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Der Gefangene Faruk Ereren zu Cemal Altun

Cemal kommt aus derselben Region wie ich. In der östlichen Schwarzmeer-Region sind unsere Geburtsstädte benachbart. Ich meine, ich wurde in der Stadt ORDU geboren und bin dort aufgewachsen. Er hingegen ist in SAMSUN geboren und aufgewachsen. Der große Bruder von Cemal ist Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei (CHP) in Samsun.

Seine Bekanntschaft mit der Politik rührt daher. Die CHP ist in unserem Land eine bürgerliche Partei mit sozial-demokratischen Neigungen. Cemals Bruder ist einer der progressivsten Abgeordneten dieser Partei. Aber Cemal wählte nicht seinen (seines Bruders; Anm. d. Übersetzers) Weg, sondern wurde Revolutionär. Er vollzog diesen Schritt, indem er der revolutionären Jugendbewegung beitrat. Das war in den Universitätsjahren. Wenn ich mich nicht falsch erinnere, war er Student an der Fakultät für Politik-Wissenschaften in Ankara. In dieser Fakultät nahm er seinen Platz innerhalb der DEV-GENC Organisation ein und wurde in der Folgezeit zu einem der Studentenführer der DEV-GENC in Ankara.

Aber ich habe meine Bekanntschaft mit ihm nicht in dieser Zeit gemacht. In dieser Zeit befand ich mich in Istanbul. Wir machten unsere Bekanntschaft nach meinem Umzug nach Ankara. Es waren Zeiten, in denen die Fußschritte des Militärputsches vom 12. September aus nächster Nähe zu spüren waren. Wir warteten darauf, dass der Putsch jederzeit erfolgen könnte. Und sehr viele Revolutionäre trafen ihre Vorkehrungen damit, indem sie ihre Wohnorte verließen und sich an anderen Orten niederließen. Und ich hatte Istanbul verlassen und mich in Ankara niedergelassen. Und Cemal gehörte zu den Menschen, die mich in ANKARA als Erste empfingen. Ich erinnere mich an unser Treffen an einer Bushaltestelle, als wäre es heute.

Anschließend war auch Cemal dazu gezwungen, den Jugendbereich zu verlassen. Weil die Universitäten und Studentenheime unter die volle Kontrolle der Junta gerieten, waren diese Orte als Treffpunkte nicht mehr geeignet. Daraufhin haben wir mit Cemal begonnen, in den armen Gecekondu-Vierteln Ankaras zu arbeiten. Dort haben wir versucht, die Volks-Opposition gegen die Junta zu organisieren. In dieser Arbeitsphase war ich in ständigem und engem Kontakt zu ihm.

Auch nach dem 12. September haben wir unsere Aktivitäten eine Weile fortgesetzt. Und ich erinnere mich gut, dass ich mich mit ihm eine Weile inmitten eines Gendarmerie-Einsatzes wiederfand. Zu dieser Zeit hatte die Gendarmerie unseren Standort vollkommen umzingelt und wischte auf der einen Seite Wandparolen von Revolutionären weg und nahm auf der anderen Seite Verdächtige Personen fest. Es gab Massenfestnahmen. Auch uns hatten sie umzingelt. Aber mit etwas Kaltblütigkeit und weil wir aus derselben Region waren, ließen sie den Verdacht fallen und uns gehen.

Während dieser Aktivitäten verloren wir eine Weile später den Kontakt zu Cemal. Er kam nicht mehr zu seinen Verabredungen. Wir riefen seine Familie an. Es hieß, wir sollten hier nicht anrufen. Aber wir hörten nicht auf und hörten uns in seinem Umfeld um. Wir erfuhren, dass er sich ins Ausland begeben hatte. Cemal hatte es vorgezogen, das Land zu verlassen und in Deutschland Exil zu suchen. Ich hatte später aus der Presse erfahren, dass er hier verhaftet worden war. Damals hatte die türkische, bürgerliche Presse ein großes Interesse an Cemals Verhaftung und an seinem Prozess zur Auslieferung. Schließlich ereignete sich das bekannte, tragische Ereignis. Als ich davon erfuhr, war ich in Ankara. Und natürlich war ich sehr traurig darüber. Und immer, wenn ich mich daran erinnere, fühle ich einen Schmerz in mir…

Meine Bekanntschaft zu Cemal und mein Wissen über ihn habe ich geschildert.

Ja, der Militärputsch vom 12. September 1980 ist ein wichtiger Abschnitt für die türkische Linke. Es ist wie eine neue Zeitrechnung. So ist es auch für das Volk. In unserem Land wird bei vielen Schilderungen unterschieden zwischen vor dem 12. September und danach. Denn das heutige ökonomische, gesellschaftliche und politische System steht in einer Kontinuität zum 12. September. Aber dieses System wurde durch den erbitterten Kampf der Revolutionäre, speziell in den 90’ern, stark geschwächt. Deswegen versucht die Bourgeoisie heute die faulenden Seiten dieses Systems zu beseitigen und sich zu teilweisen Neuerungen zu bewegen.

Faruk Ereren
JVA Düsseldorf
Oberhausener Str. 30
40472 Düsseldorf

Zu Faruk Ereren
Bereits in der Türkei war Faruk für 9 Jahre während des Militärputsches 1980 eingesperrt. Er bekämpfte als radikaler Linker das türkische Regime. Im Knast wurde er unzählige male gefoltert. Nach seiner Entlassung flüchtete er wegen seiner angegriffenen Gesundheit ins Ausland und wurde 2007 in Hagen festgenommen.

Von Januar 2009 bis Ende September 2011, also fast 2 ¾ Jahre, dauerte das Verfahren gegen Faruk vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Gegen Faruk wurde im Laufe des Prozesses zwar der § 129b-“Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ fallen gelassen, aber mit Hilfe von Kronzeugen-Aussagen, die unter Folter zu Stande kamen, wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er angeblich die Verantwortung für den Tod zweier Polizisten in Istanbul im Jahre 1993 übernommen haben soll.
Am 6. Mai begann das Revisionsverfahren gegen Fauk Ereren vor dem OLG Düsseldorf. Der beantragten Revision wurde aufgrund der widersprüchliche Aussage des Zeugen im 1. Prozeß stattgegeben.