AKTIVIST DROHT ABSCHIEBUNG junge Welt 26.9.23

»Unsere Positionen werden als Bedrohung wahrgenommen«
»Samidoun«-Koordinator soll wegen Palästina-Aktivismus abgeschoben werden. Ein Gespräch mit Zaid Abdulnasser
Interview: Jamal Iqrith

Zaid Abdulnasser ist Koordinator von »Samidoun Deutschland« und aktiv bei »Masar Badil«
Sie sind palästinensischer Flüchtling aus Syrien und in Deutschland aktiv beim palästinensischen Gefangenensolidaritätsnetzwerk »Samidoun«. Jetzt droht Ihnen der Entzug Ihrer Aufenthaltsgenehmigung. Waren Sie zu engagiert?
Ihre Frage geht an den Motiven des Staates vorbei. Ich denke nicht, dass das ein Angriff auf mich als Person und mein Engagement ist. Es geht um die Organisation der palästinensischen Diaspora in Deutschland. Das Hauptproblem der Behörden ist, dass Ereignisse in Israel am nächsten Tag zur Folge haben, dass die Straßen hier voller Palästinenser sind. Sie wollen uns davon abhalten, am Kampf um Palästina von Deutschland aus teilzunehmen. Es gab bereits viele andere Fälle, bei denen Palästinensern ihre Papiere entzogen oder sie gefeuert wurden. Das ist also systematisch.
Sie sollen zum »Schutz des öffentlichen Interesses« abgeschoben werden. Was soll das bedeuten?
Wir gefährden das Narrativ, das der deutsche Staat in bezug auf seine Beziehung mit der Besatzung aufgebaut hat. Die Behörden wollen nicht, dass Menschen offen gegen die Kolonisierung Palästinas demonstrieren. Oder dass sie klar und laut ihre Unterstützung für den palästinensischen Widerstand ausdrücken. Unsere Positionen und eine starke Bewegung, die auf diesen politischen Prinzipien beruhen würde, werden von der BRD als Bedrohung wahrgenommen.

Amnesty International sieht in diesem Jahr das erste Mal die Versammlungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt. Zuletzt wurden 2022 und 2023 Verbote von Demonstrationen zum »Nakba-Tag« und zum »Internationalen Tag der palästinensischen Gefangenen« in Berlin durchgesetzt. Weshalb reagiert der Staat mit mehr Repression?
Wir haben in der Tat in den vergangenen Jahren eine verstärkte Repression beobachtet. Das ist ein direktes Resultat aus der erhöhten Protestaktivität in der BRD. Das Potential von palästinensischen Flüchtlingen, die während der vergangenen Jahre aus den Lagern in Syrien und Libanon nach Deutschland gekommen sind, ist immens. Sie sind nicht bereit, die herrschende Erzählung zu akzeptieren, und fordern die vollständige Befreiung Palästinas. Dabei verstecken sie nicht, dass sie auch bewaffneten Widerstand unterstützen. Es unterscheidet sich von dem, was wir in den vergangenen Jahrzehnten nach den Oslo-Vereinbarungen erlebt haben. Dabei handelt es sich auch um eine Klassenfrage. Heute überqueren diese Jugendlichen das Meer mit einem Schlauchboot und Europa zu Fuß. Sie sind anders als diejenigen, die vor Jahrzehnten zum Studieren oder Arbeiten nach Deutschland kamen. Das zeigt sich auch darin, was sie bereit sind, offen zu sagen.
Besonders Ihr Netzwerk wird aus konservativen Kreisen regelmäßig mit dem Vorwurf der »Terrorunterstützung« konfrontiert. Welche gefährlichen Gruppen fördern Sie denn?
Wir unterstützen alle Palästinenser im Widerstand, die sich aktiv gegen die Besatzung wenden, ob in Jenin, Nablus oder Gaza. Das ist unsere klare Position. Wir versprechen keiner Fraktion Loyalität und sind weder organisatorisch noch finanziell mit irgendeiner palästinensischen Fraktion verbunden.
Die BRD war auch in der Vergangenheit nicht zimperlich im Umgang mit Palästinensern. 1972 wurden im Zuge des Verbots der »Generalunion Palästinensischer Arbeiter« und der »Generalunion Palästinensischer Studenten« zahlreiche Menschen ohne konkreten Grund abgeschoben. In der Folge kam es zu einer breiten Solidarisierung in der radikalen Linken. Wie erfolgreich ist die Mobilisierung in Ihrem Fall?


Die Repressionswelle, die wir in den 70er Jahren erlebt haben, war eng mit der damals sehr aktiven Widerstandsbewegung verbunden. Das gilt nicht nur für Palästina, sondern auch in Europa. Die Reaktion des Staates war heftig. Was unsere Kampagne angeht, erfahren wir breite Unterstützung. Weltweit unterstützen uns mehr als 150 Parteien, Gewerkschaften und Organisationen und erklären, dass die Repression gegen palästinensische Flüchtlinge wegen ihres Engagements im palästinensischen Kampf inakzeptabel ist. Die Kampagne hat unsere Erwartungen übertroffen. Hoffentlich können wir diesen Vorstoß nutzen, um die Bewegung hierzulande und weltweit zu stärken.