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157 Tage Hungerstreik

Türkei: Die Gesundheit der inhaftierten Lehrer Semih Özakca und Nuriye Gülmen verschlechtert sich
Von Kevin Hoffmann
junge Welt 12.8.201

Das Lachen ist mittlerweile vergangen: Die zwei hungerstreikenden Lehrer Semih Ozakca und Nuriye Gülmen im Mai in Istanbul

Am vergangenen Mittwoch haben Rechtsanwälte und Angehörige der beiden inhaftierten türkischen Akademiker Semih Özakca und Nuriye Gülmen auf einer Pressekonferenz in Istanbul über die aktuelle Lage informiert. Die Juristen des Anwaltsbüro des Volkes (HHB) berichteten, dass die Gefangenen von ihrem an diesem Samstag bereits 157 Tage andauernden Hungerstreik mittlerweile sehr geschwächt seien. Zudem bemängelten sie die medizinische Versorgung und Betreuung ihrer Mandanten in der Haft. So gäbe es zum Beispiel keine Krankenpfleger, welche die beiden betreuen, beim Waschen und bei der Zufuhr von Flüssigkeit helfen könnten. Sie würden zudem in der Nacht alle paar Stunden geweckt.

»Im Vollzugskrankenhaus werden strenge Isolationsmaßnahmen ergriffen«, berichtet Engin Gökoglu. Außerdem sei das Besuchsrecht der Gülmen und Özakca massiv eingeschränkt. Besuche und Telefonate würden willkürlich abgebrochen, so der Anwalt. Auch gebe es keine Möglichkeit für die beiden, auf einen Hof zu kommen ins Tageslicht, was ihre Gesundheit zusätzlich belaste. Die Luft in den Krankenzimmern sei stark mit Autoabgasen und Zigarettenrauch verpestet. Auch der Zugang zu Post, Büchern und Fotos sei streng beschnitten. In den vergangenen zwei Wochen soll gar keine Post an die Universitätsdozentin und den Grundschullehrer ausgegeben worden sein.

junge Welt-Ostseetörn
Ein am 29. Juni beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ­(EGMR) gestellter Antrag auf Anordnung einer Haftaussetzung mit Begründung der schlechten Gesundheit Gülmens und Özakcas hat das Gericht am 2. August abgelehnt. 24 ärztliche Atteste wurden vorgelegt, um den sich rapide verschlechternden körperlichen Zustand der beiden Akademiker zu belegen. Das Gericht berief sich bei seiner Ablehnung jedoch auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Attest vom 131. Tag des Hungerstreiks. Zu dem Zeitpunkt hatten die Ärzte keine irreversiblen Gesundheitsschäden oder Anzeichen eines lebensbedrohlichen Zustandes festgestellt.

Semih Özakca und Nuriye Gülmen waren nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 per Notstandsdekret aus dem Staatsdienst entlassen worden, unter dem Vorwurf, Mitglied in der verbotenen linken Organisation DHKP-C zu sein. Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft.