[Broschüre] Liberación – Die Internationale Rote Hilfe (IRH)

Anlässlich der anstehenden Aktivitäten hinsichtlich Solidarität und Vernetzung im Kampf gegen staatliche Repression, veröffentlichen wir diese Broschüre als kurzen, historischen Beitrag und Inspirationsquelle.

Wir dokumentieren in dieser Broschüre drei Texte zur Internationalen Roten Hilfe (IRH),welche bereits 2009 im Gefangenen Info in den Nummern 349, 350, und 351 abgedruckt wurden. Damit möchten wir historische Erfahrungen von Solidaritäts- und Antirepressionsarbeit vorstellen, weil wir darin eine Möglichkeit sehen, sich ein Stück linker Geschichte anzueignen und aus dieser zu lernen.

[Broschüre als PDF]

Jede linke und fortschrittliche Bewegung, die an Stärke und Einfluss gewinnt, gerät früher oder später ins Visier staatlicher Repressionsbehörden. Diesen geht es wiederum um ihre Einschüchterung, Lähmung und Zerschlagung.

Die Repressionsorgane- und instrumente werden permanent ausgebaut und internationalisiert. Überwachung wird auf allen Ebenen zur Regel gemacht. Der „Krieg gegen den Terrorismus“, der den Überwachungswahn nach außen hin legitimieren soll, findet nicht nur in den neokolonialisierten Gebieten der Erde statt, sondern ebenso in den kapitalistischen Metropolen. Der Ausbau der internationalen Repressionsapparate bringt politische Verfolgung, Kriminalisierung, Auslieferung bis hin zu langjährigen Haftstrafen, Folter und Tod mit sich.

Diese Entwicklung macht sich ebenso in der BRD bemerkbar. Mittels der deutschen Anti-Terror-Gesetze, der US- und EU-Terrorlisten und der systematisch geschürten Massenparanoia vor „Terrorismus“ werden politischer Verfolgung Tür und Tor geöffnet.

Das Verhalten und Agieren der hiesigen Linken steht dabei in keinem Verhältnis zum Ausbau und zur Verzahnung internationaler Repressionsapparate. Während bundesweit etliche „Terrorismus“-Prozesse anstehen und stattfinden, Genossinnen und Genossen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden, Migrantinnen und Migranten faschistischer und staatlicher Gewalt zum Opfer fallen, sieht sich die Linke nicht in der Lage, koordiniert und geschlossen dagegen zu intervenieren. Häufig wird bei Solidaritätskampagnen sogar vernachlässigt, einen Bezug untereinander herzustellen und sich gegenseitig zu stärken.

Wir gehen davon aus, dass eine langfristige Kooperation, soll sie das Ziel haben, staatliche Angriffe gegen linke Strukturen abzuwehren, ihre Aufgabe nicht ausschließlich darin sehen kann, ständig aus der Defensive heraus zu reagieren. Stattdessen muss sie, wie auch bereits die Kampagnen der IRH in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, integraler Teil des Klassenkampfes sein. Dies bedeutet, dass angeschobene Solidaritätsinitiativen und Antirepressionskampagnen von der linken Bewegung geschlossen getragen werden müssen.

Das Ziel von Solidaritats- und Antirepressionsarbeit liegt demnach nicht in der bloßen Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit für die Freilassung von Gefangenen, sondern – um das Übel an der Wurzel zu packen und zu es beseitigen – perspektivisch in der Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse und somit der Abschaffung ihres Repressionsapparates.

Es ist also notwendig, Solidaritätsarbeit zu vernetzen, um gemeinsam und mit gebündelten Kräften auf die aktuelle Repression aufmerksam zu machen und sie durch eine breite, entschlossene Bewegung zu bekämpfen.
Dies kann nur durch eine starke Solidaritätsbewegung mit revolutionärem Charakter verhindert werden, welche dabei Schutz und Stärke der Kämpfenden ist. So kann sie eine Basis für den erfolgreichen Klassenkampf von unten bieten und dazu beitragen, die herrschenden Verhältnisse zu überwinden.

n

Daher ist es zwingend erforderlich, zum gemeinsamen Kampf dagegen aufzurufen.

In den Texten dieser Broschüre werden die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der IRH bis zu ihrer Auflösung sowie ihr praktischer Ausdruck in Form internationaler Kampagnen dargestellt. Diese historische Organisierung, die zahlreiche Kampagnen ermöglichte und zu einer weltweiten und breit angelegten Solidaritätsbewegung führte, enthält reichhaltige Erfahrungswerte in theoretischen sowie praktischen Sinne, aus denen wir heute zehren können.

Zu nennen wären hier zum Beispiel die Kampagnen für die Freiheit von Sacco und Vanzetti, sowie für Georgi Dimitroff, welche in den 30er Jahren hunderttausende Menschen auf die Straßen brachten und darüber hinaus auch vielen den menschenverachtenden Charakter des kapitalistischen Systems verdeutlichten.

Ein weiteres IRH-Kampagnenbeispiel ist der Fall Olga Benario-Prestes‘. Sie wurde 1936 nach einem gescheiterten Revolutionsversuch in Brasilien an das faschistische Deutschland ausgeliefert und anschließend ermordet. Die IRH kämfte dagegen mit einer breiten internationalen Kampagne.

Die Grundsätze des revolutionären Charakters der IRH zeigten sich in der Unterstützung der ArbeiterInnenklasse. Weltweit gelang es, Solidaritätsstrukturen zu gemeinsamer Arbeit für die Unterdrückten aufzurufen. Es entstanden zahlreiche neue Unterstützungskomitees, welche Themen und Fälle aufgriffen, die dem Proletariat am Herzen lagen. In vielen Fällen wurde die schnelle Einbindung ehemaliger Gefangener und verfolgter KämpferInnen in die Bewegung ermöglicht.

Diese Solidaritätsarbeit wurde in erster Linie durch eine breite Bewegung ermöglicht, welche die internationalen Kampagnen der IRH trug und unterstützte. Sie war fest verwurzelt in der internationalen ArbeiterInnenbewegung und im Vergleich zur heutigen Situation ungleich stärker. Aus dieser resultierten der starke Ausdruck, die Effizienz und Reichweite der IRH. Um einen aktuellen Versuch der internationalen Vernetzung von Solidaritäts- und Antirepressionsgruppen zu dokumentieren, wird in den Texten desweiteren auch auf die im Jahr 2000 ins Leben gerufene Organisierung Rote Hilfe International (RHI) verwiesen.

Auch wenn wir heute unter anderen Bedingungen kämpfen, ist es sinnvoll, aus den Erfahrungen der IRH zu schöpfen und Ansätze herauszuarbeiten, die uns in unseren Überlegungen bezüglich der heutigen Vernetzung von Solidaritätsarbeit hilfreich sein können.