GEFANGENENSOLIDARITÄT: »Die Repression ist eine Reaktion auf unsere Arbeit«

Seit 35 Jahren gibt es die Zeitschrift Gefangenen-Info. Die aktuelle Ausgabe ist Daniela Klette gewidmet. Ein Gespräch mit Wolfgang Lettow
Interview: Ariane Müller
Wolfgang Lettow ist seit mehr als 30 Jahren Mit­arbeiter der Zeitschrift Gefangenen-Info

www.gefangenen.info

Weil ihr vorgeworfen wird, früher ein Mitglied der Rote Armee Fraktion, kurz RAF, gewesen zu sein, sitzt die 65jährige Daniela Klette derzeit in der Justizvollzugsanstalt Vechta in Niedersachsen in Untersuchungshaft. Auf dem Cover der neuen Ausgabe des Gefangenen-Infos prangt »Freiheit für Daniela«. Ist die gesamte Ausgabe der Inhaftierten gewidmet?

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist der Situation von Daniela Klette gewidmet. Ende Februar war sie in Berlin nach mehr als 30 Jahren Klandestinität festgenommen worden. In mehreren Beiträgen befassen wir uns damit, dass sie die Aussage gegenüber den Behörden verweigert, mit der ihr zugefügten Isolationsfolter sowie den Aktionen der RAF, an denen Daniela Klette beteiligt gewesen sein soll. Zusätzlich haben wir mehrere Redebeiträge veröffentlicht, die auf einer Knastkundgebung in Vechta gehalten wurden.

Seit wann gibt es Ihre Publikation, und wer gibt sie heraus?

Das GI, früher trug es den Namen Angehörigen-Info bzw. hieß Hungerstreik-Info, entstand 1989 anlässlich des Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF und des antiimperialistischen Widerstandes. Gegründet wurde diese Zeitschrift von den »Angehörigen der politischen Gefangenen aus der BRD«, um das Totschweigen über den Hungerstreik und die Kriminalisierung ihrer Forderungen zu durchbrechen – also um eine linke und authentische Gegenöffentlichkeit herzustellen. Heute gibt das »Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen« aus Berlin, Hamburg und Magdeburg das GI heraus.

Mit welchen Themen beschäftigt sich GI im allgemeinen?

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Die Zeitschrift versucht, mit aktuellen Artikeln zu Widerstand, Repression und Solidarität in der BRD und auf internationaler Ebene die Bedingungen für eine Verbindung von den Kämpfen in den Knästen mit den Kämpfen draußen zu entwickeln und auszubauen. So haben wir am 18. März eine Kampagne gestartet mit dem Motto: »Solidarität mit den Proleten hinter Gittern! Schluss mit der Ausbeutung der Gefangenen!«

Gibt es Schwierigkeiten beim Verschicken der Ausgaben in die Gefängnisse?

Wir stehen regelmäßig im jährlichen Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes. Folglich müssen wir immer wieder damit kämpfen, dass GI nicht in den Knast kommt bzw. den Gefangenen nicht ausgehändigt wird. Als Grund wurde zum Beispiel angegeben, dass die Zeitschrift die »Sicherheit und Ordnung« gefährde.

Sie sind der presserechtlich Verantwortliche. Was können Sie über Repressionsversuche gegen die Zeitschrift mit Blick auf die vergangenen Jahre erzählen?

In den 35 Jahren ihres Bestehens hat es seitens des Staates knapp 30 Versuche gegeben, die Zeitschrift mundtot zu machen. 2010 wurde der »Verantwortliche im Sinne des Presserechts« vor das Berliner Amtsgericht beordert, da in einem Artikel zum 129-b-Prozess gegen Faruk Ereren die Beugehaft gegen den blinden Nuri Eryüksel kritisiert worden war. Im Artikel hieß es: »Besonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenates, für Nuri Eryüksel sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet.« Im Prozess wurde ich schließlich freigesprochen.

Ab 2010 waren Aktivistinnen und Aktivisten des »Netzwerks Freiheit für alle politischen Gefangenen«, nicht zuletzt durch das 129er-Verfahren wegen RAZ/RL/Radikal, stark im Fokus der Repressionsbehörden. Dies hatte auch Auswirkungen auf Gefangenen-Info. Bei diversen Hausdurchsuchungen in den vergangenen Jahren wurde die Infrastruktur von GI immer wieder stark angegriffen. Die Repression gegen unsere Zeitschrift ist auch immer eine Reaktion auf unsere Arbeit, denn wir stellen Gegenöffentlichkeit her mit dem Ziel, diese Verhältnisse zu ändern.

junge Welt 24.6.24