Carabineri durchsuchen Zentrale von Basisgewerkschaft in Rom. Zielstrebiger Fund einer Pistole. Hintergrund: Protest gegen Waffenexporte in Ukraine
Griff ins Klo. Die Carabinieri wussten, wo sie die Pistole zu suchen hatten
Es waren Szenen einer Groteske, die sich am Mittwoch in der Zentrale der Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) in Rom abspielten. Gegen elf Uhr betraten Beamte der italienischen Gendarmerie, der Carabinieri, die Geschäftsräume der Gewerkschaft, vorgeblich in der Absicht, nach Waffen zu suchen. Sie gingen einem entsprechendem Hinweis nach, der anonym eingegangen sei. Einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss besaßen die Polizisten nicht. Rechtliche Grundlage der Razzia war ein Paragraph aus den Zeiten der »bleiernen Jahre« der 1960er und 70er. Seit der Zeit des Faschismus hat es in Italien keine Durchsuchung eines Gewerkschaftshauses mehr gegeben.
Nach kurzer Zeit fanden die Carabinieri, was sie offenbar hatten finden wollen: eine Pistole, nachlässig in Zellophan eingewickelt, herausgefischt aus dem Spülkasten einer Herrentoilette. »Sie wussten bereits genau, wo die Waffe versteckt war«, sagte Pierpaolo Leonardi, USB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag gegenüber junge Welt. »Unsere Zentrale ist recht groß, mehr als 1.000 Quadratmeter, aber sie wussten genau, wo sie danach suchen mussten.« Dabei erhärtete einer der Beamten wohl unbeabsichtigt den Verdacht, dass es sich um eine fingierte Aktion handeln dürfte, als er bekannte: »Eine Person mit Vor- und Zunamen hat die Waffe hier deponiert.«
Die Räumlichkeiten der USB-Zentrale sind ganztägig öffentlich zugänglich. »Sicherlich der letzte Ort, an dem man etwas verstecken würde, von Waffen ganz zu schweigen. Aber sicherlich der erste Ort, an dem ein solches Manöver unternommen wird, um eine ganze Organisation zu diskreditieren«, hieß es in einer ersten Erklärung der Gewerkschaft vom Mittwoch. Die einzigen von der USB eingesetzten Waffen seien Streiks und Demonstrationen.
Der Zeitpunkt der versuchten Diskreditierung erfolgt erkennbar nicht zufällig. Bereits Mitte März teilte die USB mit, dass Arbeiter des Flughafens Galileo Galilei in Pisa sich geweigert hatten, als »humanitäre Hilfe« getarnte Waffen für die Ukraine zu verladen. In der vergangenen Woche folgten Hafenarbeiter in Genua einem Aufruf der USB und legten für 24 Stunden ihre Arbeit nieder, um gegen die Verladung von Kriegsgerät zu protestieren.
Der jetzige Versuch, der USB einen unerlaubten Waffenbesitz unterzujubeln, sei ein »völlig lächerlicher Vorwand«, um die Botschaft zu lancieren, dass »wir den Herrschenden lästig sind«, ließ die USB-Zentrale mitteilen. Leonardi erklärte auf jW-Nachfrage: »Das ist eine Provokation gegen unsere Gewerkschaft, die gegen den Krieg kämpft und für den Austritt Italiens aus der NATO sowie für den Rückzug Italiens aus dem laufenden Krieg.« Eine Einschätzung, die der Vorstandskollege Guido Lutrario auf einer am Mittwoch ad hoc anberaumten Pressekonferenz teilte: »Diese Provokation erfolgt zu einem besonderen Zeitpunkt. Wir stehen an vorderster Front im Kampf gegen die Lieferung von Waffen an Kriegsschauplätze und aktuell stehen wir vor den Wahlen der gewerkschaftlichen Vertretung im öffentlichen Dienst. Wenn sie glauben, dass sie uns so schwächen, dann irren sie sich.«
Für den 22. April ruft die USB zu einem ganztägigen landesweiten Streik in Industrie, Logistik und Handel auf. Der Ausstand soll eine Manifestation der Arbeiterinnen und Arbeiter gegen den Krieg werden. Das Motto lautet: »Runter mit der Rüstung, rauf mit den Löhnen!«
Von Daniel Bratanovic junge Welt 8.2.22