30 Jahre … und kein bisschen (weise) anders

24.Juli 1978, 2.45 Uhr, an der Außenmauer der Justizvollzugsvollzugsanstalt Celle explodiert ein Bombe. Alarmglocken schrillen, Suchscheinwerfer flammen auf. Doch das herbeigestürmte Polizeiaufgebot mit Spürhunden und Hubschraubern konnte keinen Täter ermitteln, der das kinderballgroße Loch in die Anstaltsmauer gesprengt hatte. Die Medien und Politiker wussten aber sofort lautstark davon zu berichten, dass es sich hierbei um einen terroristischen Anschlag zwecks Gefangenenbefreiung gehandelt habe, forderten mehr Sicherheit und härteres Vorgehen.

So gab es natürlich auch massive Durchsuchungen in der Anstalt, wurden die Haftbedingungen verschärft und neue Sicherheitsvorkehrungen bewilligt, unter anderem auch der Bau einer speziellen Isolierstation für „böse Terroristen“, wofür man rein zufällig auch ein paar Pläne gleich zu Hand hatte. Ebenso wurde einem Gefangenen auch die Zugehörigkeit zur RAF angedichtet, eben Sigurd Debus, dieser in verschärfter Einzelhaft genommen, damit er als Ziel dieser Befreiungsaktion fungieren konnte. Selbst die Gegenwehr mit einem Anwalt gegen dies konnte nach Monaten nicht zum Erfolg kommen, da er knapp vor einer gerichtlichen Entscheidung in die JVA Hamburg (Fuhlsbüttel) verlegt wurde und damit wegen Änderung der Zuständigkeit der ganze monatlange Beschwerde- und Rechtsweg von vorne begann.

An den Folgen eines Hungerstreiks 1981 verstarb Sigurd dann. Da wichtige medizinische Unterlagen verschwanden, ist der Tod von Sigurd bis heute ungeklärt.

Schon Ende 1978 wurde der neue Hochsicherheitstrakt in der JVA Celle bezugsfertig und mit den ersten „bösen Terroristen“ bestückt, unter menschenverachtenden Haftbedingungen, wie auch immer wieder belegt wurde. Die vier Gefangenen haben schon einen harten Kampf gefochten, waren gar bereit, ihr Leben im kollektiven Hungerstreik dafür zu geben. Auch mit Hilfe von Anwälten und Öffentlichkeit ereichten sie das eine oder andere.

April 1986 kam es dann raus, dass dieser Sprengstoffanschlag eine Operation des niedersächsischen Verfassungsschutzes, in Absprache einiger Politiker (fast) aller Parteien, hohen Regierungsstellen bis runter zur Anstaltsleitung durchgeführt worden war.

Zwar versuchten diese dann dieser Aktion was Edles zu geben, dass sie so V-Männer in gewisse terroristische Kreisen einschleusen wollte. Was ihnen auch nicht gelang. So ist aber wohl jedem klar, dass nie irgendwer für dieses vorgetäuschte Verbrechen und seine Folgen zur Rechenschaft gezogen wurden. Man könnte also auch meinen, sie haben ihr Ziel doch erreicht.

So besteht dieser Trakt auch heute noch, wenn auch umbenannt in so genannte Sicherheitsstation, und so schon als „Knast im Knast“ zur Standardversion in jeden Knastneubau. Doch da Tradition verpflichtet, hat das Celler Loch immer noch einen besonderen Teil, wo eben die Einzelhaft total ist, wo eigene Kleidung, eigene Elektrogeräte verboten sind (so dass selbst kein Sprachkurs mit Cassete/CD das Hirn frischer hält). Wo Bleistiftanspitzer zum gefährlichen Gegenstand [wurde und] seitenlange Sicherheitsprognosen schaffte und z.B. gerade eine Zellenkontrolle von einem speziellen Kommando mit Hund den Entzug von Büroklammern und Papier (Art Brötchen-)tüten bewirkte, nicht dass die Sachen wirklich wichtig wären, aber es zeigt bestens, welche Willkür möglich ist. Vor allem ist dies auch möglich, weil hierfür heute sich keine Öffentlichkeit mehr interessiert. Die Gefangenen sich in der Regel keinen Rechtsanwalt leisten können usw., daher vegetiert auch schon so mancher so über 10 Jahre und länger, das deutsche Recht macht’s möglich, und die Herrschenden vor Ort benutzen es reichlich, eben weil sie sich der Deckung von Ministerium, Strafvollzugskammer und Staatsanwaltschaft gewiss sein können …

Wie doch so immer, früher, heute und morgen.