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Deutsche und türkische Ermittlungsbehörden verfolgen gemeinsam Oppositionelle: Mammut-Verfahren gegen 9 linke AktivistInnen

Die Anklageschrift der Generalbundesanwaltschaft im Mammut-Verfahren gegen 9 linke AktivistInnen ging letzte Woche bei deren AnwältInnen ein. Ein Prozess mit 9 Angeklagten, 18 AnwältInnen und sehr vielen Verhandlungstagen steht nun in München bevor. Die Prozessakten in dem Verfahren umfassen 223 Ordner – vieles davon ist Material vom türkischen Justizministerium. Durch das Verfahren werden nicht strafbare Handlungen, sondern politische Aktivität kriminalisiert. „Die Generalbundesanwaltschaft macht sich zum verlängerten Arm der türkischen Regierung und verfolgt Oppositionelle, die Erdogan gerne hinter Gittern sehen möchte,“ so Melisa Bay vom Bündnis Freiheit für ATIK.

Mitte April 2015 wurden in vier europäischen Ländern linke AktivistInnen verhaftet. Nach monatelanger Haft (teilweise in Isolation), nach der Freilassung einiger und der Auslieferung anderer sitzen nun 9 AktivistInnen in verschiedenen bayerischen Gefängnissen. Unter den Verhafteten sind ÄrztInnen, Rentner, Arbeiter und politische Flüchtlinge. Einige der Verhafteten sind in der Migranten-Organisation ATIK – Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa – aktiv.

Den Verhafteten wird im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 129 a und b StGB die Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation vorgeworfen. Konkret geht es um die Mitgliedschaft in der TKP/ML, einer linken Partei, die in der Türkei aktiv ist und dort kriminalisiert wird. In Deutschland ist die TKP/ML jedoch weder verboten noch ist sie auf der EU-Terrorliste aufgeführt. Den Verhafteten wird nicht die Beteiligung an strafbaren Aktionen vorgeworfen. Für eine Anklage nach den §§ 129 a und b genügt die vermutete Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer kriminalisierten Organisation. Es handelt sich bei den Paragrafen 129 a und b um politisches Strafrecht. Besonders deutlich wird es beim § 129b, nach dem nur mit Ermächtigung des Bundesjustizministers ermittelt werden darf. Letztlich hat es die Regierung in der Hand, ob sie politische AktivistInnen als angebliche Terroristen verfolgt oder sie als Freiheitskämpfer ansieht. Zum anderen dienen die §§ 129 a,b als Schnüffelparagrafen: Die Ermittlungsbehörden haben bei diesen Verfahren Sonderbefugnisse, die es ermöglichen, im gesamten Umfeld Wohnungen und Telefone abzuhören und verdeckte Ermittler einzusetzen, so dass politische Bewegungen durchleuchtet werden können.

Demokratische und Linke Initiativen, Frauenorganisationen, ArbeitskollegInnen und Angehörige der Inhaftierten kritisieren insbesondere die Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Ermittlungsbehörden. Die türkische Regierung führte im Jahr 2015 einen gewalttätigen Wahlkampf. Aktuell geht die Türkische Armee mit Panzern gegen Oppositionelle und die kurdische Bevölkerung vor. In der Türkei sind 10 000 Oppositionelle und 72 JournalistInnen in Haft. Besonders paradox ist, dass einige der jetzt Angeklagten wegen der Mitgliedschaft in der TKP/ML in der Türkei verfolgt, inhaftiert und gefoltert worden sind und aus eben diesem Grund vom deutschen Staat Asyl bekommen haben. Jetzt werden sie von diesem Staat aus genau denselben Gründen kriminalisiert, was letztlich auch ihr Asyl ad absurdum führt. Der Prozess wird Mitte Mai 2016 am Münchner Oberlandesgericht beginnen.

Solidarisiert euch mit den gefangenen AktivistInnen! Organisiert Protest!