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Prozessbericht vom 16. Verhandlungstag (RAZ-RL-radikal-Prozess)

Als erster wurde der Zeuge Steffen Binder vorgeladen. Dieser ist ein Polizist aus Magdeburg, vom LKA Sachsen-Anhalt und 50 Jahre alt. Als die Richterschaft ihn nach dem Grund für seine Einladung fragte, antwortete dieser, dass er wüsste worum es gehe, dass er auch den Observationsbericht, um den sich im Laufe des Tages noch vieles drehen wird, unterschrieben hätte und dass es um eine Observation in Berlin gehe. Zur Frage, ob er sich an den Einsatz erinnern würde, sagte dieser, dass er dies täte, wenn auch nicht in Gänze, dass er auch nochmals zu dem Fall was gelesen hatte. Die Richterschaft sagte auch, sie habe mit dem Zeugen telefoniert und dieser fügte hinzu, dass teils teils durch die Akten, aber auch durch das Telefont, Erinnerungen aufgetaucht seien.

Um zu beleuchten, worum es geht, begann der Zeuge mit seiner Schilderung von den zwei Ereignissen, die sich ihm nach eigener Aussage eingeprägt hätten. In der Nacht vom 17. auf den 18. März 2011 oder vom 16. auf den 17. März, der Zeuge war sich nicht mehr ganz sicher, soll Cem angeblich mehrere Briefumschläge eingeworfen haben. Dies soll in der Nähe der Frankfurter Alle passiert sein. Das Format der Umschläge sei A4 gewesen, vermutlich beinhalteten sie Zeitschriften. Die observierenden Beamten hätten diese Umschläge markiert und etwas nachgeworfen, wodurch sie am nächsten Tag, die entsprechenden Umschläge identifizieren wollten, als sie sie rausholten. Ob der Zeuge dies mit seinen eigenen Augen gesehen habe, fragte die Richterschaft als nächstes. Dies sei nicht so gewesen, er habe es über den Funk mitgehört. Als nächstes wurde gefragt, ob der Zeuge die Observation koordiniert habe. Dies sei der Fall gewesen, so die Antwort, er sei die ganze Zeit in unmittelbarer Nähe gewesen und könne auch noch den Namen des Kollegen nennen, der den Vorgang beobachten haben will. Die Richterschaft wollte wissen, soweit es die Aussagegenehmigung erlauben würde, ob der Zeuge doch bitte schildern könne, wie so eine Observation von statten gehe und was dieser gehört haben soll. Der observierende Kollege schildere über Funk, was dieser sehe. Und was hätte dann der Zeuge gemacht, fragte die Richterschaft? Dieser würde taktische Überlegungen, bzw. Entscheidungen treffen, wie weiter vorzugehen sei. Ob der Zeuge Notizen gemacht hätte? Die Verteidigung intervenierte darauf und sagte dass der Vorgang von Überwachungen im Allgemeinen bekannt seien. Die Richterschaft will diese Fragen aber dennoch stellen, wer habe dies nun gesehen, fragte sie weiter. Ein Florian Karacheck (oder Karasek). Arbeitet dieser noch in der Behörde? Ja, antwortete der Zeuge. Was sich dem Zeugen denn ansonsten noch von der Observation eingeprägt hätte? Er wisse nicht mehr genau an welchem Tag, es sei auf jeden Fall nachts und am Kottbusser Tor in Kreuzberg gewesen, der Angeklagte sei in ein Internetcafé reingegangen und habe sich mit seinem Notebook in das dortige WLAN eingeloggt. Der Zeuge könne sich daran erinnern, weil aus den Ermittlungen des BKA herausgekommen sei, dass über dieses WLAN-Netz ein Kommuniqué verschickt worden sei. Wie viele Tage später habe er dies vom BKA erfahren, fragte die Richterschaft. Einen Tag später. Ob an dem Tag auch über Funk kommuniziert worden sei. Ja und er wüsste noch, welcher Kollege die Observation durchgeführt habe, dieser sei aber inzwischen verstorben. Nahmen andere Kollegen an der Observation direkt teil? Der Zeuge sagt, er könne sich nur an diesen erinnern. Im Bericht seien ja Vermerke vorhanden, sagte die Richterschaft. Ja, dies wäre richtig, die wären im Nachhinein gemacht worden. Woher der Zeuge denn wüsste, dass der Angeklagte derselbe von damals sei? Dieser antwortete, er würde ihn wiedererkennen, da er ihn zwei Wochen lang observiert habe und während der Observation habe er ihn auch selbst gesehen. Ob er sich an irgendwelche Details erinnern könne? Er soll diesen, den Angeklagten, in der U-Bahn, zu Fuß gesehen haben, so alltägliche Sachen halt. Die Richterschaft wollte wissen, ob der Zeuge gesehen habe, dass sich der Angeklagte mit dem Notebook im Internetcafé in das WLAN eingeloggt hat. Nein, er habe dies nicht gesehen. Also wäre dies nur eine Schlussfolgerung, fragte die Richterschaft als nächstes. Ja, dies sei eine Schlussfolgerung. Ob er den Observationsbericht kennen würde? Ja, dies tat er. Wann wird so ein Bericht gefertigt? Normalerweise gleich, so der Zeuge, kann aber ein paar Tage gedauert haben, er wüsste es nicht mehr. Dieser beginne nämlich am 16.03.11 von 14:30 Uhr bis 22:00 Uhr setze sich am 17.03.11 von 13:45 Uhr bis 03:01 Uhr fort sowie am 18.03.11 von 14:13 Uhr bis 01:05 Uhr und zuletzt von 18:00 Uhr am 19.03.11 bis 02:30 Uhr am nächsten Tag. Ob der Bericht dann am 19.03.11 fertig gestellt worden sei, wie würde so etwas gemacht werden? Die Berichte würden jeden Tag verschriftlicht werden, wenn drinnen steh,t dass dieser mit dem 19.03 datiert ist, dann wurde es auch an diesem Tag gemacht. Die Richterschaft sagte, dass ihr bekannt sei, dass es auch interne Berichte gebe. Dies wäre richtig, antwortete der Bulle, aber diese sind wahrscheinlich schon vernichtet worden. Andere Zeugen, die an Observationen teilgenommen haben, fügte die Richterschaft hinzu, haben ähnliches erzählt. Der Zeuge soll doch bitte was vom verstorbenen Kollegen erzählen, Herr Pitsch, ob dieser ein versierter und erfahrener Ermittler gewesen war. Dieser sei damals schon seit fünf Jahren dabei gewesen und soll ein guter Ermittler gewesen sein, lautete die Antwort.

Zwecks des Verschriften der Berichte, wie würde dies gemacht werden, mache er sich Notizen während des Funkverkehrs? Unterschiedlich, der Zeuge habe ein Aufnahmegerät dabei gehabt und am Abend die Erkenntnisse verschriftet. Die Richterschaft wüsste von anderen Verfahren, dass nach so einem Einsatz, die Kollegen in Berlin sich in der Regel zusammen hinsetzen und diesen besprechen würden, wegen eventueller Unklarheiten. Normalerweise, antwortete der LKA Beamte aus Sachsen-Anhalt, würden Unklarheiten während der Observation geklärt werden. Aber auch später mit den Kollegen.

Nochmals zurück zum Café und den Erinnerungen daran, was würde der Zeuge unter einen Internetcafé verstehen, fragte die Verteidigung nun. Eine Bar mit Internet, wo man was trinken und auch arbeiten kann. Es gebe ja auch solche, wo schon Geräte vorhanden sind und solche, wo man die eigenen mitbringen kann, sagte die Verteidigung als nächstes.. Der Zeuge wüsste dies nicht mehr, wie das dort gewesen sei. Könne es sich auch um eine normale Kneipe gehandelt haben? Ja, könne es. Welcher denn der Name sei? Es wüsste es nicht mehr. Wie denn nun die Kommunikation zwischen dem Zeugen und den Kollegen gewesen sei? Gab es eine Standleitung? Der Zeuge antwortete, dass diese möglich war und er habe die Mitteilungen des Kollegen vollständig in den Bericht geschrieben. In dem Observationsbericht seien drei Sequenzen verfasst worden, ob diese vom Kollegen stammen? Der Zeuge geht davon aus. Ob er es denn nicht mehr wüsste, wollte die Verteidigung wissen. Da es zehn Jahre her war, könne er sich nicht mehr daran erinnern. Ob es eine längere Fassung geben würde? Nein, es gebe nur eine weitere mit der jeweiligen Zuordnung der unterschiedlichen Observatoren. Wie sei es mit den Aussagen von Herrn Pitsch? Diese wurden aufgenommen. Die Observation vom Café habe über eine Stunde lang gedauert, wieso stünde dann so wenig im Bericht darüber, wenn doch alles vollständig darin aufgenommen worden sei? Es sei nicht mehr gesehen worden als dort niedergeschrieben wurde. Weil verdeckt ermittelt wurde und man halt nicht auffliegen will, fügte er auf Nachfrage der Verteidigung hinzu. Ob die konkrete Basis für die Behauptung des Zeugen eine Erinnerung oder eine Vermutung sei, wollte die Verteidigung als nächstes wissen. Eine konkrete Erinnerung habe er nicht. Warum der Zeuge das denn dann hier berichten würde, wenn es sich nur um Vermutungen handele. Nun sollte der Zeuge aus der Erinnerung berichten, ob es bei der Observation Unterbrechungen der Wahrnehmungsmöglichkeiten des Kollegen gegeben habe. Dies sei auszuschließen, so der Zeuge, man habe den Angeklagten immer gesehen, wäre dies nämlich der Fall gewesen, sei dies vermerkt worden sein. Der Kollege soll aber im Bericht geschrieben haben, dass eine ununterbrochene Überwachung nicht möglich gewesen sein soll, sagte die Verteidigung. Das sei möglich, Herrn Pitsch habe dies zwei Tage nach dem Bericht als Vermerk aufgeschrieben, antwortete der Zeuge. Ob Herr Pitsch dem Zeugen von Unterbrechungen in der Beobachtung erzählt habe? Daran konnte sich der Zeugen nicht erinnern. Wie lange denn diese Unterbrechung gedauert haben soll? Der Zeuge wüsste es nicht mehr. Im Bericht stehen nur drei Uhrzeiten, kann es sein, dass nur zu diesen Uhrzeiten Wahrnehmungen gemacht wurden? Dies sei nicht möglich, aber er habe dazu keine konkreten Erinnerungen. Wenn er doch keine konkreten Erinnerungen habe, wie könne dann der Zeuge dies sagen, wollte die Verteidigung wissen? Dieser antwortete, wenn es eine Zeitlücke gebe oder stattfinde, dies vermerkt werden würde. Also habe der Kollege in bestimmten Momenten keine Überwachung machen können, fragte die Verteidigung. Dies sei möglich war die Antwort. Wie viele Menschen sich im Café aufgehalten hätten? Der Zeuge wusste es nicht mehr. Wie groß dieses sei? Nicht groß, es soll Platz für um die 20 Personen gehabt haben. Wie viele Menschen sollen in dem besagten Zeitraum drinnen gewesen sein? Er könne sich nicht mehr erinnern, dass der Kollege Pitsch sagen konnte, wie viele Leute im Café waren, aber er erinnere sich, dass da etwa zwei bis drei Leute drin gewesen sind. Wieso der Zeuge jetzt auf einmal eine Erinnerung daran habe, fragte die Verteidigung und fährt fort, dass im Bericht die Rede von mehreren Personen sei. Dies würde doch nach mehr als nur zwei bis drei Personen klingen. Waren Rechner vorhanden? Konnte man diese sehen? Der Zeuge könne dies nicht ausschließen. Wenn dann, müsste es Herr Pietsch gesehen haben. Wie es mit dem WLAN anderer Bars wäre? Ob dies untersucht wurde? Es soll in der Nähe Imbissläden gegeben haben, der Zeuge wüsste es nicht mehr. Ob dem Zeuge der Name Café Kotti was sagen würde, wollte die Verteidigung wissen. Der Name würde ihm was sagen, aber könne das jetzt nicht einordnen. Ob der Zeuge irgendwelche Erinnerungen an die Umgebung habe? Ob es sich hier um ein singuläres Haus handeln würde? Der Zeuge meinte, dass es diese mittels Google Maps zeigen könnte. Daraufhin antwortete die Verteidigung, dass man dazu alleine im Stande wäre. Der Zeuge gibt eine grobe Erklärung vom Kottbusser Tor ab, das Gebäude, in dem sich das Café befand, gehe um den Platz herum, zum Café musste man eine Treppe rauf auf eine Balustrade, es sei quasi im 1. Obergeschoss gewesen. Würde es sich hier um einen Hochhaus handeln? Ob viele Wohnungen vorhanden waren? Neubau, Altbau? Der Zeuge antwortete dass die Bauart aus den 70ern; 80ern stammen würde, es wäre kein „Zwanziggeschosser“, kein niedriges Haus. Ob Clubs in der Umgebung seien? Der Zeuge habe dazu keine Erinnerung, Imbissläden soll es gegeben haben.

Wenn also im ersten Stock eine Balustrade war, muss dies doch die Observation erschwert haben, gab es denn mehrere Zugänge dorthin? Eine Treppe im Außenbereich, es könnte sein, dass es mehrere Treppen gab, es sei ein weitläufiges Haus. Ob es auch mehrere Eingänge zum Internetcafé gab? Der Zeuge antwortete, dass er sich nur einen Eingang erinnere. Hatte der Kollege dies überprüft, fragte die Verteidigung? Dem Zeugen sei dies nicht bekannt.

Im Observationsbericht ist die Rede von drei Zeiten und man habe sich ja nicht neben den Beschuldigten hingesetzt, hatte es ausgereicht den Eingang zu überwachen? Der Zeuge sagte, dass dies prinzipiell so gewesen sei, der Laden habe zusätzlich auch große Fenster. Von wo wurde überwacht, wenn der Laden am ersten Stock gewesen sei? Die Überwachung soll im Außenbereich stattgefunden haben, von dort aus konnte man alles sehen. Auch den Angeklagten? Ja, auch ihn, antwortete der Zeuge. Würde es denn nicht auffallen, wenn eine Person, eine Stunde lang auf der Balustrade stehen würde, um diese Uhrzeit? Der Zeuge antwortete, dass das Kottbusser Tor ein belebter Ort sei und dort viel los sei, ob aber auf der Balustrade auch noch viel Betrieb war, könne er nicht mehr sagen. Aus dem Bericht könne man lesen, dass der Angeklagte rein ging und dann später raus ging, ansonsten nur eine Bemerkung, wieso? Er habe alles aufgeschrieben, was ihm der Kollege gemeldet hatte. Gab es denn evtl. nur eine Information und nur diese, weil es ansonsten nichts gab worüber man berichten konnte, fragte die Verteidigung. Dies könnte der Fall sein, vielleicht hatte der Kollege noch Beiläufiges gesagt, was der Zeuge nicht aufgeschrieben habe, so die Antwort. Irgendwelche konkreten Erinnerungen dazu? Er habe dazu keine, so der Zeuge.

Fast zuletzt fragte noch ein Schöffe, ob das Betreten des Internetcafés erst nach der Information des BKA von Relevanz gewesen sei und somit in den Bericht aufgenommen wurde? Der Zeuge bejaht die Frage.

Die Befragung ist vorbei und die Richterschaft entlässt den Zeugen.

Eine fünfminütige Unterbrechung wird ausgerufen.

Die Richterschaft, die an dem Ableben des Beamten Pitsch keinen Zweifel hegt, liest daher dessen Bericht vor. Dass nämlich Cem, am 18.03.11 um 00:15 in einer Bar, mit dem Rücken zur Wand saß und nicht gesagt werden kann, was er machte und ob jemand anderes Zugriff auf das Notebook hatte.

Die Verteidigung weist auf den Vermerk und sagt, dass es keine ununterbrochene Beobachtung gab, dass diese offensichtlich nur zu den drei im Bericht vermerkten Zeitpunkten möglich gewesen sei. Die Richterschaft nimmt es zu Protokoll und vermerkt dies. Die Verteidigung fügt hinzu, dass das, was vom Zeugen beschrieben wurde, nicht das vermeintliche Lokal war, wo sich Cem aufhielt, denn dieses, mittlerweile geschlossen, befand sich im Erdgeschoss. Die Richterschaft will dies überprüfen lassen.

Der Richter beendet die Sitzung um 11:07.

Der nächste Prozesstermin ist am 05.Oktober um 09:00 Uhr am Landgericht Berlin, Turmstraße 91, Eingang Wilsnacker Str.

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