Der letzte Brief von Hüseyin Xizrî

Der vom iranischen Regime hingerichtete kurdische politische Gefangene Hüseyin Xizrî beschreibt in seinem Abschiedsbrief die erlittenen Folterungen und die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit. Xizrî schreibt: „Ich habe definitiv kein Geständnis abgelegt“ und beschreibt die erlebte Folter mit den Worten: „Ich habe so viel Folter erleiden müssen, dass der Tod mir attraktiver als das Leben erscheint.“

Hüseyin Xizrî wurde im November 2008 mit dem Vorwurf Mitglied der PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan) zu sein festgenommen und anschließend zum Tode verurteilt. Nach Angaben der Gefängnisvertretung soll Xizrî am 15. Januar 2011 im Zentralgefängnis von Urmiye durch den Strick hingerichtet worden sein. Jedoch teilte der Anwalt von Xizrî mit, dass man versuche die Familie und die Öffentlichkeit zu täuschen. Die Hinrichtung soll schon am 5. Januar vollzogen worden sein.
Im Folgenden die letzten Wort von Xizrî in seinem Abschiedsbrief:
„Ich heiße Husên Xizrî. Im Jahre 1982 kam ich in der zu Ostkurdistan gehörenden Stadt Urmiye zur Welt. 2008 geriet ich dann in die Gefangenschaft des iranischen Staates. Am 18. Mai 2009 wurde ich zum ersten als auch zum letzten Mal vor das 1. Revolutionsgericht in Urmiye geführt. Die Gerichtsverhandlung fand unter Anwesenheit eines Geheimdienstagenten und eines Staatsanwalts statt. Sie waren auch darauf vorbereitet. Vor dem Beginn der Verhandlung wurde ich vom Geheimdienstagenten bedroht und aufgefordert dem Gericht nichts von den Folterungen zu berichten. In einer 10 Minuten lang dauerenden formal gehaltenden Verhandlungen wurde mir das Rederecht nicht gewährt, und ich wurde zu Tode verurteilt. Solch ein Gericht ist äußerst obskur und illegitim. Welch eine Verteidigung hätten mein Anwalt und ich binnen 10 Minuten leisten können?
Wurde dieses Theaterstück inszeniert, weil ‚der Beschuldigte zur Verhandlung erschien und ihm das Todesurteil ins Gesicht verlesen wurde‘, diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt.
Während der Verhandlung teilte ich dem Richter mit, dass ich den meisten Anklagepunkten nicht zustimme. Weil die Unterschrift dieser Aussagen unter schwersten, nicht in Worte zu fassenden physischen und psychischen Folterungen erzwungen worden ist. Trotz der Beharrlichkeit auf diesen Punkt hat das Gericht ohne mich noch einmal anzuhören die Verhandlung eröffnet und mich zu Tode verurteilt. Die mir auferlegte Todesstrafe wurde am 2. August 2008 vom Bundesgericht bestätigt. Die Urteilsbestätigung durch das Bundesgericht wurde mir am 8. August im Gefängnis von Urmiye mitgeteilt.
Zu allererst möchte ich folgendes zum Ausdruck bringen; ich habe vor der endgültigen Bestätigung des Todesurteil versucht, alle gegebene Rechtsansprüche zu nutzen und habe diesbezüglich den betreffenden Behörden meine Anträge überreicht, um diese Ungerechtigkeit zu richten. Ich berichtete von der mir im Gefängnis von Urmiye widerfahrenen unmenschlichen Folter und habe diese gesetzteswidrigen, inhumanen Praktiken zur Anzeige gebracht. Die Anzeige wurde an das höhere Militärgericht geschickt.
Nach der von mir getätigten Strafanzeige wurde ich am 7. August 2009 zum 8. Dezernat des Gerichts bestellt. Dort habe ich von der an mir geübten Folter, den unmenschlichen Behandlungen erzählt, und ebenfalls ein ärztliches Attest eingereicht. Der Gerichtshof nahm meine Aussagen nicht ernst und wies alle Forderungen von mir aufgrund von diversen Veranlassungen zurück.
Hinterher reichte ich am 2. Februar das Attest und meine Akte in einem Ansuchen weiter, jedoch wurde meine Akte von Seiten des Militärgerichts abgelehnt. Ich wurde wieder an den Geheimdienst von Urmiye überliefert.
Seit dieser Zeit war ich im Zentralgefängnis von Urmiye permanent Drohungen ausgesetzt. Weil ich sie angezeigt hatte, drohten sie mir mit dem Tod. Sie verlangten von mir vor der Kamera ein Geständnis abzulegen. Zudem sollte ich betonen, dass ich keine Folter gesehen hätte. Mir wurde das Angebot unterbreitet, sobald ich den Forderungen folge leiste, würde man meine Akte noch einmal in die Hände nehmen und die Strafe reduzieren. Sie wollten meine Akte, die von mir getätigten juristischen Schritte, meine Strafe, für ihre Zwecke missbrauchen. Mit solch einem Ansatz sind sie an mich herangetreten. Jedoch habe ich auf gar keinen Fall irgendein Geständnis abgelegt.
Meine Familie befand sich aufgrund meiner Situation in Besorgnis. Die staatlichen Kräfte wollten aufgrund meiner Verhandlung meine Familie in einen Zustand von Angst und Schrecken versetzen. Mein Vater hat bei Leitung des Geheimdienstes in Urmiye beantragt, die Resultate meiner Beschwerdeanträge und meinen aktuellen Aktenstand zu offenbaren. Meinem Vater wurden falsche und widersprüchliche Antworten erteilt. Um herauszufinden wie der aktuelle Stand meiner Beschwerdeanträge ist, ging mein Vater zur Geheimdienststelle und erlitt aufgrund der anstehenden Hinrichtungen und der enormen Besorgnis einen Schlaganfall vor der Geheimdienststelle und starb. Der Tod meines Vaters ist ein weiteres Verbrechen der Islamischen Republik Iran. Sie haben meiner Familie einen heftigen Schlag verpasst.
Nach dem Tod meines Vaters haben die Verantwortlichen anstatt ihr Mitleid auszusprechen mich ins Qezwin-Gefängnis gebracht. Als ich ins Qezwin-Gefängnis gebracht wurde, wusste ich nichts von dem Tod meines Vaters. Mehr als hundert Stunden waren meine Hände, Füße und Augen verbunden. Mir wurde gesagt, dass nichts Außergewöhnliches passiere, sondern sich nur mein Standort ändern würde. In was für einem Zustand sich der Sohn befindet, dessen Vater sich um die Ergebnisse seiner Beschwerdeanklage bemüht und währenddessen einen Schlaganfall erleidet, muss sich jeder selbst vorstellen.
Der iranische Staat, die Staatsanwaltschaft und das Gericht diffamieren mich als Feind Gottes. Dies ist auch der Grund für die Urteilsfindung. Als ich festgenommen wurde, war ich unbewaffnet, da ich sowieso politisch aktiv bin, und auch aufgrund dessen festgenommen wurde. Zweitens; habe ich nie an einer bewaffneten Aktion gegen den iranischen Staat teilgenommen. Ich saß in Kirmanschan im NBI 8 Monate in Einzelhaft. In Urmiye war ich in der El Mehdi Geheimdienstbehörde schwersten physischen und psychischen Folterungen ausgesetzt.
Während dieser erlittenen Folter, den unmenschlichen Behandlungen in den 8 Monaten dachte ich zweimal darüber nach mir das Leben zu nehmen. Ich habe so viel Folter erleiden müssen, dass mir der Tod attraktiver als das Leben erschien. Ich vermute, dass es nicht so oft vorkam, dass ein Mensch ganze 8 Monate in Isolationshaft gehalten wird, ununterbrochen gefoltert wird und ihm der Kontakt zu seiner Familie verwehrt bleibt und keine Informationen über die Familie und die Außenwelt zu erhalten.
Nunmehr ist es augenscheinlich gewesen, dass ich hingerichtet werde. Sogar in meinen letzten Tagen wollen sie nicht, dass ich über meinen Gesundheitszustand berichte und die mir widerfahrene Folter offen artikuliere, sie versuchen es zu verhindern.
Unter diesem Druck und des Isolationszustand appelliere ich an alle internationalen Organisationen, Menschenrechtsvereine und im Besonderen an diejenigen, welche sich für die Recht von Gefangenen einsetzen. Teilt die unterdrückte Stimme der Gefangen der iranischen Gefängnisse der Menschheit mit.
Unsere Forderungen;
1. Ein gerechtes und unparteiisches Gerichtsverfahren.
2. Unsere Akten nochmals zu behandeln und die durchgeführte Folter anzuprangern.

Quelle: ANF, 19.01.2011, ISKU