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Atik-Prozess vom 28.10.2016

Abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt und: der Prozess soll ab dem 14.11.2016 im Hochsicherheitstrakt des Gefängnis Stadelheim fortgeführt werden

Zu Beginn des 20. Hauptverhandlungstages wurde mitgeteilt, dass ein weiterer Gerichtsdolmetscher, der wegen seiner schlechten Übersetzungsleistungen mehrfach von der Verteidigung angegriffen wurde auf seinen eigenen Wunsch entpflichtet wurde.

Im Anschluss thematisierte die Verteidigung eine Mitteilung des Vorsitzenden, die nach dem letzten Verhandlungstag an die Verteidiger geschickt worden war, mit dem mitgeteilt wurde, dass ab dem 14. November 2016 der Prozess in einem Gerichtssaal im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Stadelheim fortgesetzt werden sollte. Der Vorsitzende teilte in dieser Verfügung weiterhin mit, dass in diesen Räumlichkeiten für die Verteidigung und ihre Dolmetscher kein Internet vorhanden, sei und zahlreiche weitere Einschränkungen der Verteidigung gegenüber den Gegebenheiten im bisherigen Saal gegeben sind.

Wie zur Veranschaulichung dieser bevorstehenden Einschränkungen der Verteidigung wurde zeitgleich ein Prozessbesucher von Sicherheitskräften aus dem Zuschauerraum entfernt. Es stellte sich später heraus, dass dieser als Pressevertreter ein Foto des Gerichtssaals gemacht hatte. Er durfte, nach Intervention der Verteidigung, wieder an der Verhandlung teilnehmen.

Danach verlas der Vorsitzende eine Reihe von Beschlüssen, mit denen Anträge der Verteidigung aus den letzten Verhandlungstagen zur Beweisaufnahme und auf Aussetzung der Verhandlung wegen des Versandes von Verteidigerpost in die Türkei abgelehnt wurden.

Datauf hin wies die Verteidigung zunächst erneut auf die Problematik hin, dass alle wesentlichen Urkunden, die angebliche Urkunden der TKP/ML und ihr zugerechneter Organisationen und Zeitungen betreffen nur als Kopien in der Gerichtsakte sind, und daher ihre Authentizität nicht überprüft werden kann. Die Bundesanwaltschaft bekräftigte, dass die dem Gericht übersandte Akte natürlich eine „Originalakte“ sei, aber eben nur aus Kopien bestünde. Dies sei im übrigen bei allen Verfahren gem. § 129 b StGB so.

Ein Antrag der Verteidigung auf Überprüfung der Entscheidung des Vorsitzenden bereits am 14.11.2016 die Verhandlung im Hochsicherheitstrakt des Gefängnis in Stadelheim fortgeführt werden soll durfte nicht mehr gestellt werden. Das zynische Argument des Vorsitzenden, es bestünde nach dem Beschluss, mit dem die Aussetzung der Verhandlung abgelehnt wurde, Beratungsbedarf der Verteidigung, den er nun gestatten wurde, deshalb sei keine Zeit mehr, wurde noch verstärkt mit seiner Antwort auf den Vorwurf, dieser Antrag würde in der nächsten Hauptverhandlung, nur eine Woche vor der geplanten Verlegung des Sitzungssaales wenig Sinn machen: „Ich kann von heute auf morgen den Schalter umlegen“.

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Diese Äusserung macht deutlich, dass es keineswegs organisatorische Gründe sind, wegen denen dieser Umzug nun bereits im November erfolgen soll, sondern ausschließlich Fragen der Disziplinierung der Angeklagten und der Verteidigung. Bis ins kommende Jahr gibt es keine Terminsüberschneidungen mit dem NSU-Prozess, die einen Umzug mit den schlechteren Arbeitsbedingungen der Verteidigung notwendig machen würde. Die Behinderung der Verteidigung und die öffentliche Stigmatisierung der Angeklagten als gefährliche „Terroristen“ deren Verhandlung nur in einem Hochsicherheitstrakt im Gefängnis sicher stattfinden kann. Die vom Vorsitzenden Gründe für die Verlegung würden allesamt für die Mitglieder und Unterstützer des NSU gelten, nicht aber für die angeklagten türkischen Kommunisten. Die Verlegung der Hauptverhandlung in den Knast dürfte als Reaktion des Vorsitzenden auf die immer offensichtlicher werdende fehlende Legitimation von Repression gegen Gegner des Erdogan-Regimes verstanden werden. Um der Öffentlichkeit zu zeigen, warum man türkische Oppositionelle in Deutschland im Sinne Erdogans verfolgt und einsperrt, muss man deren „Gefährlichkeit“ beweisen, und sei es durch die Verlegung in den Hochsicherheitstrakt.

Im Anschluss ging es für das Gericht in die Herbstferien, da die Verhandlung erst am 7.11.2016 fortgesetzt wird.
https://www.tkpml-prozess-129b.de/de/28-10-2016/