Bradley Manning kündigt Erklärung an

Whistleblowing kein Geheimnisverrat, sondern Aufdeckung von Kriegsverbrechen

Der vom Pentagon als »Whistleblower« angeklagte Obergefreite Bradley Manning hat vergangene Woche vor dem US-Militärgericht in Fort Meade, Maryland, durch seinen Anwalt ankündigen lassen, er werde die Verantwortung dafür übernehmen, als geheim eingestufte Dokumente der US-Regierung »aus Überzeugung« an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. In der neunten Anhörung, die am vergangenen Mittwoch und Donnerstag stattfand, sollte auf Antrag der Verteidigung vor allem geklärt werden, warum der Beginn der Hauptverhandlung immer wieder vertagt wurde. Hauptverteidiger David Coombs wirft der Militärjustiz schon seit einiger Zeit vor, seinen Mandanten, der im Mai 2010 verhaftet wurde, einer übermäßig langen und damit ungesetzlichen Untersuchungshaft zu unterwerfen. Dazu wurden Ermittler des Militärs vernommen, deren Aussagen mit den Worten von Oberst Carl Coffman auf den Punkt gebracht werden können: »Ich habe darauf vertraut, daß Anklagevertreter und Behörden ihren Job machen«.

Anwalt Coombs überraschte das Gericht dann mit der Ankündigung einer Erklärung Mannings zu seiner Rolle als »Whistleblower«. Diese werde jedoch »kein Schuldeingeständnis im Sinne der Anklage« sein, stellte Coombs gegenüber der Vorsitzenden Richterin Oberst Denise Lind klar. Auch lege sein Mandant »damit kein Geständnis als Teil einer Vereinbarung oder eines Deals mit der Staatsanwaltschaft ab«.

Auf der Website des »Bradley Manning Support Network« erklärte dessen Sprecher Jeff Paterson dazu, wie die meisten Unterstützer habe auch er »in der festen Überzeugung hinter Bradley Manning gestanden, daß er der mutige ›Whistleblower‹ ist«, der die fraglichen Dokumente an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergeleitet hat. Es sei nun angebracht, »die Anstrengungen zu seiner Unterstützung zu verdoppeln«.

Juristisch stellt Mannings Ankündigung den Versuch dar, den schwerwiegenden Vorwürfen der Anklagebehörde mittels einer eigenen Würdigung der Fakten entgegenzutreten. Theoretisch wäre dadurch ein geringeres Strafmaß möglich. Das Pentagon will den 24jährigen US-Soldaten wegen Geheimnisverrats und »Unterstützung des Feindes« lebenslang hinter Gitter bringen. Militärrichterin Lind obliegt es nun, Mannings Erklärung zuzulassen oder sie zurückzuweisen.

Würde das Gericht Mannings Darstellung folgen, könnte das für Februar 2013 anberaumte Hauptverfahren nach Einschätzung des Solidaritätsnetzwerks erheblich abgekürzt werden, da der forensische Nachweis der Art und Weise entfiele, wie Manning sich als Nachrichtenanalyst im internen Datennetzwerk der US-Armee in Bagdad Zugang zu den von Wikileaks enthüllten Irak- und Afghanistan-Kriegsprotokollen und Depeschen des US-Außenamts verschafft hat. Im Prozeß rückte dann in den Mittelpunkt, so das Solidaritätsnetzwerk, daß Manning die Dokumente weitergab, »um Kriegsverbrechen, Täuschung der Öffentlichkeit, rechtswidriges Handeln von Firmen und Behörden sowie weitere Mißstände ans Licht zu bringen«.

Anwalt Coombs geht davon aus, daß die Staatsanwaltschaft um jeden Preis versuchen werde, den Beweis für ihre Hauptanklagepunkte zu führen. Paterson wirft der US-Militärführung und der Anklage vor, sie hätten permanent versucht, Manning lautere Motive für sein Handeln abzusprechen und keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, daß er der nationalen Sicherheit der USA großen Schaden zugefügt habe. Demgegenüber sieht Paterson vieles, was seit einem Jahr in den mündlichen Anhörungen zur Sprache kam, als das Bemühen der Verteidigung an, »Richterin Lind bezüglich der ›Whistleblower‹-Motive Mannings zu unterrichten«.

Folgerichtig gab Anwalt Coombs auch die Entscheidung seines Mandanten bekannt, er wolle im Hauptverfahren nicht vor ein militärisches Geschworenengericht treten, dessen Jury aus ranghohen Offizieren zusammengesetzt wäre. Statt dessen solle die Verhandlung vor einem Einzelrichter stattfinden. In der Konsequenz wird es dann Richterin Lind sein, die 2013 sowohl über die Schuldfrage als auch über das Strafmaß entscheidet.

Ab 27. November wird das Gericht zur nächsten, diesmal sechstägigen Anhörung zusammentreten. Verhandelt wird dann der Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens wegen Mannings Mißhandlung durch neun Monate Isolationshaft auf der Marinebasis Quantico, Virginia. Dazu sind zahlreiche Zeugen geladen.