Auf der Plattform etha15.com schrieb Deniz Boran über die selektive Kriegspropaganda in den sozialen Medien und inwiefern diese genutzt wird, um die Meinungsentstehung der Menschen zu beeinflussen und letztlich den palästinensischen Befreiungskampf zu delegitimieren. Im Artikel wird auch deutlich wieso es unabdingbar ist als Sozialist:innen und Revolutionär:innen den palästinensischen Widerstand zu unterstützen. Vor allem als Jugendliche und Arbeiter:innen aus der Bestie des Imperialismus.
Nach der politisch-militärischen Offensive der palästinensischen Widerstandskräfte gegen Israel ist in der werktätigen linken/patriotischen Bewegung der Türkei und Nordkurdistans eine Debatte entbrannt. Diese Debatte ist natürlich nicht auf die Türkei/Nordkurdistan beschränkt. Darüber hinaus spiegeln die Art und Weise, wie das Problem in der Türkei und Nordkurdistan behandelt wird, und die beteiligten „Seiten“ eine internationale Tendenz wider.
Kognitiver Krieg
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die ganze Welt, die Menschheit und jedes einzelne Individuum, das sie ausmacht, heute ein Teil und ein „Feld“ des Krieges ist. Die NATO, die Kriegsorganisation des westlichen Imperialismus, hat damit begonnen, neben der Luft-, Land-, See-, digitalen und Weltraumkriegsführung auch den Menschen, bzw. den Verstand als Schlachtfeld zu definieren.
Ziel der kognitiven Kriegsführung (Cognitive Warfare) ist es, den Verstand, die Gefühle und das Verhalten der Menschen so breit zu manipulieren, dass die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen weicher (soft) und harter (hard) Macht (power) unklar werden. In der Massenpropaganda, dem wichtigsten Instrument dieser Art der Kriegsführung, geht es darum, durch „Propaganda der Brutalität“ Wut und Mitleid auf die „eigene Seite“ zu lenken. Auch einflussreiche und bezahlte Nutzer sozialer Medien („Influencer“) sind an dieser Propaganda beteiligt.
Die verschiedenen Kanäle der (sozialen) Medien sind Schlachtfelder, und die NATO und Israel hat sie nach dem Anschlag vom 7. Oktober effektiv genutzt. Zwei Methoden sollten im Zusammenhang mit unserem Thema besonders hervorgehoben werden.
Die erste ist die „Selektivität“ bei Bildern und Informationen. Dementsprechend verbreitet die NATO massiv Bilder und Nachrichten, die die Meinung der Menschen bestimmen sollen. Das Bild der Hamas, die den Körper einer Frau entblößt, wird über verschiedene Kanäle, insbesondere Twitter, als „einseitige“ Gräueltat verbreitet. Das Bild ist echt, aber es ist eine „Halbwahrheit“. Dieses Bild, und nicht die politische islamistische Ideologie der Hamas oder die Aufdeckung eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“, verschafft Israel die Legitimation für einen Kolonialkrieg. Ebenso schränkt die technische Manipulation die Zugänglichkeit der Bilder der „anderen Seite“ ein.
Die zweite ist die Desinformation. So werden die Menschen mit Informationen bombardiert, die sie nicht nachvollziehen können und die sie nicht selbst bestätigen können. Entscheidend ist dabei die Information, nicht ihre Richtigkeit. Die Verbreitung der Information, dass die Hamas 40 Säuglinge enthauptet habe, ist wichtiger als die Tatsache, dass diese Information später von Israel offiziell „widerrufen“ wurde.
Wie der palästinensische Widerstand gezeigt hat, ist das Verständnis dieses Schlachtfelds für die Organisation von Gegenbewegungen, für die „Immunisierung“ der Unterdrückten sehr wichtig. Denn im palästinensischen Widerstand waren die internationale Unterstützung, die Solidarität der Völker und der Intellektuellen ebenso entscheidend wie die nationalen Befreiungskräfte. Der Kognitive Krieg der NATO zielt jedoch darauf ab und hat es anfänglich auch geschafft, diese Solidarität zu schwächen, die Solidaritätsbewegung zu spalten und zu verhindern, dass sich die pro-palästinensische Grundhaltung unter den Völkern der Welt in eine Kraft des Widerstands verwandelt.
Gedächtnis, Unparteilichkeit und Entwaffnung
Der Krieg in Palästina begann nicht am 7. Oktober. Abgesehen von den vorherigen Zeit wurde ein neuer Prozess eingeleitet, als der koloniale und politisch-jüdische Staat Israel in Partnerschaft mit Trumps USA Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärte. Oslo, das Dokument eines unstolzen Friedens, wurde ad acta gelegt und Israel hat offen erklärt, dass es seine Versprechen im Rahmen der „Zweistaatenlösung“ nicht einhalten werde. Die umstrittenen Gebiete wurden von israelischen Siedlern „ohne Diskussion“ besetzt. Auch die neue rassistische und politisch-religiös-faschistische Regierung unter der Führung von Netanjahu hat mit ihren Reden und ihrer Praxis offenbart, dass sie die von der UNO in der Praxis „eingehaltene“ Zweistaatenlösung ablehnen und Palästina einen Völkermord aufzwingen wird. Mit den auf die Tagesordnung gesetzten „neuen Justizgesetzen“ organisierte sie zudem einen zunehmenden innenpolitischen Druck. Militarismus und politisch-religiöse, chauvinistische Hysterie wurden unter (jüdischen) Arbeitern und Jugendlichen geschürt. Auf jeden Fall hat die gegenwärtige Regierung den palästinensischen Völkermord auf der Grundlage der Leugnung des Osloer Abkommens beschlossen. Das sagt uns die „jüngste Geschichte“ der letzten anderthalb Jahre.
Der aktuelle Widerstand gegen den völkermörderischen, kolonialistischen, von Liquidation geprägten Krieg und die immer neuen Besatzungsversuche, ist in erster Linie der Widerstand, dies zu verhindern. Er ist die gemeinsame Gegenbewegung der palästinensischen nationalen Befreiungskräfte.
Das „Vergessen“ der Geschichte des palästinensischen nationalen Widerstands und der Kolonialgeschichte Israels ist grundlegendes Ziel im Kampf gegen das Gedächtnis. Es ist aber auch das „Vergessen“ der gemeinsamen Geschichte der Völker, ihres gegenseitigen Bemühens. Auf diese Weise ermöglicht es den Herrschenden, die Geschichte im Einklang mit ihren eigenen Interessen zu realisieren, indem sie „bei sich selbst anfangen“.
Die Liquidation ist nicht nur ein besonderes Phänomen in der Türkei und Kurdistans, sondern er ist auch auf internationaler Ebene zu beobachten. Eine der wichtigsten Erscheinungsformen ist das deutliche Schrumpfen der bewaffneten Widerstandszentren der Völker und der Unterdrückten. Der bewaffnete Widerstand in Palästina ist eines der Feuer, das weiterhin brennt. Die gegenseitige Entfremdung der bewaffneten Widerstandszentren und insbesondere der nationalen Befreiungskämpfe auf der Grundlage der „diplomatischen Vernunft“, und die falsche Vorstellung, dass sie sich mit „Neutralität“ einen Vorteil in der Weltpolitik verschaffen würden, sind in dieser Zeit ein inhärentes Phänomen. Genauso, wie es sich dabei um eine liberale Tendenz handelt, führt sie in jedem Fall zur „Unterstützung“ eines der dominierenden Blöcke.
Diese Situation ist die Entfremdung der unterdrückten Völker voneinander, aber vor allem auch die Entfremdung der Unterdrückten von ihrem „eigenen“ Widerstand.
Das Ausmaß der zwischenimperialistischen Konflikte hat einen neuen imperialistischen Weltkrieg zu einer realen Gefahr werden lassen.
Unter diesen Bedingungen wird die Entwicklung der dritten Front, einer Front der Völker, die die beiden imperialistischen Achsen nicht unterstützt, auch für die einzelnen Widerstände entscheidend sein. Denn was den Widerständlern in der Welt und insbesondere den bewaffneten Widerstandsorganisationen auferlegt wird, ist die Liquidierung. Damit soll auch sichergestellt werden, dass in einem möglichen imperialistischen Teilungskrieg die revolutionären Dynamiken schwach oder zumindest unbewaffnet bleiben und die Entwicklung einer volksnahen oder revolutionären Alternative verhindert wird, während sich die beiden imperialistischen Mächte bekämpfen. Dies ist der wichtigste Grund für den gleichzeitigen liquidationspolitischen Krieg von den Philippinen bis Indien, von Palästina bis Kurdistan.
Palästina muss verteidigt werden, ihr Widerstand muss unterstützt werden
Ein weiteres Argument des Unterdrückers Israel ist es, die anderen Organisationen, die Teil des Widerstands sind – von der PFLP bis zur FDKC – zu ignorieren und den Widerstand auf die Hamas zu reduzieren. Als islamistische Organisation des unterdrückten und versklavten palästinensischen Volkes, ist die Hamas ein praktischer Teil der nationalen Befreiung, die Vorhut des antikolonialistischen Widerstands der in Gaza lebenden Palästinenser. Der gegenwärtige Widerstand geht jedoch über die 14 Organisationen, die den Gemeinsamen Operationsraum der palästinensischen Widerstandsgruppen bilden, hinaus. Dieser Widerstand ist der Widerstand Palästinas angesichts des völkermörderischen kolonialen Liquidationskrieges Israels.
Es ist der bewaffnete Widerstand des palästinensischen Volkes, der „diskreditiert“ wird und nicht die Hamas und ihre Methoden der Kriegsführung.
In den imperialistischen Zentren werden fortschrittliche und revolutionäre Organisationen, die in Solidarität mit Palästina arbeiten, kriminalisiert und Proteste verboten.
Schließlich ist die Haltung oder das Fehlen von Haltung nie auf das Problem beschränkt, um das es geht.
Der Widerstand, dessen Legitimität in Frage gestellt wird, die als richtig erachtete „Neutralität“, die „Gewalt“ und ihre Methoden, die aus „Pazifismus“ verurteilt werden, kehren zurück und treffen den „eigenen“ Widerstand der Unterdrückten und schwächen ihn.
Die aktuelle Aufgabe besteht darin, sich an den Widerstand, die Waffen, Steine, Stöcke und Organisationen der Unterdrückten zu klammern. Es geht darum, die verbliebenen Brennfeuer des bewaffneten Widerstands zu verteidigen. Es geht darum, den Widerstand der Unterdrückten gegen den Unterdrücker zu stärken, zu entwickeln und zu unterstützen. Es gibt keine andere internationalistische Haltung, keine dritte Option im Krieg zwischen dem Unterdrücker und den Unterdrückten.