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AUFRUF ZUR PROZESSBEOBACHTUNG: LINKES ENGAGEMENT WAR, IST UND BLEIBT EXTREM RICHTIG!

Ein linker Aktivist steht am 30. Juli in Stuttgart vor Gericht. Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Beteiligung an einem Blockadeversuch gegen die rechte und homophobe „Demo für Alle“, eine Transparent-Aktion am Rande einer Demonstration gegen die Freihandelsabkommen TTIP & CETA sowie ein angeblicher Schlag mit einem Pappschild gegen den Helm eines Polizisten auf der revolutionären 1. Mai Demonstration. Bereits in den vergangenen Wochen und Monaten kam es zu einer medialen Hetzkampagne gegen den Angeklagten.

In der Anklage werden drei politische Gerichtsverfahren zusammen gelegt. Im ersten Fall geht es um den Vorwurf des Landfriedensbruchs im Rahmen der Proteste gegen die „Demo für Alle“. Hierbei handelte es sich um regelmäßige Aufmärsche rechter und homophober Kräfte gegen den Bildungsplan der grün-roten Landesregierung. Die anfangs maßgeblich von christlichen Fundamentalisten getragenen „Proteste“ wurden schnell von rechten Kräften übernommen und nach dem französischem Vorbild „manif pour tous“ professionalisiert. Auch waren es die ersten offenen Auftritte der AFD bei Demonstrationen hier in Stuttgart. Die vielfältigen Gegenproteste, unter anderem in Form von Blockaden, waren ein wichtiger Bestandteil der politischen Auseinandersetzung.

Der zweite Fall könnte kaum kleinlicher sein: Mehrere AktivistInnen entrollten am Rand der landesweiten Demonstration gegen die Freihandelsabkommen TTIP & CETA ein Transparent vom Dach der Musikhochschule. Verurteilt werden sollen die Beteiligten nun wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im dritten Verfahren geht es um die Beteiligung des Angeklagten an den 1. Mai-Demonstrationen 2017 in Stuttgart. Ein Polizist erstattete Strafantrag, da er einen Schlag mit einem Pappschild gegen den Polizeihelm erhalten habe. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht hierin eine versuchte Körperverletzung.

Bereits im Vorfeld der Verhandlung beteiligen sich Redakteure der Stuttgarter Nachrichten (StN), im Zusammenhang mit der Hausbesetzung in der Wilhelm Raabe Straße 4, an einer Diffamierungskampagne gegen den Aktivisten mit Verweis auf den nun stattfindenden Prozess.

Hintergrund ist sein Engagement als Sprecher des Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ und Unterstützer der ehemals besetzten Wohnungen in Stuttgart Heslach. Ende April wurde dort seit längerem leerstehender Wohnraum besetzt. Zwei Familien, die zuvor in beengten Verhältnissen lebten, zogen mit Kindern in die Wohnungen ein. Die Familien hatten seit Jahren auf dem Wohnungsmarkt nichts finden können und entschlossen sich daher Leerstand zu beleben. Sie wollten den Zustand nicht hinnehmen, dass es in dieser Stadt tausende unbegründet leerstehende Wohnungen gibt, während unzählige Familien verzweifelt nach Wohnraum suchen. Nachbarn und viele weitere Menschen unterstützten die Hausbesetzung von Beginn an und die Aktion erhielt breiten Zuspruch und vielfältige Solidarität.

Die Redakteure der Stuttgarter Nachrichten verbreiteten Informationen des Verfassungsschutzes, ohne diese zu verifizieren. Neben Schlagzeilen wie „Linke Extremisten mischen mit“ und „Hausbesetzer im Visier des Verfassungsschutzes“ zähle der Aktivist zu den „führenden Köpfen“ der linksextremistischen Szene in Stuttgart und habe bereits fünf kleinere Verurteilungen auf dem Kerbholz. Außerdem habe er sich 2016 mit Helm an einer Demonstration beteiligt. Während der Helm-Vorwurf frei erfunden ist, wird bezüglich der anderen fünf „Vorstrafen“ nicht einmal erwähnt, dass es sich bei vier davon um Schwarzfahren handelt.

Die „exklusiven“ Informationen des Verfassungsschutzes, die in den Stuttgarter Nachrichten reißerisch aufbereitet wurden, sind faktisch eher banal:

Linke AktivistInnen stehen an der Seite von Wohnungsnot betroffenen Menschen.
Linke AktivistInnen engagieren sich gegen rechte Hetze und versuchen Nazis zu blockieren.
Linke AktivistInnen kämpfen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP, die Konzernen mehr Macht und Profit bringen, auf Kosten von ArbeitnehmerInnenrechten und sozialer und ökologischer Standards.
Linke beteiligen sich an Demonstrationen für eine Gesellschaftsordnung jenseits von Ausbeutung und Kapitalismus.
Konsequenter Widerstand gegen Krieg, Abschottung, Sozialabbau und Rechtsruck ist legitim und richtig. Das Problem ist der Verfassungsschutz, der diejenigen, die sich hieran beteiligen als „Linksextrem“ diffamiert und so gesellschaftlich isolieren möchte. Das Resultat der herrschenden Ordnung, die so festgeschrieben werden soll, erleben wir jeden Tag. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, Deutschland beteiligt sich an Kriegseinsätzen rund um den Globus, eine neoliberale Wirtschaftspolitik und Freihandelsabkommen produzieren Armut und Umweltzerstörung, die Grenzen werden abgeschottet und das Mittelmeer verkommt zum Massengrab. Immobilienfirmen machen Maximalprofite mit Wohnraum und Spekulanten lassen tausende Häuser leerstehen, während unzählige Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Aufmärsche von Rechten werden mit massiven Polizeiaufgeboten ermöglicht und durchgeprügelt.

Doch auf der Anklagebank landen nicht die Verursacher und Profiteure dieser gesellschaftlichen Ordnung, dem Kapitalismus. Nicht die Waffenexporteure, Aktionäre und Firmenbosse, nicht die Spekulanten und rechten Hetzer sind staatlicher Kriminalisierung und Repression ausgesetzt, sondern zunehmend linke AktivistInnen. Also Menschen, die notwendige antifaschistische Gegenwehr leisten, Menschen die für eine andere Gesellschaft kämpfen in der die Bedürfnisse der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen und nicht die Profitinteressen einiger weniger.

Lasst uns den Prozess solidarisch begleiten!

Termin: Montag, 30. Juli 2018, 8:30, Amtsgericht, Hauffstr. 5, Stuttgart