Aufruf vom Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen zum 18. März 2022, dem Tag der politischen Gefangenen

Der 18. März wird von uns, dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, und der weltweiten proletarischen Bewegung begangen. Sowohl Anarchist:innen als auch Kommunist:innen erinnern an die Pariser Kommune. Sie wurde vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 erkämpft und dann blutig niedergeschlagen. Es wird an den erfolgreichen Aufstand der Pariser Kommunard:innen gedacht und an den hohen Preis, welchen sie damals für ihren Kampf um Freiheit zahlten.
151 Jahre später, ist es der gleiche Ruf nach Freiheit, der auch uns antreibt. Und auch die Repression der herrschenden Klasse, welche uns als Untertanen und billige Arbeitskräfte halten will, hält unvermindert an. Sie richtet sich gegen alle, die ihre Ausbeutung nicht mehr akzeptieren wollen und sich widersetzen. Die Unvereinbarkeit der verschiedenen Klasseninteressen, äußert sich somit einerseits in unseren Kämpfen als Klasse der Besitzlosen und andererseits in der Klassenjustiz der Klasse der Besitzenden.
Anhand einiger aktueller Beispiele können wir verdeutlichen, dass diese Klassenjustiz gerade jene angreift, welche die Herrschaft der Reichen gefährden. Sie versucht unsere berechtigten Kämpfe, als kriminell und terroristisch zu diffamieren, um im Umkehrschluss Taten, die das gesellschaftliche Klima zu ihren Gunsten verändern, zu bagatellisieren. So sind dann auch die Konsequenzen zu erklären, die der Staat aus einer Reihe von faschistischen Massakern und Anschlägen zieht. Genannt seien an dieser Stelle z.B. die Taten des NSU (National Sozialistischer Untergrund), welche mit der Hilfe von Teilen des Verfassungsschutzes (VS) begangen wurden, die Erschießung von Walther Lübke oder die Morde von Halle und Hanau. Die Antwort der Klassenjustiz besteht darin, die politischen Prozesse gegen Linke mit besonders harten Urteilen abzuschließen. So z.B. mit erstinstanzlichen Haftstrafen von je 4 1/2 Jahren und 5 1/2 Jahren, wie im Urteil gegen die Antifaschisten Dy und Jo.
Die selbe Stoßrichtung weist die sexistische und vorverurteilende Berichterstattung über die seit dem 5. November 2020 inhaftierte Antifaschistin Lina auf. Ihr Fall zeigt klar auf, wie die Medien seit über 100 Jahren gemeinsam mit den Repressionsorganen agieren. Lina ist wegen angeblicher Körperverletzung gegen Faschisten verhaftet worden. Was ihr in Wahrheit vorgeworfen wird, kann objektiv nur als antifaschistischer Selbstschutz verstanden werden. Sie wird nun zu einer extrem diabolischen Terroristin hochstilisiert.
Am 30. Dezember 2019 schießt der Ex-CDU-Politiker Hans-Joseph Bähner in Köln auf einen Jugendlichen. Dies wird von Seiten der Medien als Körperverletzung heruntergespielt. Es gab keine Untersuchungshaft und bei einem Urteil von 3 1/2 Jahren kann sich mensch ja die eigentliche Haftstrafe nach zwei dritteln ausrechnen. Der Jugendliche, der Glück hat noch am Leben zu sein, wurde nach der Tat von den bürgerlichen Medien als polizeibekannt und auf rassistische Art diffamiert. Dieses Vorgehen lässt keinen Zweifel daran, wie diese Medien genutzt werden, um immer wieder die vorherrschende Meinung zu manipulieren. Dass in diesem Falle polizeilich bekannt heißt, dass dieser junge Mann als Geschädigter eine Anzeige aufgab, verdeutlicht wie dreckig die Methoden sind, mit denen diese Hetze betrieben wird.
Leider ist diese Methode in den bürgerlichen Medien kein Einzelfall. Anstatt zu kritisieren, dass Polizisten einen Minderjährigen zusammen schlugen, mussten die Eltern eines Jugendlichen aus Hamburg-Neustadt feststellen, dass ihr Sohn in Folge der erlebten Polizeigewalt von der Presse diffamiert wurde.
Der Richter Winfried Leopold, tätig am Gericht in Burg in Sachsen-Anhalt, verdeutlichte mit seinem Urteil gegen den Frauenschläger und Ex-Schwergewichtsboxer Tom Schwarz, hingegen zwei wesentliche Fakten. Zum einen können sich Menschen, die selbst eine mediale Präsens haben, darauf verlassen der, bei politischen Prozessen üblichen, Hetze zu entgehen. Zum anderen zeigt sein Urteil, dass die Justiz nur mittellose „Gewalttäter“ verurteilt. Die mit Kohle in der Tasche können sich auf milde Urteile verlassen und gegebenenfalls frei kaufen.
In beständiger Regelmäßigkeit werden Drohbriefe an Politiker:innen, Anwält:innen und Künstler:innen geschickt. Gespickt sind diese mit Informationen, welche aus Polizeidatenbanken abgerufen wurden. Auch in diesen Fällen ist von Seiten der bürgerlichen Medien nur von Einzellfällen die Rede. Parallel dazu wurden zuletzt in Sachsen Fälle bekannt, in denen Vertreter eben dieser Medien, mit Polizeiinternen Informationen gegen Linke hetzten.
Während Faschisten morden und der Staat abschiebt, klären die von großen Medienkonzernen bezahlten Thinktanks im TV über die Gefahr des sogenannten Linksextremismus auf. Auch nach Bekanntwerden des NSU, morden die Faschisten unvermindert weiter. Die neusten Erkenntnisse über bewaffnete faschistische Netzwerke in der BRD zeigen, dass in Deutschland weiterhin paramilitärische Strukturen aufgebaut und toleriert werden. Und das ein paar Jahre nach dem Prozess gegen den NSU, in welchem der Staat versuchte, die These der „allein handelnden Gruppe“ zu untermauern.
Schon vor der Corona-Pandemie hatten die Herrschenden, in der Erwartung sich zuspitzender sozialer Konflikte, im Jahr 2018 die Befugnisse und Mittel der Polizei ausgeweitet. Diese Gesetzesverschärfungen finden, wie mit dem Angriff auf das Demonstrationsrecht in NRW, nun ihre Fortsetzung. Ähnliche und noch drastischere Verschärfungen, der staatlichen Maßnahmen gegen unsere Klasse, vollziehen sich auch auf internationaler Ebene. So z.B. in Frankreich mit dem Polizeifilmgesetz oder in Großbritannien mit ähnlichen Vorgaben. Auch in Italien wurde das Demonstrationsrecht angegriffen. In der Türkei, wo inzwischen all jene die den Staat kritisieren, seien es Anwalt:innen, Musiker:innen, Lehrer:innen, Journalist:innen, oder Student:innen, als Terroristen verurteilt werden. Die Pandemie dient in diesem Kontext als perfekter Vorwand für den weiteren Abbau von Bürgerrechten.
Dass die Ausbeuter versuchen unseren Widerstand in Form von Demonstrationen zu verbieten und zu kriminalisieren, ist nichts Neues. Jene die für Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit auf die Straße gehen, sehen sich mit drakonischen Gesetzen und Strafen konfrontiert. Im Umkehrschluss werden faschistische Banden, welche im Besitz diverser Waffen sind, vom Staat geschützt und teilweise unterstützt.
Wie eingangs erwähnt, sehen sich in der BRD Antifaschist:innen wie Jo, Dy und Lina mit übermäßig harter Repression und Hetze konfrontiert. Viele weitere Menschen sitzen, wegen den von ihnen geführten Kämpfen, im Knast oder werden verfolgt. So wurde Jan, dafür dass er einen Bullen angeschrien haben soll, zu 14 Monaten Haft verurteilt und befindet sich seit September 2021 in der JVA Bayreuth. Dabei war er, bei der ihm vorgeworfenen „Tat“, nicht einmal vor Ort. Seit November 2020 sitzt Ella, welche im Dannenröder Forst verhaftet wurde in der JVA Frankfurt ein. Sie wurde für ihren berechtigten Widerstand gegen den Bau der Autobahn 49 zu 2 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt. Auch das Urteil gegen unseren Genossen Cem, dem psychische Beihilfe zur Brandstiftung angelastet wurde und ihm 1 ½ Jahre auf 3 Jahre Bewährung einbrachte, spricht eine eindeutige Sprache und stellt den Charakter ihrer Klassenjustiz einmal mehr heraus.
Die meisten politischen Gefangenen in der BRD sind wegen § 129b inhaftiert. Einer von ihnen ist Musa Aşoğlu, ein Revolutionär mit türkischen Wurzeln, der 6 Jahre und 9 Monate, wegen des § 129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland), eingesperrt ist. Er ist seit seiner Inhaftierung im Jahr 2016 Sonderhaftbedingungen ausgesetzt. Erst der Isolationsfolter und derzeit einer starken Zensur in der JVA Billwerder, welche auch andere Gefangene betrifft. In ganz Europa und im Besonderen in der Türkei werden Menschen mit dem Vorwurf der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungs Partei-Front) anzugehören verfolgt und inhaftiert. Eine andere Gruppe von Menschen, die der politischen Verfolgung durch die deutsche Klassenjustiz ausgesetzt ist, ist jene, die sich mit dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes solidarisiert. So wurde Maria aus Magdeburg im Oktober 2021 aufgefordert die BRD innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Die aus Spanien stammende Frau hätte laut Behörden ihr Recht auf Freizügigkeit als EU-Bürgerin verwirkt und wurde mit einem für 20 Jahre gültigen Einreiseverbot für Deutschland belegt. Der Grund, sie soll als Bindeglied zwischen der radikalen Linken in Deutschland und der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) fungiert haben. Indizien hierfür waren ihre Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen. Unter ähnlichen Anschuldigungen und mit dem Mittel des § 129b werden bundesweit 10 Menschen in Gefangenschaft gehalten.
Weltweit sitzen Menschen für ihre Kämpfe, teilweise seit Jahrzehnten, in den Kerkern der Herrschenden. Mumia Abu Jamal ist seit über 40 Jahren, für die angeblich von ihm ausgeführte Erschießung eines Bullen, in den USA inhaftiert. 29 Jahre dieser Zeit verbrachte er im Todestrakt. Leonard Peltier ist seit 1976 Gefangener der US Regierung. Er wurde für seinen Aktivismus zur Durchsetzung indigener Grundrechte in den USA verurteilt. Für die Rechte des palästinensischen Volkes kämpfen die Genossen George Ibrahim Abdallah und Ahmad Sa’adat. Ahmad Sa’adat ist der Generalsekretär der Volksfront für die Befreiung Palästinas und wurde 2008 in Israel zu 30 Jahren Haft verurteilt. George Ibrahim Abdallah ist der am längsten inhaftierte politische Gefangene europaweit. Sein Verbrechen: der Kampf um die Befreiung Palästinas und den vom Imperialismus unterdrückten arabischen Völkern. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, was in Frankreich, wo er gefangengehalten wird, üblicherweise eine Haft von 15 Jahren bedeutet. Im Jahr 1999 hatte er seine Strafe zur Gänze abgesessen – doch der Imperialismus hält ihn weiterhin im Knast. Dimitris Koufontinas ist seit 2002, wegen Mitgliedschaft in der ehemals in Griechenland aktiven „Revolutionären Organisation 17. November“, im Gefängnis. Er wurde von der griechischen Klassenjustiz zu 11x lebenslänglich plus 25 Jahren verurteilt. In der Türkei befindet sich der widerständige Gefangene Ali Osman Köse seit über 37 Jahren in Haft. Die türkischen Staatsterroristen sind bestrebt ihn, durch die Nichtbehandlung seiner Krebserkrankung, hinzurichten. All diese Revolutionäre stehen stellvertretend für unzählige weitere Menschen, welche rund um den Globus, von den jeweiligen Regimen, die ihre Länder im Namen des Kapitalismus ausbeuten, gefangen gehalten werden.
In unseren Augen kann die einzige Antwort auf die Repression der Herrschenden nur eine gemeinsame klassenkämpferische, internationalistische und spektrenübergreifende Bewegung sein, die sich anhand gemeinsamer Ziele organisiert und nicht spalten lässt. Wenn wir gemeinsam die Gefangenen aus den unterschiedlichen Kämpfen verteidigen, wird unsere Antwort auf die kapitalistisch imperialistische Repression stärker, effizienter und wahrscheinlich siegreich sein. Die Krise zwingt die Kapitalisten immer mehr und härter gegen alles vorzugehen, was sie nicht assimilieren können. Das sollte uns dazu bringen unsere Kämpfe zu vernetzen, um diese erfolgreich bis zur Befreiung führen zu können.
In diesem Sinne rufen wir Euch dazu auf die vielseitigen Aktivitäten anlässlich des Tages der politischen Gefangenen zu unterstützen und schließen mit den Worten …

DIE REVOLUTIONÄREN GEFANGENEN SIND UNSERE WÜRDE
FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN
HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT