Dimitris Koufodinas

Griechenland: Hungerstreik von Dimitris Koufodinas

Die OR17N war von 1975 bis 2002 in Griechenland aktiv. 2002 löste sie
sich auf Grund einer gescheiterten Aktion auf. Während der 27 Jahre
ihres Bestehens tötete sie u.a. im Dienst der US-Regierung stehende
Personen, Folterer aus der Zeit der Diktatur (1967 bis 1974),
Großkapitalisten und Politiker.

1975 war die erste Aktion der OR17N die Erschießung des
nordamerikanischen CIA-Chefs für Südeuropa, und seitdem verlangten die
USA das Ende der Organisation, ohne Unterlass machten sie Druck auf die
griechischen Regierungen wegen ihrer Unfähigkeit, die Mitglieder dieser
Organisation zu verhaften.

1989 wurde Pavlos Bakoyiannis, Politiker und Journalist, Schwager des
heutigen Premierminister und Vater des heutigen Bürgermeisters von
Athen, Opfer der Organisation.

2002 tauchte D.Koufodinas nach einer Kette von Verhaftungen auf und
stellte sich, wobei er sich als Mitglied der OR17N zu erkennen gab und
die politische Verantwortung für das Handeln der Organisation übernahm.

Sowohl in diesem Moment wie auch während des ganzen Gerichtsverfahrens
versuchte er nie sich als Person zu verteidigen und belastete auch nie
einen der Mitangeklagten. Mit seiner Haltung gewann er den Respekt und
die Sympathie eines großen Teils der griechischen Gesellschaft.

Seit 2002 war Dimitris in einem Spezialtrakt im Gefängnis von Korydallos
(Athen) untergebracht, 2018 wurde er in das Gefängnis von Volos
gebracht, wo die Gefangenen auf dem Gefängnisgelände landwirtschaftlich
arbeiten.

Obwohl er seit 2010 eigentlich das Recht auf Ausgang hatte, wurde ihm
das erst 2017 zum ersten Mal zugestanden. Seitdem hatte er nach
einstimmigem Beschluss der zuständigen Behörden und der 6maligen
Zustimmung verschiedener Staatsanwälte 6 x Ausgang.

Trotzdem gab es zu diesen Ausgangserlaubnissen eine intensive und
systematische Polemik seitens einiger Fernsehsender und einiger
Politiker, die sich in öffentlichen Erklärungen und verschiedenen
anderen Interventionen dagegen aussprachen und forderten, keine weiteren
Ausgangserlaubnisse zu erteilen. Darunter waren auch der jetzige
Ministerpräsident und seine Familie. Und die Botschaft der USA machte
starken Druck.

Das Ergebnis dieser Polemik ist, dass Dimitris seit dem Frühjahr 2019
keine Ausgangserlaubnis mehr bekommen hat. Das wird begründet mit seinen
politischen Überzeugungen und seiner Weigerung abzuschwören. Nach
griechischem Gesetz gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, die
Ausgangserlaubnis damit zu verknüpfen.

Der Fall kam vor das höchste Gericht, und das Urteil lautete, dass es
für die Ablehnung der Ausgangserlaubnis keine gesetzliche Grundlage
gibt. Trotz dieses Urteils änderte das zuständige Gericht der Stadt
Volos nicht seine Haltung, und die Ausgänge wurden 2019 endgültig
abgelehnt, als die jetzige Regierung an die Macht kam.

Der Präsident der Partei Nueva Democracia, Kyriakos Mitsotakis, hatte
öffentlich versprochen, dass, wenn er an die Regierung käme, er per
Gesetz D.Koufodinas vom Recht auf Ausgangserlaubnisse vom Gefängnis
ausschließen würde und auch davon, seine Strafe in einem Gefängnis mit
landwirtschaftlicher Arbeit zu verbüßen.

Im Dezember2020 wurde das Gesetz 4760 -2020 angenommen, in dem
festgelegt wird, dass
wegen „Terrorismus“ Verurteilte vom Recht auf Ausgang aus dem Gefängnis
ausgeschlossen werden und ihre Strafe auch nicht in Gefängnissen mit
landwirtschaftlicher Arbeit verbringen dürfen. Der einzige Gefangene,
der in diese Kategorie passte, war Dimitris. Während der Beratung des
Gesetzes wurde sich immer wieder ausdrücklich auf ihn bezogen.

Am 23. Dezember 2020 wurde er überraschend wie bei einer Entführung von
Volos nach Domokos verlegt, das viele Kilometer von seiner Familie
entfernt liegt, ohne vorherige Benachrichtigung, ohne ihm zu erlauben
mit seiner Familie in Kontakt zu treten, und ohne dass er seine
persönlichen Sachen mitnehmen konnte.

Im Gefängnis von Domokos befindet er sich in einer Zelle zusammen mit
anderen unter Bedingungen von erstickender Enge, wo er – nach 18 Jahren
Einzelhaft und in einem Alter von 63 Jahren – jetzt keine ruhige Minute
mehr hat. Dieser plötzliche Wechsel ist zerstörerisch, sowohl für seine
Denkfähigkeit, seinen emotionalen Zustand als auch seine Gesundheit, die
u.a. wegen verschiedener Hungerstreiks in der Vergangenheit sehr
geschwächt ist.

Die Verlegung verletzt außerdem das kürzlich verabschiedete Gesetz, nach
dem er in das Gefängnis von Korydallos hätte zurück gebracht werden
müssen, wo er 16 Jahre lang gefangen gehalten worden ist, und das sich
in der Nähe seiner Familie befindet, während Domokos weit entfernt
liegt, sodass ein Besuch seiner Familie oder seines Anwalts sehr
schwierig wenn nicht unmöglich wird.

Es ist offensichtlich, dass die Verlegung aus Rache geschah, denn
Mitglieder der aktuellen Regierung hatten angekündigt, dass sie seine
Haftbedingungen verschlechtern würden.

Dimitris hat entschieden einen Hungerstreik zu beginnen um gegen diese
ganzen Maßnahmen gegen ihn zu protestieren und seine Verlegung nach
Korydallos entsprechend dem kürzlich verabschiedeten Gesetz zu fordern.

Am 8. Januar begann der Hungerstreik, seitdem hat er viel Gewicht
verloren, er hat Anzeichen von Übersäuerung (Azidose), Ohnmachtsanfälle,
Probleme beim Stehen und bei eigenständiger Bewegung.

Die Willkür und alle Maßnahmen gegen Dimitris – sei es auf Druck der
Botschaft der USA, sei es auf Druck der Familie des Premierministers,
die Verletzungen der Gesetze, sogar der zuletzt genau zur
Verschlechterung seiner Haftbedingungen erlassenen, bilden zusammen
einen beispiellosen Fall willkürlicher Einmischung in die Justiz aus
persönlicher Rache; Rache, die eine mächtige Politikerfamilie einfordert
und dabei ohne zu zögern alle Mittel ausschöpft, die ihr zur Verfügung
stehen für diese Rache.

Wir fordern die Verlegung von Dimitris Koufodinas in das Gefängnis von
Korydallos entsprechend dem vor kurzem erlassenen Gesetz und das Ende
jeder Intervention gegen ihn und jeder diskriminierenden Behandlung, sei
es auf legislativer oder faktischer Ebene

Unterschriften für den Aufruf und Solidaritätsbriefe können an diese
Mail-Adresse geschickt werden: ariadni lelaki < lariadni@yahoo.gr>;

Die sehr lesenswerte politische Autobiographie „Geboren am 17. November“
von Dimitris Koufontinas ist bei bahoe books erschienen.
http://schwarzerisse.de/dimitris-koufontinas-geboren-am-17-november/