Wir dokumentieren einen weiteren Brief von Werner Braeuner. Der Brief war an die Soligruppe adressiert und Werner berichtet in ihm über seinen aktuellen Gesundheitszustand und die Situation im Knast für ihn, aber auch für andere Gefangene.
Einen revolutionären Salut an die GenossInnen der Soligruppe aus dem Knast, aus dem innersten Heiligtum von Staat, Sozialdemokratie/Lohnarbeit und Kapital!
Wiege und Zustandsbericht
Die Blutabnahme am Mittwoch, 1.6., ist ohne Angabe von Gründen ausgefallen. Das Wiegen am Freitag, 3.6., ergab 69,7 kg ; die Abnehmgeschwindigkeitist im Vergleich zur Vorwoche (12,5gr/h) überraschend angestiegen auf 2,5 kg/Woche =15 gr/h. Am Mittwoch, 8.6., soll nun die Blutentnahme erfolgen. (Dr.Windelboth war am 3.6. nicht anwesend.) Ich bin gesundheitlich weiterhin beschwerdefrei, der Blutdruck und der Urinschnelltest am 3.6. waren unauffällig, allerdings ermüde ich leicht und muss bei körperlichen Aktivitäten langsam sein; die psychische Verfassung ist ungetrübt.
Sonstiges
Die Quantität, Qualität und Reichhaltigkeit des Essensangebots der JVA sind im Laufe der vergangenen 2 Wochen deutlich besser geworden. Statt stinkender Futterkaroffeln werden nun übliche Speisekartoffeln gereicht, der Anteil von Fleisch und Gemüsebeigaben zu den vielfach angebotenen Mischgerichten ist ebenfalls deutlich angestiegen, das Essen ist auserdem schmackhaft zubereitet.
Anlässlich des gesprchs mit Webradio Flora am 30.5. wurde eine Fortsetzung für Dienstag, den 7.6., vereinbart. Jene Fortsetzung wird nicht stattfinden können: Am 1.6. sind eue Ein- und Aufschlusszeiten für die Anstalt per Aushang bekanntgemacht worden; sie gelten ab dem 6.6.. Dann werden „ Nichtarbeiter“ unter der Woche um 12.45 Uhr bis zum nächsten Morgen um 6.05 Uhr in ihren Zellen eingeschlossen; Zellenaufschluss wird es dann unter der Woche nur noch vormittags von 6.05Uhr bis 7.30 Uhr und von 10.00 Uhr bis 12.45 Uhr geben.
Die bisher gültig gewesene Regelung der Ein- und Aufschlusszeiten kannte keine Unterscheidung von „Arbeitern“ und „Nichtarbeitern“, alle waren ab 14.00 Uhr bis zum Nachteinschluss um 1945 Uhr aufgeschlossen. Lediglich an Wochenende und Feiertagen bleiben die Ein-und Aufschlusszeiten von „Arbeitern“ und „Nichtarbeitern“ nun die selben.
Da allein während der Aufschlusszeiten Zugang zum Telefon besteht, können „Nichtarbeiter“ werktags nachmittags und abends nicht mehr Failie, Angehörige, Freunde und Anwälte anrufen.
Mit der neuen Regelung werden die wenigen „Nichtarbeiter“ in den Haftstationen unter der Woche beinahe vollständig von den arbeitenden Mitgefangenen separiert sein, gemeinsame Aufschlusszeit ist nur noch morgens von 6.05 Uhr bis zum Ausrücken in die Arbeitsbetriebe um 7.00 Uhr; die Nichtarbeiter geraten in Kontaktisolation, da die Haftstationen nur zu Veranstaltungen verlassen werden dürfen; „Nichtarbeiter“ sind von Sportveranstaltungen ausgeschlossen. Wohl damit Lohnverweigerer – Hassobjekt Nr.1 von Unternehmern, Sozialdemokraten, Faschisten und allen sonstigen gut dressierten Lohnarbeitsäffchen- sich durch Flucht in Krankheit nicht der Einschlussisolation entziehen können, sowie um auch durch Unfall, Krankheit oder Behinderung dauernd Arbeitsunfähige und Altersrentner noch in Lohnarbeit zu drücken wird im Hinblick auf die neue Ein- und Aufschlussregelung nicht zwischen „verschuldet oder unverschuldet beschäftigungslos“ unterschieden. Mit gesondertem Aushang vom 1.6.2011 teilt die Vollzugsabteilung mit :
Die Hausordnung der JVA Sehnde hat sich hinsichtlich des Tagesablaufes (Punkt6) geändert. Danach wird zukünftig zwischen Arbeitern (sobald eine Arbeit, Ausbildung o.ä. Zugewiesen wurde) und Nichtarbeitern (verschuldet oder unverschuldet) unterschieden.
Ab dem 06.06.2011 findet die Freizeit für Nichtarbeiter (Unterstreichung im original) am Vormittag statt. Freizeitaktivitäten wie beispielsweise die Nutzung des Fitnessraumes, Sport oder die Freistunde werden auf den Vormittag verlegt.
Die Arbeiter haben am Nachmittag ( nach der Arbeitszeit) Freizeit. Einzelheiten entnehmen Sie bitte der aktuellen Hausordnung vom 5.4.2011, die ab sofort auf Ihrer Station aushängt. Bei Fragen wenden sie sich bitte an Ihren zuständigen Stationsdienst.
Gruppen oder Behandlungsangebote der Anstalt sind von dieser Regelung nicht betroffen.
Offenbar verstößt die ab dem 06.06.gültige Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der BRD Verfassung, gleiches solle gleich, Ungleiches aber dürfe nicht gleich behandelt werden: verschuldet beschäftigungslos ist ungleich unverschuldet beschäftigungslos!
Die Öffentlichkeit dieses Verfassungsverstoßes demonstriert die Rechtsverachtung von Justzizbehörde und Strafvollzug. Entrechtung und Ausgr erzeugt bei Gefan Haß auf „die Gesells“ sowie Menschenverachtung, der Straf zieht sich seine Dauerkundschaft aktiv heran.
Dies ist auch vielen Justizvollzugsbediensteten klar, die auf solchen, von ihnen nicht zu vertetenden Mißstand häufig mit hilflosem Zynismus reagieren. „Viele Gefangene, viele Bedienstete“ ist unter Schließern ein geflügeltes Wort geworden.
Am 01.06. habe ich bei der Vollzugsabteilung und Anstaltsleitung beantragt, am Dienstag, den
7.6. von 18. – 18.45 Uhr aufgeschlossen zu werden, um mit Webradio Floratelefonieren zu können; mit der Begründung, der Anruf sei vor Aushang der neuen Ein- un Aufschlusszeiten verabredet worden. Die Vollzugsabteilungsleitung beschied, sie sehe „keine besondere Veranlassung“ meinem Antrag zu entsprechen.
Gezielte Provokationen
Die Europäische Konvention für Gefangenenrechte bestimmt, Gefangenen Körperpflegemittel nach Bedarf kostenlos zu überlassen. Da ich ohne Einkommen bin, wurde mir dies bis vor kurzem gewähr. Mitte April wurde erstmals Zahnpasta verweigert; monatlich gebe ab sofort nur noch eine Tube, die jeweils am Monatsanfang zu beantragen sei: nächste Zahnpasta erst im Mai! (Die Tube reicht etwa 20 Tage).
Urheber dieser Repression war die Anstaltsleitung bzw. deren verlängerer Arm in der Vollzugsabeilung 212, „Abteilungshelfer“ Tiedje. Abteilungshelfer erhalten Gefangenenanträge – auch an die Leiter der Vollzugsabteilungen gerichtete – als erste zur Bearbeitung und bescheiden diese selbständig, falls es sich um administratives handelt, z.B. um Körperflegemittel, Geldangelegenheiten usw. . Seltenes Glück, kam die Abteilungsleiterin anderntags zufällig einmal in die Haftstation. Auf meinem Bericht der Verweigerung von Zahnpasta hin, zeigte sie sich irritiert und veranlasste, mir welche zu geben.
Am 31.05. habe ich nun Zahnpasta und Rasierer für Juni beantragt, aber nichts erhalten. Solcherlei Repressionen werden gegen widerständige Gefangene eingesetzt, um sie nervlich zu zermürben und zu gereizten und aggressiven, verbalen Reaktionen zu provozieren, welche dann Handhabe für Disziplinarstrafen und Negativeintragungen in die Gefangenenpersonalakte geben sollen.
Am Dienst, 31.05., kurz nach dem morgendlichen Einschlus um 07.30 Uhrum am Morgen nachdem Radio Flora mich interviewt hatte, erschien Abteilungsleiter Tiedje vor meiner Tür, dessen Rolle als verlängerer Repressionsarm der Anstaltsleitung im Interview zur Sprache gekommen war. Obwohl ich ihm in den vergangenen 6 Monaten immer wieder gesagt habe, bis zum Ende meiner Haft nicht mehr arbeiten zu wollen, fragte er mich zum x-ten Male, och ich arbeien und unterschreiben wolle. Wiederholtes Fragen nach Bekanntem ist offenkundig Belästigung und wiederum Provokation.
Als nächstes holt dr Mann einen Großbrief hervor, dessen Absender, nicht aber dessen Poststempeldatum er mich einsehen ließ, jedoch ohne die Sendung zu übergeben. Absender war die „Soligruppe für Werner Braeuner“ in Berlin. Tiedje öffnete die Sendung und übergab mir daraus Briefumschläge, Briefpapier und Kuli, welchen letzteren er aber sofort zurückverlangte da eine Druckfeder enthalten sei, welche die Hausordnung verbietet. Er brabbelte irgendetwas von „Heissmachen, auseinanderziehen und missbräuchlich verwenden“. Die Kulimine durfte ich behalten. Ich konnte nicht erkennen, ob die Sendung ein Anschreiben enthalten hat, Tiedje wollte den Umschlag nicht herausgeben.
Schließer haben von Tiedje die Anweisung gehabt, mir keine Schreibutensilien mit der Post auszuhändigen und solches bei meiner Habe auf der „Kammer“ zu lagern; die Hausordnung der JVA kennt ein entsprechendes Verbot, das in aller Regel jedoch nicht beachtet wird – bei unliebsamen Gefangenen aber um so mehr; Kommunikation nach draussen kappen! Gerät Gelichter ins Licht der Öffentlichkeit, wird es plötzlich unsicher und scheu. Das Radiointerview am Abend zuvor war wohl zuviel Licht für Herrn Tiedje.
Den GenossInnen der Soligruppe einen herzlichen Dank für das solidarische Hilfspaket! Hier auch einen Dank an Pit Scherzl von der „Interessenvertretung Inhaftierter“ (Ir.I), von dem 14 Tage zuvor bereits 20 Tintenpatronen gekommen waren; überraschend waren die mir ausgehändigt worden. Nun, Pit Scherzl kann Öffentlichk herstellen (siehe: www.iri-info.de).
Knastkuren
Jacques Mesrine, der 1979 in Paris von einem Killerkommande der Polizei aus dem Hinterhalt mit Maschinenpistolen durchsiebte Staatsfeind Nr. 1 in Frankreich und Kanada, der im selben Jahr aus Protest gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in französichen Hochsicherheitsknästen den Justizminister entführt hatte , tat den bei widerständigen Gefangenen allbekannten Ausspruch, nirgendwo gebe es so viele Huren wie im Knast. Was sind „Knasthuren“? Wiederständige soziale und kämpferische politische Gefangene sind aus Sicht des Knastes „gefährlich“, da sie für andere Gefangene Orientierung bieten. Die „Gefährlichen“ werden daher bevorzugt auf einer Haftstation untergebracht, in die schlimmsten Knasthuren versammelt sind; ich bin auf einer solchen Station.
Knasthuren sind verwirrte Persönlichkeitsgestörte, meist Narzissse mit ausgeprägtem Geltungs – und Dominanzstreben, die die Repression völlig verinnerlicht haben und begierig mit Autoritäten kollaborieren. Entsprechend sind ihnen Widerständige und Politische ein Dorn im Auge, zumal solche Hunde den Wolf riechen und ihn instinktiv fürchten. Folglich wird nach Kräften von Hurenhunden intrigiert, denunziert und übel nachgeredet; ist eine Knasthure zudem körperlich durchsetzungsfähig, wir sie ihre Feinde permanent verbal belästigen. Beinahe durchgängig sind Knasthuren Sextäter. Ihre Aktivit schlagen sich in Negativeintragungen in den Gefangenenpersonalakten von Widerständigen und Politischen wieder, in welche Akten Gefangene nicht Einsicht erhalten; erst der Strafvollstreckungsrichter erhält sie zu Gesicht.
Hurenstationen beherbergen ansonsten zwei weitere Gefangenengruppen. Zunächst offensichtlich unschuldig Verurteilte, in aller Regel brave Staatsbürger, die draussen die „BILD“ gelesen haben und Kriminelle im allgemeinen und Politische im Besonderen hassen und verachten. Die dann zweite und grössere Gruppe, die Mehrzahl, stellen behördlich als „durchsetzungsschwach“ bezeichnete Gefangene, sie geben einer Hurenstation ihren offiziellen Namen: Station für durchsetzungsschwache Gefangene. Sie sind körperlich, geistig oder psychisch schwach oder angeschlagen und würden in üblichen Haftanstalten unterdrückt oder abgezogen werden. Aus Angst kollaborieren auch sie bereitwillig mit den Abteilungshelfern bzw. den Anstaltsleitungen und lassen sich ohne viel Mühe von den Knasthuren für sich einspannen.
Auf meiner Haftstation gibt es neben mir einen weiteren, allerdings leider politisch isolierten und daher nicht kämpferischen Politischen mit migrantischem Hintergrund ( ein beherzter Mann!);
dann sind da noch drei soziale Gefangene; zwei sicherlich Unschuldige, die aber erträglich sind, bisweilen sogar kameradschaftlich gegenüber den 5 Rebellen; bis auf 2 Knasthuren sind alle anderen „durchsetzungsschwach“; die üblere der Knasthuren, Martin B., ist Busenfreund eines rechtsextremen Schließers, der mir gegenüber einmal den Wunsch geäussert hat, alle Linken sollten umgebracht werden; beide Huren sind die frömmsten Lohnarbeitsäffchen und begrüssen entsprechend die neue und für „Nichtarbeite“ nachteilige und teils verfassungswidrige Ein- und Aufschlussregelung mit Begeisterung.
Auf einer Hurenstation zu sein ist schärfste Repression. Erstmals habe ich das 2006 in der JVA Oldenburg kennengelernt. Dort wurde eigens eine „Nichtarbeiterstation“ eingerichtet. Großmäuligen und durchsetzungsstarken Huren, wie denen auf meiner Station gelingt es bisweilen, vor den Mitgefangenen zu verbergen, Sextäter zu sein. Bisweilen holen sie Urteile hervor, die von Staatsanwaltschaften bzw. von der Justizbehörde als Fiktion verfasst wurden und sie als Diebe, Räuber oder Körperverletzer ausweisen. Gelingt Knasthuren das Verbergen nicht, dürfen sie sich nicht in den Arbeitsbetrieben blicken lassen, weil sie dort durchgeprügelt werden würden so sind etliche Knasthuren zwangsläufig in Nichtarbeiterstationen; die in Oldenburg war meine erste Hurenstation, die berüchtigte Oberhure Erdil Y. War dort tonangebend. Nicht selten werden Knasthuren von der Anstalt und der Just, der die Staatsanwaltschaften unterstehen, mit vorzeitiger Entlassung oder vor Abschiebung belohnt.
Hurenstationen gibt es so, wie hier beschrieben, allein in Hochsicherheitsknästen (Sicherheitsstufe II). Wer Antireprssionsarbeit und/ oder Soliarbeit für widerständige soziale und/ oder kämpferisch polit Gefangene macht, sollte die Situation der Freunde und Genossen im Knast kennen. Vielleicht werde ich binnen kurzem durch den HS zu geschwächt sein, um noch aus dem Knast berichten zu können; so glaube ich Euch iesen ausgeuferten Bericht bin. Knastkampf ist Kla!
Ein Hoch auf die revolutionären Fraktionen des weltweiten Proletariats und auf jene, die sich diesen Fraktionen in den anstehenden Kämpfen noch anschliessen werden –
Für eine gegen Lohnarbeit kämpfende Arbeiterklasse!
Werner [Das Abtipper: Pfeil und Bogen-Piktogramm um den Schaft geschrieben]
Ex nihilo plentitudines: Übersetzung: „Aus dem Nichts zur Vollständigkeit“
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- kollkökl
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Tag Hungerstreik
326. Tag Arbeitsverweigerung
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Sehnde, 5.6.2011