In Köln feiert die Polizei bei einer Großdemonstration gegen Krieg und Aufrüstung eine Prügelorgie ungeahnten Ausmaßes. Der bis zu elf Stunden anhaltende Polizeikessel lässt fassungslos zurück – und zeigt doch, dass wir mit unserem Protest einen wunden Punkt treffen. – Ein Kommentar von Basti Jung.
Wer heutzutage ein Problem mit Kriegstreiberei hat und konsequent gegen Aufrüstung kämpfen will, hat es nicht leicht. Der eine ist „Putinversteher“, die andere macht sich doch nur pazifistische Illusionen – und wiederum andere werden von wütenden Prügelcops aus NRW windelweich geschlagen.
Das antimilitaristische Rheinmetall Entwaffnen-Camp in Köln durfte in diesem Jahr ein Stück weit hautnah erfahren, was sich der Staat alles erlauben lässt, wenn es um die Bekämpfung von Kriegsgegner:innen im eigenen Land geht. Sei es das angedrohte Verbot des gesamten Camps, die massive Polizeipräsenz in der gesamten Stadt seit Anfang August oder auch das Verhalten der Repressionsbehörden bei kleineren Aktionen, die von Besucher:innen des Camps ausgingen: So berichtet eine Teilnehmerin, dass bei einer Flyeraktion von sieben Leuten schon auch mal elf Polizeiwannen aufgeploppt sind, um dann die Flugblätter bis aufs Impressum unter die Lupe zu nehmen, um auch ja irgendeinen blöden Grund zu finden, die entschlossenen Antimilitarist:innen zu schikanieren – die Kriminalstatistik dürfte es freuen.
Schikanen und Gewalt: Protest unerwünscht
Doch Höhepunkt der gesamten Woche bleibt zweifelsohne die Großdemonstration am Samstag. Nachdem mehrere Blockadeaktionen am Freitag ohne größere Repressionen über die Region verteilt an verschiedenen rüstungsrelevanten Standorten durchgeführt wurden, schien die Demo der Kölner Polizei am geeignetsten, um die Aktionswoche nochmal mit einem richtigen Knall zu beenden – zumindest, wenn es nach ihrer Vorstellung ginge.
Die Taktik der Polizei, jeden noch so kleinen störenden Furz in akribischster Preußenmanier zu ahnden, wurde auch zur Startkundgebung angewandt. Mal waren die Fahnenstange zu metallisch, mal die Stöcke zu rechteckig, mal die Transparente zu sehr verknotet. So kam es, dass der Aufzug mit über 3.000 Teilnehmer:innen erst nach über einer Stunde loslaufen konnte.
Schon zu dem Zeitpunkt musste eine erste Teilnehmerin den kommunistischen Bereich der Aktion mit Hämatomen am Auge verlassen – bereits am Heumarkt wurden erste Schläge auf Kopfhöhe durch die Staatsgewalt verteilt. Sehr zum Schock der Passant:innen und der anderen Teile der Versammlung, die eine solche Gewalt von anderen Friedensdemos eher nicht kennen.
Polizeiliche Prügelparty bis in die Morgenstunden
Ähnlich dürfte es sich dann in der Mechtildisstraße verhalten haben – nach einem knappen Kilometer war es gegen 17:50 Uhr Schluss mit der Demonstration, die Polizei trieb einen Keil zwischen den paradenartigen Teil vorne und dem revolutionären Block hinten, es rückte polizeiliche Unterstützung aus Hessen, Thüringen und Bayern (und zwar das besonders prügelfreudige USK) an, plötzlich tauchten Räumpanzer und Wasserwerfer auf der Straße hinter dem Aufzug auf.
Um etwa 18:00 Uhr ließ die Polizei dann jegliche Hemmungen fallen und holte zum Schlag aus. Von mehreren Seiten aus ließen die Uniformierten blindlings ihre Fäuste und Schlagstöcke schwingen, einzelne Personen werden aus der engen Straße rausgegriffen. Die Bilder brennen sich ein: Anwohner:innen, die wutentbrannt und fassungslos von ihren Balkonen aus das Geschehen begleiten oder eine Teilnehmerin, die sich blut- und tränenüberströmt auf den Lautsprecherwagen rettet, der kurz daraufhin von den staatlichen Schlägertrupps zu Brennholz gemacht wird.
Die Begründung für das ganze? Die Masse solle sich „unfriedlich“ verhalten haben, es soll einzelne Verstöße gegen das Versammlungsrecht gegeben haben – und im revolutionären Block wurde ein bisschen Rauch gezündet. Grund genug für die Polizei, ab 20:30 Uhr über 500 Personen auf engstem Raum zusammen zu quetschen und ihnen mit dem Einsatz von Gewalt zu drohen, sollten sie sich nicht entfernen. Spätestens nachdem die Polizei den ersten Lichtmasten positionierte wurde klar, dass es noch eine lange Nacht in der Rheinstadt werden würde.
Die Prügelorgie hinterlässt dabei natürlich Spuren. Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. spricht im Nachgang der Demo von einem der heftigsten Einsätze in ihrer Geschichte, mit einer Patient:innenzahl im niedrigen dreistelligen Bereich, die Behandlungszahlen sprechen Bände. Immer wieder werden humpelnde und blutende Personen aus dem Kessel zur nächsten Straße getragen, wo die Beamt:innen dann auf die Verletzten warten wie Raubtiere auf ihre Beute, und sie zugreifen sobald die verletzte Person wenigstens wieder halbwegs zurechnungsfähig ist.
Insgesamt werden durch den Kessel über 500 Personalien festgestellt, gegen 4:45 Uhr werden die letzten beiden jungen Menschen abtransportiert – die Polizei hinterlässt ein Feld der Verwüstung. Doch gleichzeitig gab es auch bis zum bitteren Ende und darüberhinaus immer mehrere Dutzend Menschen, die sich auf Solidaritätskundgebungen in der Nähe des Kessels oder vor der Gefangenensammelstelle in Köln-Kalk aufhielten, um somit niemanden alleine zu lassen.
Das Ziel? Datensammelwahn und Einschüchterung
Der gesamte Abend erinnert in seinem Verlauf dabei sehr stark an den Leipziger Kessel zu den Geschehnissen rund um den sogenannten Tag X. Damals gab es im Juni 2023 eine Solidaritätsdemonstration mit Antifaschistin Lina E., bei welcher über 1.300 Menschen – darunter etliche Minderjährige – ohne gesicherten Zugang zu Sanitäranlagen, Essen und Trinken für bis zu elf Stunden in einem der größten Polizeikessel der Geschichte der BRD festgehalten wurden.
Ihnen allen wurde schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, genau wie in Köln. Ein Großteil der Verfahren wurde mittlerweile eingestellt, Strafverfolgung gab es kaum. Dafür aber eine Menge Einschüchterung und Datensammelei, mit über 1.300 Personalien von entschlossenen Antifaschist:innen lässt sich ja dann doch eine Menge anstellen.
Doch das ist nicht etwa einfach ein „Ausrutscher“ der Polizei. Zum Glück gehen einzelne übermotivierte Helmträger recht offen mit ihren Motiven um: So berichtet eine Anwohnerin nach einem längeren Gespräch mit einem Polizisten, dass es ihnen nur um Abschreckung gehen würde, „damit solche Demos nicht mehr stattfinden“. Auch in der erkennungsdienstlichen Behandlung werden die Beamten mit steigender Müdigkeit unordentlicher – was sie aber nicht daran hindert, gegen Ende des Kessels nochmal ordentlich Gas zu geben.
So oder so ist klar: Der Staatsgewalt ging es nie um ein bisschen Feuerwerk im revolutionären Block. Ihr Ziel war es von Anfang an, die Demonstration zu eskalieren, Bilder zu erzeugen, Daten zu sammeln und den Protest einzuschüchtern. Dass dann die ein oder andere polizeiliche Maßnahme vielleicht doch im Nachhinein als rechtswidrig eingestuft wird, braucht sie nicht zu kümmern – in so einem „Rechtsstaat“ hat man für die Ausübung von staatlichem Unrecht keine Konsequenzen zu fürchten, wie ähnliche Proteste in der Vergangenheit zu Genüge gezeigt haben.
Der Repression können wir trotzen – wenn wir es wollen
Im Nachgang der schockierenden Ereignisse ist es jedoch besonders wichtig, sich eines vor Augen zu halten: Eine Bewegung, die sich konsequent gegen jede Kriegstreiberei einsetzt, die den deutschen Imperialismus an seinem wunden Punkt trifft, wird notwendigerweise mit einer solchen Härte konfrontiert sein. Die Aufrüstung in Milliardenhöhe zieht schon jetzt zwangsweise eine Senkung des allgemeinen Lebensstandards nach sich – und da viele Teile unserer Klasse auch weiterhin nicht dazu bereit sind, für die Kriege der Bonzen zu krepieren, liegt darin ein unfassbar großer Nährboden, welcher durch den Dünger einer revolutionären und antimilitaristischen Bewegung schnell aufblühen und dem deutschen Staat gefährlich werden könnte.
Wir müssen uns stetig daran erinnern, dass nicht wir die Kriminellen sind – egal was uns Polizei, Medien und Justiz glauben lassen wollen. Was ist ein bisschen roter Rauch auf einer Demonstration gegen einen Rüstungskonzern, welcher durch das Morden in aller Welt gerade Rekordprofite einfährt?
Darüber hinaus lässt sich glücklicherweise feststellen, dass die Einschüchterung der Polizei in großen Teilen nicht funktioniert hat: Noch nach über zehn Stunden Kessel sprangen und sangen die Festgesetzten, selten war die Moral in einer polizeilichen Maßnahme derartig groß. Dazu passt auch, dass das Fahnenschwenken im Kessel schlicht und einfach nicht aufgehört hat. Gleichzeitig war die Solidarität der Anwohner:innen deutlich spürbar. Sei es durch das Bringen von Verpflegung oder dem Abfeuern von Konfettikanonen – und auch die verschiedenen Kräfte und Organisationen dürften durch die Aktion nochmal näher aneinandergerückt sein.
So brutal die Geschehnisse auch gewesen sein mögen – die mittlerweile abgeschlossene Aktionswoche rund um das Rheinmetall Entwaffnen-Camp ist ein hoffnungsweckender neuer Sprung hin zu einer tatsächlich aktiven Bewegung gegen Krieg und Aufrüstung. Dass ihre harte Repression mit unserem konsequenten Widerstand beantwortet wird, ist dabei ein voller Erfolg. Also? Jetzt erst recht: Krieg dem Krieg!