KRIEG GEGEN GAZA

Folter an palästinensischen Gefangenen
Israels Guantanamo: Freigelassene bezeugen systematische unmenschliche Behandlung in Haft

Viele der rund 50 Männer aus Gaza, die am Dienstag aus israelischen Gefängnissen freigelassen wurden, »wiesen sichtbare Anzeichen von Folter auf«. Dies berichtet unter anderem das Onlinemagazin The New Arab unter Berufung auf Videos und Fotos, die seit Tagen in den sozialen Netzwerken kursieren. Viele der Männer wirkten demnach »erschöpft, abgemagert und dünner als sonst«. 33 von ihnen wurden laut palästinensischen Quellen aufgrund ihres »schlechten Gesundheitszustands« zur medizinischen Behandlung in das Kamal-Adwan-Hospital im nördlichen Gazastreifen gebracht. »Die israelischen Soldaten traten und schlugen uns mit ihren Gewehren«, berichtet Mahmoud Ismail, einer der 50 Freigelassenen, in einem von Al-Dschasira veröffentlichten Video. Die Soldaten hätten Hunde auf die Gefangenen losgelassen, so Ismail weiter, wodurch viele in Panik geraten seien. »Es machte ihnen Spaß, uns zu foltern.« Zwei weitere Freigelassene berichten in einem von Middle East Eye veröffentlichten Video ebenfalls von Hunden, »ständigen Schlägen« sowie Schlafentzug und Anwendung von Elektroschocks als Foltermethoden.

Die nun Freigelassenen wurden zumeist unmittelbar nach Kriegsbeginn vor über acht Monaten von israelischen Soldaten entführt, wobei die Familien im Glauben gelassen wurden, dass ihre Angehörigen tot seien, gibt Reuters einen von ihnen, Ataa Shbat, wieder. Insgesamt seien demnach mehr als 9.170 Palästinenser aus dem Westjordanland seit dem 7. Oktober von Israel inhaftiert worden. Tausende weitere seien aus dem Gazastreifen »gewaltsam verschwunden«, wobei Israel sich weigere, die genaue Zahl bekanntzugeben. Auch wie viele Menschen in Haft gestorben sind, ist unklar. Vergangene Woche berichtete die New York Times, dass allein im Foltergefängnis Sde Teiman in Südisrael 35 Gefangene aus Gaza verstorben seien. Insgesamt seien dort seit dem 7. Oktober über 4.000 Personen inhaftiert worden.

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Laut dem Bericht wurden in Sde Teiman Hunderte Gefangene in einem offenen Hangar, wo sie Kälte und Regen ausgesetzt waren, gezwungen, 18 Stunden am Tag gefesselt und mit verbundenen Augen in völliger Stille zu sitzen. Anderen wurde extrem laute Musik vorgespielt, um zu verhindern, dass sie schlafen; einem Mann soll davon das Ohr geblutet haben. Sieben Männer gaben an, dass sie bei den Verhören gezwungen wurden, nichts als Windeln zu tragen, drei wurden dabei zusätzlich mit Elektroschocks gepeinigt. Der 39jährige Krankenpfleger Junis Al-Hamlawi berichtete gegenüber der New York Times, dass zwei Soldaten ihn nackt auf eine am Boden befestigte Metallstange setzten und ihn herunterdrückten, so dass die Stange sein Rektum penetrierte, bis es blutete. Andere berichteten von ähnlicher sexualisierter Folter durch israelische Soldaten. Bei einigen sei die Metallstange bei der analen Vergewaltigung extrem heiß gewesen, bei anderen wurden Stromschläge über sie verabreicht.

Ein Mann berichtete gegenüber Al-Dschasira, dass israelische Soldaten auf die Entführten uriniert hätten, als sie in Lastwagen von Gaza nach Israel verschleppt wurden. Ein anderer beschrieb, wie ein Soldat seinem 31jährigen auf dem Boden liegenden Zellengenossen Mohammad Al-Kahlut aus Dschabalija so fest auf den Kopf schlug, dass er verstarb. Ein Gefangener berichtete, dass Soldaten ihm als Folter einen Amboss auf die Brust gesetzt hätten. Ein Mann schilderte die hygienische Verwahrlosung der Gefangenen gegenüber Reuters, vor allem jener, die dringend medizinische Behandlung benötigten. »Die Krankheit frisst ihre Körper auf, und niemand kümmert sich um sie«, so Aalam Hi­dschasi. Er selbst hätte acht Monate lang dieselbe Kleidung tragen müssen. Ein Video, das der Arzt Said Alsalman am Mittwoch auf X veröffentlichte, zeigt einen auf einem Krankenhausbett liegenden, apathisch an die Decke starrenden Mann, der von seiner kleinen Tochter umarmt und getröstet wird. Er beschreibt, wie den Gefangenen lange Zeit Essen und Wasser vorenthalten wurde. Als die Soldaten ihnen schließlich Wasser gegeben haben, sei dies extrem salzig gewesen und habe gestunken, »Abwasser«, wie er meint.

Von Jakob Reimann
junge Welt 15.6.24