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Aufruf zum 1.Mai 2014 der Interessenvertretung Inhaftierter (IvI)

Nach wie vor werden auch in bundesdeutschen Gefängnissen inhaftierte Menschen vielfach und mit Wissen/Duldung von Gerichten, Aufsichtsbehörden und Regierung nicht nur rechtswidrig behandelt, sondern richtiggehend terrorisiert. Dies gilt insbesondere für diejenigen widerständigen  Gefangenen, die auf die Einhaltung der Grundgesetze und Menschenrechte bestehen, die von den Vollzugsbehörden mit Füßen getreten werden. Die Inanspruchnahme von Grundrechten werten Vollzugsbehörden vielfach als persönlichen Angriff auf sich. Sich wehrende Gefangene werden als notorisch Querulant oder psychisch gestört diffamiert und zum anderen auf allen nur erdenklichen Ebenen mit Psychoterror in Form unzähliger Willkür und Schikaneakte überzogen, die in der Gesamtheit als Folter zu bezeichnen sind. Ganz offensichtlich ist es so, dass „unliebsame“ Gefangene psychisch zerrüttet und derart zum Schweigen gebracht werden sollen.

Nach wie vor werden widerständige Gefangene dann auch ohne jede Vorankündigung innerhalb von wenigen Stunden von Knast zu Knast „entsorgt“ – wo die üble Tortur dann im Rahmen anstaltsübergreifendem Korpsgeistes fortgeführt wird. Gleichzeitig dient das vollzugliche Terrorverhalten gegen widerständige Gefangene zur Abschreckung bzgl. anderer Gefangener, die durch all das eingeschüchtert und somit ruhig gestellt werden.

Wir alle müssen den wenigen Hundert widerständigen Gefangenen in den Knästen eine öffentliche Stimme ermöglichen und geben. Dieses geschieht in überaus lobenswerter Weise „hier und da“ auch immer besser. Die Öffentlichkeit muss viel effizienter über die realen Abläufe in den Knästen informiert werden.

Wünschenswert wäre es auch, wenn die Kategorisierung in „politische“ und „soziale“ Gefangene unterbliebe und gänzlich aufgegeben würde. Natürlich kann (und soll!!!) auch weiterhin herausgestellt werden, wenn Menschen auf Grund politisch motivierter „Taten“ eingekerkert und mundtot gemacht werden sollen, – aber letztendlich muss es uns egal sein, aus welchen Gründen jemand eingesperrt ist. Das Knastsystem ist es völlig egal, ob jemand nun aus politischen Gründen oder sonstigen Gründen eingesperrt ist, – sie terrorisieren jeden Gefangenen, wenn er es „wagt“, sich aufzulehnen und Grundrechte in Anspruch zu nehmen.

Das Knastsystem ist kontraproduktiv und schadet dem Gemeinwohl ganz nachhaltig. Schon allein dies ist ein Grund um die Abschaffung der Knäste zu fordern. Dieses System schreibt sich verheuchelt Resozialisierung von Straftätern auf die „Fahnen“ aber es betreibt das genaue Gegenteil. Das Wenige, was an tatsächlicher Re-so-ziali-dings-bums stattfindet beschränkt sich auf maximal 5% der gesamten Gefangenen und hat reine „Alibifunktion“. Das Gros der Gefangenen wird lediglich sich selbst überlassen, wird unter teilweise aller übelsten Bedingungen weggeschlossen und bestmöglich ausgebeutet. Arbeit ist nach wie vor Pflicht und wer sich dem verweigert wird zusätzlich terrorisiert und mit Haftkosten bestraft, mit denen ohnehin überwiegend mittellose Gefangene mit Schulden überzogen werden. Selbst wenn sie dann irgendwann später arbeiten, so können diese Schulden von den Sklavenlöhnen gar nicht beglichen werden. Rentenversicherungsbeiträge werden nach wie vor nicht ein- und abgeführt und somit werden viele s.g. „Langstrafler“ in die Altersarmut verfrachtet. Viele Firmen beteiligen sich an dieser Ausbeutung und lassen unter verbeamteter Aufsicht überaus preiswert produzieren. Selbst der DGB lässt seine verfuckten Werbefähnchen von Gefangenen zu Sklavenlöhnen fertigen, – fordert aber andererseits gerechte Bezahlung und menschenwürdige Arbeitsverhältnisse. Und in der JVA Rheinbach musste ein Gefangener erst klagen, bevor er Schutzhandschuhe bekam, nachdem er sich blutige Finger beim Zusammenbau von Staubsaugerteilen für die Firma Miele holte. Er hatte zwar „Erfolg“ … wurde dann aber innerhalb kürzester Zeit mit vorgeschobenem Grund entlassen. So „bedankt“ sich dieses System für die Inanspruchnahme von Grundrechten. Jede(r) hat sie, – aber wehe denen, die sie gegen das System als solches in Anspruch nehmen!!!

Überwiegend ist die offizielle Begründung staatlicher Stellen die, dass die Gesellschaft vor den „ach-so-gefährlichen“ Straftätern geschützt werden müsse. Auch dieses Argument ist hohl. Es gibt ganz unbestritten eine kleine gewisse Anzahl tatsächlich gefährlicher Straftäter, die tatsächlich auch gesichert bleiben müssen. In diesem Zusammenhang werden stets die Sexualstraftäter und Serienkiller seitens der Presse genannt. Nur … und da darf man/frau sich nichts vormachen lassen, – wie viele sind das denn innerhalb der knapp 65.000 Inhaftierten? Es sind keine 5%. Würden die bestehenden Gesetze richtig angewandt, wäre keiner dieser Täter in Gefängnissen. Wer Frauen und Kinder schändet und tötet, kann geistig nicht gesund sein und wäre ergo als Kranker zu behandeln. Solche Täter gehören nicht in Gefängnisse, sondern in ordnungsgemäß arbeitende Psychatrien. Um dies zu erkennen bedarf es keiner Gutachten, – denn das solche Täter geistig nicht gesund sein können sagt einem der gesunde Menschenverstand.
Mindestens 50% der inhaftierten Straftätern sitzen wegen Taten im Bezug auf das BTMG. Vielfach sind diese Menschen wegen s.g. Beschaffungskriminalität verurteilt worden. Auch dieser Kreis von Straftätern sitzt zu Unrecht in Haft, da es sich bei Sucht um eine Krankheit handelt. Statt behandelt und entwöhnt werden Abhängige in den Vollzugsanstalten in s.g. Methadonprogramme verbracht und dies überwiegend über Jahre hinweg. Dies ist für dieses verheuchelt agierende System billiger und aus diesem Grund werden Abhängige derart einfach ruhig gestellt. Die tägliche staatliche „Dröhnung“ kostet keine 50 Cent für Großabnehmer wie Vollzugsanstalten. Auch hier ist von propagierter Resozialisierung nichts zu sehen.

Inhaftiert sind in Deutschland ca. 2000 „Mörder“ die zu lebenslangen Freiheitsentzug verurteilt wurden. Bei der ganz überwiegenden Anzahl handelt es sich um Ersttäter und um Beziehungstaten, bzgl. derer keinerlei Rückfallgefahr droht. Trotzdem werden solche Täter 20, 30 und mehr Jahre eingesperrt. Und das, obwohl mittlerweile bewiesen ist, dass bei solchen Taten die Täter nach spätestens 10 Jahren Wegsperrens den inneren Bezug zur Tat verlieren.

Ca. 500 ehemalige Täter sind in der s.g. Sicherungsverwahrung (SV) untergebracht. Die derart Untergebrachten haben die gegen sie erkannten Strafen verbüßt, werden aber aufgrund „festgestellter Gefährlichkeit“ weiterhin durch Einkerkerung gesichert. Auch derartiges Verhalten des System ist gänzlich abzulehnen und abzuschaffen. Es geht nicht an, Menschen aufgrund lediglichen Verdachtes auf Dauer wegzusperren.

Es müsste zu alledem eigentlich noch viel weiter ausgeholt und gesagt werden. Knäste (und hier insbesondere das Nazirelikt Sicherungsverwahrung) müssen abgeschafft werden. Das Argument des „Sicherns der Gesellschaft vor Straftätern“ führt sich ohnehin ad absurdum. Jährlich werden weit über 1 Million Straftaten nicht aufgeklärt … verschwinden dutzende Leute … die auch nie wieder auftauchen. Diese Art Beispiele könnten ellenlang aufgelistet werden … lassen sich aber kurz zusammen fassen: Außerhalb der Knäste laufen unentdeckt 20x mehr Straftäter herum, die eigentlich als viel gefährlicher wie die bezeichnet werden können, die inhaftiert sind, – denn sie sind schlauer und können nicht ermittelt werden. Aber die Gesellschaft muss angeblich vor den paar knapp über 60.000 Inhaftierten geschützt werden? Wie eingangs schon ausgeführt, gibt es eine geringe Anzahl tatsächlich gemeingefährlicher Sexualstraftäter und Mehrfachmörder, die zum tatsächlichem Schutz vor Wiederholungen gesichert werden müssen. Dies aber nicht in Gefängnissen, sondern in Psychatrien, in denen ihnen geholfen wird. Alle anderen Gefangenen sind zu entlassen.  

Es ist eher müßig, sich darüber (erneut) zu streiten, ob die Forderung nach Abschaffung der Knäste und des Straf- und Rachesystems berechtigt ist, oder nicht und ob man auf dem Weg hin zur Abschaffung (welche sicherlich nicht ohne Widerstand und Kampf vonstatten gehen wird) auch Reformierung gefordert und betrieben werden soll. Hier gehen die Ansichten auseinander. Wir von der Iv.I sind der Meinung, dass dies sehr wohl ein probater Weg ist, um Widerstand in den Knästen zu wecken. Gefangene sind überwiegend politisch nicht interessiert und zudem gibt es untereinander so gut wie keine Solidarität. Diese ist aber unbedingt von Nöten für den Widerstand innerhalb der Knäste und erreichen kann man sie am besten durch die gemeinsame Forderung nach Haftverbesserungen. Vielfach agiert das Knastsystem völlig rechtswidrig und schafft sich so rechtsfreie Räume. Man kann es sehr wohl mit deren eigenen Waffen schlagen und dies ist unserer Ansicht nach der einzige Weg um Gefangene zu erster massiver Gegenwehr zu bewegen. Wenn dies erreicht ist, ist schon viel gewonnen … auf dem Weg hin zur Abschaffung. Die von uns seit Jahren betriebenen „reformistischen“ Ansätze sind einzig dieser Absicht untergeordnet. Und sie sind beileibe keine „Zusammenarbeit“ mit den staatlichen Rechsbeugern.

Gefangene dürfen innerhalb dieses Kampfes nicht allein gelassen werden. Die Differenzierung in einerseits „politische“ und andererseits „soziale“ Gefangene ist hierbei eher als kontraproduktiv zu bezeichnen, denn sie spaltet die Gefangenen. Man hört innerhalb der Knäste immer und immer wieder folgenden Spruch: „ Ach die Linken, Roten und die Antifa, – alles schön und gut,- aber die machen doch nur was für ihre politischen Gefangenen und wir sind denen doch scheißegal,- lass mich damit in Ruhe!“ Man kann noch so sehr dagegen argumentieren,- aber das sitzt ziemlich tief in den Köpfen der „sozialen“ Gefangenen und auch die Ansicht, dass sich die „politischen“ für etwas besseres halten. Das ist natürlich völliger Unsinn,- aber das ist gängige Meinung.

Wir würden uns sehr wünschen, dass sich die widerständigen Kräfte außerhalb der Knäste mehr und mehr zusammen schließen und das es vielmehr gegen Knäste und Haftbedingungen innerhalb von Protestaktionen geben würde. Damit – und nur damit – könnte sich das Gros der Gefangenen identifizieren und genau das würde auch den Widerstand in den Knästen beflügeln. „Hört auf Gefangene zu terrorisieren und zu quälen!!!“ müsste viel viel öfter vor den Toren der Knäste ertönen. Das hören Gefangene und DANN wissen sie, dass sie nicht allein, hilf- und wehrlos sind … könnte Initialzündung sein. (…)

Bestehende Miss- und Umstände innerhalb der Knäste sind aufgelistet im Iv.I Rundbrief 01/2009 und auch diverse Forderungen. Bevor ernsthaft über Abschaffung der Knäste geredet werden kann, muss der Bevölkerung klargemacht werden, dass Knäste beileibe nicht das sind, was ihnen vorgegauckelt wird. Ohne breite Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung wird es keine Abschaffung des perfide ausgerichteten Straf- und Rachesystems geben. Es ist vielfach dieses System, welches den Rückfall produziert, weil es sich nicht an seine ureigenen Gesetze und Verordnungen hält.

Forderung der Iv.I ist und bleibt primär natürlich die Abschaffung der Knäste und des gesamten Straf/Rachesystems. Und auf dem Weg dorthin fordern wir auch weiterhin…

→ die Legalisierung aller Drogen
→ die Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung
→ die Unterbringung psychisch Erkrankter in Psychatrien statt in Knästen
→ die Behandlung Suchterkrankter in offenen Krankenhäusern
→ die Abschaffung der Arbeitspflicht
→ gesetzliche Mindestentlohnung für freiwilliges Verrichten von Arbeiten
→ Einführung einer Rentenversicherung für alle arbeitenden Gefangenen
→ monatliches „Taschengeld“ in Höhe der üblichen Hartz IV Sätze für unbeschäftigte Gefangene
→ freie Arztwahl
→ Abschaffung der staatsanwaltschaftlichen Beteiligungen bei beantragten Strafaussetzungsverfahren
→ die Verpflichtung der Vollzugsbehörden, den Empfang von Klageschriften Gefangener schriftlich zu dokumentieren und diese auf dem s.g. Dienstweg kostenlos zu transportieren
→ Verpflichtung der Strafvollstreckungskammern, eingegangene Klagen in jeden Fall zu bescheiden
→ Abschaffung des s.g. „Verlegungskarussel“ mit dem unliebsame Gefangene von Knast zu Knast entsorgt werden
→ die Möglichkeit des unbeschränkten Paketempfanges
→ Möglichkeit des unbeschränkten Besuchsempfanges und s.g. Langzeitbesuche für alle Gefangenen
→ die Verpflichtung für jeweils 20 Gefangene je einen Psychologen/in und Sozialarbeiter/in fest einzustellen, die nicht von der s.g. Schweigepflicht entbunden werden
→ eine mindestens 3-fache Erhöhung der s.g. Verpflegungssätze
→ die Verpflichtung, die Einkäufe der Gefangenen in Eigenregie durchzuführen (Verbot externer Verkaufsfirmen, die Gefangene mit Wucherpreisen abzocken) und die bestellten Ware zum Selbstkostenpreis an Gefangene weiterzugeben
→ sofortige Kündigung von Firmen wie Telio und deren „Dienste“
→ die Abschaffung von Stromkostenbeiträgen und Gebühren für TV-Empfang
→ das Recht Gefangener E-Mail zu versenden und empfangen zu können
→ Zugang zum Internet
→ Einrichtung von s.g. FB-Möglichkeiten auch innerhalb des geschlossenes Vollzuges (mindestens 5% der vorhandenen Haftplätze)
→ Abschaffung der Verpflichtung „Anstaltskleidung“ tragen zu müssen
→ die gesetzliche Verpflichtung der Vollzugsbehörden, monatlich mindestens 2 Kontoauszüge mit allen Bewegungen an alle Gefangene automatisch auszuhändigen
→ die Entlohnung aus Arbeit des Vormonats jeweils zum 3. Arbeitstag des darauf folgenden Monat den Gefangenen zur Verfügung zu stellen
→ beantragte Überweisungen spätestens am 3 Arbeitstag nach Beauftragung zu tätigen
→ Vollzugsplanfortschreibungen in Abständen von 3 Monaten durchzuführen
→ die eingelagerte „Habe“ Gefangener nicht nur kartonweise sondern Stück für Stück aufzulisten und zu dokumentieren, denn vielfach „verschwindet“ selbiges spurlos
→ Gefangene bei beabsichtigten Verlegungen in andere Knäste mindestens 1 Woche zuvor hiervon zu unterrichten. Auch eingetragene Rechtsanwälte sind hiervon zu unterrichten.
→ das Verbot der vielfach perfide ausgenutzten Möglichkeit, Gefangene mit s.g. „Hausstrafen“ zu disziplinieren und zu isolieren. Derartiges Vorgehen soll ausschließlich den Strafvollstreckungskammern der Landgerichte ermöglicht werden.
→ automatische Beiordnung von Pflichtverteidigern bei Disziplinarverfahren und Akteneinsicht

Sicherlich müssten hier noch weitere mindestens 20 Forderungen aufgelistet werden, aber dies sind die Wesentlichen, aus denen sich dann vieles andere automatisch ergibt. Alles nur „Utopie“? Naja, mag sein und denjenigen die dieser Ansicht sind, sei hier abschließend gesagt: Das dachten Anfang 1989 die DDR Bürger bzgl. der Abschaffung der Mauer auch noch … bis die anderen dann auf die Straße gingen und es immer mehr wurden. Wir alle müssen unseren Forderungen Nachdruck verleihen und noch viel offensiver werden !!! (…)

Iv.I.