Der in Deutschland wegen PKK-Mitgliedschaft verurteilte kurdische Aktivist Mehmet Çakas darf nicht in die Türkei abgeschoben werden. Das entschied heute das Verwaltungsgericht Lüneburg. Die Freude unter den Zuschauer:innen im Gerichtssaal war groß.
Mehmet Çakas wird nicht in die Türkei abgeschoben. Das ist das Ergebnis der heutigen Verhandlung über die rechtliche Zulassung seiner geplanten Abschiebung im Asylfolgeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg. Zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde im Fall des kurdischen Aktivisten ein Verbot der Abschiebung nach § 60 (5) Aufenthaltsgesetz ausgesprochen.
Großes öffentliches Interesse
Die Verhandlung stieß auf reges öffentliches Interesse und wurde unter anderem beobachtet von der außenpolitischen Sprecherin der Bundestagslinksfraktion, Cansu Özdemir, einem Mitarbeiter ihres Fraktionskollegen Bodo Ramelow, einer Lüneburger Stadträtin von der Partei Die Linke, den „Studis gegen rechts“ aus Lüneburg sowie Vertreter:innen verschiedener NGOs und Medien. Die Zuschauerplätze im Gerichtssaal waren vollständig gefüllt.
Veränderte Sachlage: „Recht auf Hoffnung“
Rechtlich vertreten wurde Mehmet Çakas von den Anwält:innen Cornelia Ganten-Lange und Carsten Gericke aus Hamburg. Die Rechtsanwält:innen führten aus, dass seit dem abgelehnten Asylantrag ihres Mandanten von 2016 eine neue Sachlage vorliege. So wurde bekannt, dass neben weiteren Verfahren in der Türkei ein Strafprozess in Erzincan gegen Çakas anhängig ist, in dem ihm eine erschwerte lebenslängliche Haft ohne Aussicht auf Entlassung droht. Diese Form der Strafe verstößt gegen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei deswegen bezüglich des „Rechts auf Hoffnung“verurteilt, so etwa im Fall der „Gurban-Gruppe“, zu der neben dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auch die politischen Gefangenen Hayati Kaytan, Emin Gurban und Civan Boltan gehören.
Weiter argumentierte das offensichtlich gut vorbereitete Anwaltsteam von Çakas, dass auch die Verurteilung ihres Mandanten nach § 129b StGB wegen PKK-Mitgliedschaft vor dem OLG Celle sowie die allgemeine Verschärfung der Haftbedingungen in der Türkei die Sachlage verändert hätten.
Freude im Gerichtssaal nach Urteilsverkündung
Nach der Urteilsverkündung brach Freude im Gerichtssaal aus. Viele der Anwesenden umarmten sich und gratulierten Mehmet Çakas und seinen Anwält:innen zu dem Erfolg.
Die anvisierte Abschiebung von Mehmet Çakas stellte einen Präzedenzfall dar, da erstmalig ein wegen PKK-Mitgliedschaft nach §129b StGB in Deutschland verurteilter Kurde seinen Verfolgern in der Türkei ausgeliefert werden sollte. Im Sommer hatte es monatelang Proteste für den bis Anfang Oktober in der JVA Uelzen in Niedersachsen inhaftierten Aktivisten gegeben. Nachdem Ende Juli die Abschiebung ein erstes Mal durch einen Gerichtsentscheid verhindert wurde, wurde auch die für den 28. August geplante Abschiebung einen Tag zuvor gerichtlich gekippt.
„Der Fall von Mehmet Çakas ist kein Einzelfall“
Vor der heutigen Verhandlung hatten erneut diverse Einzelpersonen und Organisationen ein Abschiebeverbot gefordert, so auch die Föderation der Gemeinschaften aus Kurdistan in Norddeutschland (FED-DEM). Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im Europäischen Parlament, erklärte in einer Mitteilung: „Mehmet Çakas darf nicht in die Türkei abgeschoben werden. Das Justizministerium hat die Gefahren einer Auslieferung in menschenunwürdige und lebensgefährliche Haftbedingungen in der Türkei bereits erkannt. Es wäre schlicht inakzeptabel, wenn Mehmet Çakas entgegen der Entscheidung des Justizministeriums nun unter dem Deckmantel einer Abschiebung diesen Gefahren ausgeliefert wird. Deutschland darf Menschen nicht in ein Land abschieben, in dem Kurd:innen verfolgt werden und keine Rechtsstaatlichkeit mehr herrscht. Die 2.430-jährige Haftstrafe, die jüngst für den Istanbuler Bürgermeister Imamoğlu gefordert wurde, verdeutlicht das willkürliche Vorgehen der türkischen Justiz. Der Fall von Mehmet Çakas ist kein Einzelfall. Es handelt sich um eine Grundsatzentscheidung, ob Deutschland Erdogan bei der politischen Verfolgung der Kurd:innen unterstützt.“










