesetzten Termine sind am 28.10., 16.11., 01.12., 13.12., und am 12.01. jeweils um 9:00 Uhr.

Der nächste Prozesstermin ist am 14. September um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.

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