Buback-Prozeß: Ehemalige RAF-Mitglieder schweigen vor Gericht. Nebenklage will Rolle des Verfassungsschutzes klären
Von Claudia Wangerin
Im Prozeß gegen Verena Becker wegen des Attentats auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor fast 34 Jahren haben die ehemaligen RAF-Mitglieder Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt am Donnerstag geschwiegen. Sie hatten dies bereits vorher angekündigt und blieben trotz langer moralischer Belehrungen vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart dabei. Rechtlich konnten sie sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach Paragraph 55 der Strafprozeßordnung berufen, da die Möglichkeit bestand, sich durch Aussagen selbst zu belasten. Beide wurden bereits als Mittäter verurteilt und haben lange Haftstrafen verbüßt.
Im Prozeß gegen Stefan Wisnewski war ihnen bereits Beugehaft angedroht worden, weil sie sich zum Tatbeitrag des Angeklagten am Buback-Attentat nicht äußern wollten. Der Bundesgerichtshof hatte damals ihren Beschwerden stattgegeben. Verena Becker ist aufgrund von DNA-Spuren an Bekennerbriefen als Mittäterin angeklagt.
Der Vorsitzende Richter sagte gegenüber Folkerts, aus der Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach seiner Haft könne sich »die Verpflichtung ergeben, gewährte Rechte zurückzustellen«. Außerdem seien Angehörige der Opfer im Saal. Folkerts möge sich auch überlegen, wie er »vor der Geschichte« dastehe. Nicht zuletzt hielt ihm der Richter vor, er lebe »in dieser Gesellschaft und von der Gesellschaft«. Bei der Aufnahme der Personalien hatte der 59jährige Folkerts angegeben, er arbeite als Buchhalter.
Der Fragenkatalog, zu dem er sich nicht äußern wollte, schloß den Zeitpunkt seiner Bekanntschaft mit Verena Becker und die Aufenthalte der RAF-Mitglieder in der Volksrepublik Jemen ein, was dort diskutiert worden sei und ob es Direktiven von bereits inhaftierten RAF-Kadern für die »Offensive ’77« gegeben habe – und natürlich, wo Folkerts am 7. April 1977, dem Tag des Attentats auf Buback in Karlsruhe, gewesen sei. Wie sämtliche Einzelfragen quittierte er auch diese mit: »keine Angaben«. Das Gericht verlas daraufhin ein Interview, in dem Folkerts 2007 dem Spiegel erklärt hatte, er sei am Tattag nicht in Karlsruhe gewesen, habe aber von den Anschlagsplänen gewußt und fühle sich politisch und moralisch für alles verantwortlich, was die RAF während seiner Mitgliedschaft getan habe. Vor Gericht schwieg er auch auf die Frage, ob diese Interviewaussagen tatsächlich so getätigt wurden.
Bei der Vernehmung von Brigitte Mohnhaupt wurde der Vorsitzende Richter esoterisch: »Ob es so ist, wissen wir alle nicht, aber nehmen wir mal an, Sie werden im Jenseits von Ihren Vorfahren begrüßt, und die sagen Ihnen, rechtfertige dein Leben.« »Das ist für mich nicht der Ort, um darüber zu reden«, sagte die 61jährige, deren Stimme erschöpft klang. Der Richter unterstellte ihr daraufhin, sie habe »kein Gewissen«. Die Verteidiger von Verena Becker schritten ein, denn sie sahen eine Grenzüberschreitung darin, »Zeugen zu beschimpfen, die von einem verbrieften, verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen«.
Der Nebenkläger Michael Buback, der Sohn des 1977 erschossenen Generalbundesanwalts, hatte sich kurz vor der Mittagspause zu Wort gemeldet und die moralischen Belehrungen des Gerichts als »kontraproduktiv« kritisiert. Außerdem sei der Prozeß »keine Veranstaltung für die Familie Buback«, deshalb solle sich der Richter mit dem wiederholten Hinweis auf die Angehörigen lieber zurückhalten. Am Nachmittag stellte die Nebenklage drei Beweisanträge, die sich mit den Kontakten Verena Beckers zum Bundesamt für Verfassungsschutz beschäftigen: Ein ehemaliger leitender Auswerter namens Winfried Ridder solle als Zeuge geladen und der ARD-Dokumentarfilm »Bubacks Mörder«, in dem Ridder bereits zu Wort kam, vor Gericht gezeigt werden. Außerdem solle die Stellungnahme des Generalbundesanwalts und Buback-Nachfolgers Kurt Rebmann zur Begnadigung von Verena Becker verlesen werden. Sie war 1989 nach zwölf Jahren aus der Haft entlassen worden.