reaktionären Staatsumbau.
Prolos, 07.10.25
Im Folgenden findet ihr die Einschätzung des Solikreis Nürnberg zum Urteil gegen Hanna.
5 Jahre Knast – und das ohne einen einzigen Beweis. Das Urteil gegen die Nürnberger Antifaschistin Hanna wirft jegliche juristische Standars über Bord. 5 Jahre, die Hanna nicht entscheiden darf, wo sie hingeht, wann sie was tut, mit welchen Menschen sie sich wann umgibt. 5 Jahre ohne Familie und Freund:innen. Ohne die Bücher lesen zu können, die man gerne lesen würde oder die Musik zu hören, die man gerne hören würde. 5 Jahre der kompletten Fremdbestimmung. Schlimm genug für Hanna und ihre Angehörigen birgt dieses Urteil Potential, für uns Alle extrem gefährlich zu werden. Was soll das für eine Demokratie sein, in der Menschen ohne handfeste Beweise einfach 5 Jahre ihres Lebens genommen werden? Das Urteil gegen Hanna ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht Aller, die sich gegen Rechts engagieren, es ist auch ein Meilenstein in der zunehmenden Abschaffung bürgerlich-demokratischer Prinzipien, denen sich der deutsche Staat eigentlich mal verschrieben hatte. In der Urteilsbegründung des OLG klingt durch, dass allein der Mangel an Gegenbeweisen für eine Verurteilung ausreicht. So wird das allseits bekannte und bewährte Prinzip des „im Zweifel für die Angeklagte“ sang- und klanglos abgeschafft. Ein Umstand, der weitreichende Konsequenzen für die ganze Gesellschaft haben könnte. Wenn Hanna für so viele Jahre ins Gefängnis muss, obwohl nicht einmal bewiesen werden konnte, ob sie zum Tatzeitpunkt überhaupt in Budapest war, wenn eine persönliche Einschätzung des Richters gepaart mit unwissenschaftlichem Humbug wie Körpervermessungen in Zukunft ausreichen, um das Leben eines Menschen in dieser Form zu beeinträchtigen, sollte uns das Allen eine Warnung sein.
Weiter argumentiert das Hohe Gericht, dass es keine Unterschiede mache, wer das vermeintliche Opfer einer gewaltvollen Auseinandersetzung ist. So gäbe es keine „gute politische Gewalt“ – ein Ausspruch, der an Dämlichkeit kaum zu übertreffen ist. Oder will sich das Hohe Gericht wirklich zu der Aussage bekennen, die Taten der gegen den Hitlerfaschismus kämpfenden Untergrundgruppen seien nicht gut gewesen? Hätte man nach 1945 den Partisan:innen den Prozess machen sollen, weil sie nicht schweigend zusahen bei Holocaust und Weltkrieg, sondern Widerstand (der mitunter deutlich gewaltvoller war als alles, was in Budapest passiert ist) leisteten? Ganz nebenbei verkennt das Gericht dabei, dass es selbst politische Gewalt im Auftrag des Staates ausübt. Denn eines jeden Staates Hauptaufgabe ist die politische Gewalt – die jeweiligen Justizapparate eines der wichtigsten Instrumente zur Erfüllung dieser Aufgabe.
Dabei folgt die Argumentation des Gerichtes der Überzeugung, dass nur der Staat das Recht habe, Gewalt auszuüben. Im Falle der BRD sprechen wir dabei von einem Staat, der nie wirkliche Lehren aus der eigenen Vergangenheit gezogen hat. So gab es nach dem Nationalsozialismus keine wirkliche Aufarbeitung, hohe Nazis im Justiz- und Bildungswesen etwa wurden nicht einmal ihres Amtes enthoben. Und auch in jüngerer Vergangenheit stellten sich immer wieder bedenkliche Verbindungen zwischen dem deutschen Staat und seiner Organe und der Neonazi-Szene heraus (Stichworte NSU, KSK, Hanibal, Bullenchatgruppen etc.). Auch sehr aktuell beweist der deutsche Staat einmal mehr, dass Menschenfreund:innen nicht gut daran tun, auf seine Menschlichkeit zu vertrauen. So erleben wir hierzulande eine Zuspitzung der sozialen Verhältnisse: Immer häufigeren rechten Aufmärschen wird der Weg freigeknüppelt. Alles, was sich dagegenstellt, mit drakonischer Repression überzogen. Indes schreitet der Klimawandel eiligen Schrittes voran – erforderliche staatliche Maßnahmen Fehlanzeige. Wo auf der einen Seite unvorstellbare Summen für tod- und leidbringendes Kriegsgerät locker gemacht werden, werden Renten und Sozialausgaben gekürzt. Und auch der Genozid an den Palästinenser:innen wird mit deutschen Waffen, deutschem Geld und deutscher Billigung vollzogen. Kein Wunder also, dass es Leute gibt, die diesem Staat nicht blind vertrauen und seinem Gewaltmonopol als einzige rechtmäßige Instanz skeptisch gegenüberstehen.
Den Vogel schießt das Gericht allerdings erst ab mit der Behauptung, Hanna hätte sich mit ihrer (angeblichen) Tat auf eine Stufe mit den Nazis gestellt. Für das Gericht scheint es offenbar keinen Unterschied zu machen, ob jemand Gewalt anwendet, um massiver faschistischer Gewalt bis hin zu Völkermord und Weltkrieg vorzubeugen oder einfach, weil jemand die falsche Hautfarbe oder Konfession hat. Es besteht aber selbstverständlich eine gravierende Differenz, ob jemand aus rassistischen, homophoben oder anderweitig menschenverachtenden Motiven Gewalt anwendet oder ob jemand Lehren aus der Geschichte gezogen hat und sich anschickt, genau derlei Unmenschlichkeiten und Verbrechen zu verhindern. Dass auf den Staat dabei kein Verlass ist, hat er mehr als einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Mit dem Urteil bestätigt das Gericht die Erkenntnis, dass es sich von Anfang an um einen politischen Prozess gehandelt hat und stimmt ein in den Chor der medialen Vorverurteilung, ohne auch nur irgendetwas aufgeklärt zu haben. Das Urteil reiht sich damit ein in einen reaktionären Staatsumbau, wie er seit einigen Jahren zu beobachten ist. Demokratische Rechte werden abgebaut, soziale Verhältnisse zugespitzt, Repression verschärft und Kriegsvorbereitungen getroffen. Daher sollte uns das Urteil gegen Hanna ein Grund mehr sein, auch unsererseits aufzurüsten, noch mehr auf die Straße zu gehen und noch lauter zu werden.