OLG Düsseldorf

Die Bundesrepublik Deutschland gegen Faruk Eren – Prozessbericht vom 2.9.2013

Lässt man sich vom Navi zum Kapellweg 36 leiten, zur offiziellen Adresse des Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf, landet man vor einem Furcht erregenden Betonklotz auf der grünen Wiese, welcher eher an eine Trutzburg eines Diktators erinnert als an ein Gericht. Das Areal ist eingefasst von einem hohen, Stacheldraht bewehrten Stahlzaun, hinter dem sich bis zum eigentlichen Gebäude eine Art Todesstreifen befindet, auf dem nicht ein Halm wächst.

Der Besucher kann an der Seite der Anlage von einem Feldweg aus völlig versteckt ein winziges Schild entdecken „Besuchereingang“. Auf diese Weise wird also die Öffentlichkeit hergestellt. Tritt man durch die Tür, muss man als erstes seinen Personalausweis abgeben, der alsbald kopiert wird. Natürlich erhält man keine Information, warum das so ist und was mit der Kopie geschieht. Nachdem man dann so ziemlich Alles abgeben muss, was man bei sich trägt ausser Kugelschreiber und Papier, darf man das Innere der Festung betreten. Man gewinnt einen gewissen Eindruck von den Haftbedingungen der politischen Häftlinge. Alles ist weiss, alles aus Stein, Glas oder Metall, selbst die Sitzgelegenheiten. Fenster gibt es nur ganz oben an den völlig kahlen Wänden. Keinerlei Ablenkung, natürlich keine Cafeteria etc, keine Pflanzen, nur Totes, Leeres. Der kalte Charme der Terrorjustiz zeigt so sein Gesicht.

Der Verhandlungssaal ist riesig, es gibt hinter einer 3 Meter hohen schusssicheren dicken Panzerglasscheibe genügend Plätze für Zuschauer – doch sie sind fast alle leer, was kein Wunder ist angesichts des versteckten Zuschauereingangs und der Einschüchterung durch das Kopieren der Personalausweise, die Besucher unter Generalverdacht stellt.

Am Verhandlungstag findet die Befragung des Hauptentlastungszeugen statt. Es handelt sich um einen Anwalt, der in der Türkei vom Regime Verfolgte verteidigte und selber schwer gefoltert und eingeknastet wurde. Ihm wird vom Kronzeugen der Anklage vorgeworfen, selber Mitglied der angeblichen Terrororganisation DHKP-C zu sein und seine Position als Anwalt missbraucht zu haben. Auf diese Weise soll seine Glaubwürdigkeit diskreditiert werden.

Die Befragung fand an diesem Tag allein durch die Verteidigung statt und verfolgte das Ziel, deutlich zu machen, dass angesichts der in der Türkei systematisch betriebenen Folter die den Anwalt – und natürlich auch Faruk – belastenden Aussagen des Kronzeugen wertlos sind. So geriet die Befragung des Zeugen zu einer umfassenden Darstellung der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei durch brutalste Folter, um beliebige gewünschte Aussagen und Beschuldigungen Dritter zu gewinnen. Er berichtet, dass er selbst verhaftet und gefoltert worden sei. Er sei dann vor die Wahl gestellt worden, entweder seine Tätigkeit für die Verfolgten einzustellen oder weiter gefoltert zu werden.

Obwohl es ausser 4 anwesenden Aktivisten keine Öffentlichkeit gab, unterband die vorsitzende Richterin an dieser Stelle die Darstellung der Verbrechen des türkischen Terrorregimes („meine Geduld ist am Ende“), indem sie die Aussagen des Zeugen als „persönliche Lebensweisheiten“ bezeichnete und den ihn aufforderte, Fragen nur noch „auf die konkrete Frage bezogen“ zu beantworten.

Dennoch präsentierte sich der Zeuge sehr glaubwürdig, ruhig und besonnen. Es wird am Ende darauf ankommen, welchem Zeugen mehr geglaubt wird, dem Anwalt der Verfolgten oder dem Kronzeugen der Anklage, der sich seit 18 Jahren im Zeugenschutzprogramm befindet. Spannend wird dessen Befragung am kommenden Freitag um 9.30 Uhr in der Düsseldorfer Trutzburg der Justiz sein.

Eugen Hard, LZ


 https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/images/1350865424.jpgProzessbericht

Um den ganzen Prozess, der vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf stattfindet zu verstehen, muss man mindestens Etwas von der türkischen Geschichte wissen, denn sie wirkt sich in Form der §129b-Prozesse in Deutschland heute noch aus. 

Der Militärputsch 1980 in der Türkei führte von Seiten des Staates zu Massakern und einer terroristischen Unterdrückung der Arbeitenden und des einfachen Volkes. Der auch militante Widerstand, der dagegen geführt wurde, war moralisch sehr legitim. Faruk Eren war im Widerstand gegen die faschistische Diktatur der Türkei. Wie er diesen Widerstand geführt hat ist mir nicht bekannt. Berechtigt war jede Form.

Jedenfalls wurde er schon damals inhaftiert und schwer gefoltert, war auch jahrelang inhaftiert. Nun werden seine gefolterten Aussagen gegen ihn verwendet. Aber auch die anderen §129b-Opfer in der BRD müssen dieses Unrecht zu erdulden. Sein erstes Verfahren war ein §129b Verfahren. Man hat ihn angeklagt ein hoher Kader der DHKP-C zu sein. Das ist eine marxistisch-leninistische revolutionäre und daher logischerweise illegale Organisation in der Türkei aber auch in Deutschland.

Im Laufe des ersten Prozesses wurde der Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C fallengelassen und statt dessen das Konstrukt aufgebaut, er habe den Mord an zwei Polizisten in der Türkei aus Deutschland in Auftrag gegeben. Als ob Menschen in der Türkei den Auftrag aus Deutschland bräuchten um aktiv zu werden. Zur Erklärung: Wenn ich das Auto meines Nachbarn anstecke, weil er mich ärgerte, bin ich ein krimineller Brandstifter. Wenn ich aber ein Bundeswehrfahrzeug anstecke, um aktiv gegen den Krieg zu werden, bin ich Terrorist. Mit dem §129a. Wer die Freunde oder die Geschäftspartner, auch Waffeneinkäufer der BRD angreift ist ein Terrorist. Wer ein missbilligtes Regime wie das in Syrien angreift, wird als Freiheitskämpfer  gefeiert, obwohl es sich um Al Qaida Terroristen handelt, welche als freie syrische Armee sogar ein offizielles Büro in Berlin haben dürfen. Und sie müssen sich nie davor fürchten, als ausländische terroristische Organisation verfolgt zu werden. Obwohl keine linke Organisation auch nur ansatzweise so viele Menschen töteten wie Al Qaida. Da wird die „unabhängige Justiz“ ganz offiziell zum ausführenden Organ der Politik der Bundesrepublik Deutschland. Und er bleibt aus der große Aufschrei der kritischen Öffentlichkeit, der immer wenn unsere Demokratie gefährdet ist, ertönt. Aber vielleicht ist der Justizterror gegen Migranten auch nicht so empörend wie das Ausspähen des eigenen Internets.

Sehr schade!

Richterin:
Setzen wir fort.

Rechtsanwalt an den Zeugen:
Sie haben wissenschaftlich zur Menschenrechtslage in der Türkei gearbeitet.

Nun wird anhand vieler Dokumente welcher der Zeuge der Verteidigung dem Gericht zur Verfügung gestellt hat, gearbeitet.

Der Kronzeuge Genc, welcher vom türkischen Regime gefoltert wurde, hat laut Dokument Strafanzeige erstattet. Er konnte einen seiner Folterer namentlich benennen und die anderen anhand der Kragennummern identifizieren. Das Dokument nennt auch die Stellen seines Körpers an denen er gefoltert wurde. Der Grund warum die Folterung des Kronzeugen für dieses Verfahren relevant ist ist folgender: Gefolterte gestehen alles und beschuldigen alle. Es gibt für die Folterer keinen Erkenntnisgewinn. Vielmehr geht es darum Menschen zu brechen. Genc ist ein vom Staatsterrorismus völlig gebrochener geistig zerstörter Mensch.

Frage des Rechtsanwaltes:
Bestand Lebensgefahr durch die Folter für Herrn Genc.

Antwort des Zeugen:
Genc musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Keiner der Folterer wurde verurteilt. Es gibt ein Schreiben an die Ärztekammer mit der Bitte eine Ärztin, die an Folterungen beteiligt war, auszuschließen. Sie wurde auch sechs Monate bis zwei Jahre ausgeschlossen.

Richterin:
Nun wurde auch der Zeitungsartikel eingereicht. (Er ist aus einer bürgerlichen Zeitung wie Spiegel oder Stern). Abgebildet sind drei Personen. Auf der rechten Seite ist Genc.

Zeuge:
Ich muss dazu sagen, das die Frau (Name wird genannt), die auf den Bild abgebildet ist, später auch sehr stark gefoltert wurde.

Ein Dokument beschreibt die Untersuchung der Gerichtsmedizin bei Herrn Genc.

Zeuge:
Dazu muss ich sagen, dass die Untersuchungen der Gerichtsmedizin nie sehr tiefgreifend waren.

Logisch wer dokumentiert auch die eigenen Verbrechen (Anm. von Ingo).

Verschwindenlassen wird in einem anderen Dokument dokumentiert.

Zeuge:
Zu der Frau muss ich sagen das sie auch eine Mandantin von mir war.
94 schreibt ein Vater:“ Meine Tochter wird gefoltert. Man weigert sich mir zu sagen, das man sie überhaupt hat. „
Man weiß bis heute nichts über den Verbleib der Frau.

Das nächste Dokument ist über die ungerechtfertigte Haft des Zeugen.

Zeuge:
Der Europäische Gerichtshof bescheinigt Menschenrechtsverletzungen und Verschleppungen meines Gerichtsurteils. Ich möchte noch betonen, dass die Staatssicherheitsgerichte  nicht unabhängig sind. Es war da auch immer Militär anwesend.

Zeuge:
1990 gab es einen Kabinettsbeschluss der türkischen Regierung. Nämlich dass Verdächtige das Recht auf einen Anwalt haben. Ich hatte aber keinen.

Richterin:
Die Dokumentationszeitung des OLG beweist auch das Kontaktverbot Aufrechterhalten wurde.

Zeuge:
Die türkische Staatsanwaltschaft hat noch nicht einmal die Menschenrechtsdelegation des Eu Parlaments zugelassen.

Das nächste Dokument betrifft einen Verfolgten aus der Studentenbewegung. Es fing an mit Berichten aus den staatlichen Medien. Dann kamen die Phantombilder ins Spiel. Dann wurden Namen von Gewerkschaftlern Menschenrechtsaktivisten oder Linken genannt.

Zeuge:
Ich verfolgte den Vorgang weil der Angeklagte ein bekannter Mann aus der Studentenbewegung war. Ich habe ihn zur Staatanwaltschaft begleitet, weil er dort eine Aussage machen wollte. Nämlich dass die Anschuldigungen unwahr sind. Er wurde 30 Tage festgenommen und hat dann gestanden, dass er mehrere Verbrechen mit Schusswaffen verübt hat. Später wurden dann die wirklichen Verbrecher anhand von Fingerabdrücken  identifizieren.

Nun nimmt der Rechtsanwalt den Zeugen ins Kreuzverhör. Und nimmt der Bundesanwaltschaft so allen Wind aus dem Segeln.

Rechtsanwalt:
Ich verstehe nicht warum die Polizei nicht erst einmal mit ihnen als Verdächtigten redete. Warum haben sie keinen Tatvorwurf genannt. Warum haben sie nicht gefragt ob sie z.B. Mitglied der DHKP-C sind.

Zeuge:
Dass sie Probleme haben, das zu verstehen kann ich verstehen. In undemokratischen Systemen ist Folter Methode. Diese Methode ist nicht nur in der Türkei, sondern auch in Lateinamerika Standard.

Rechtsanwalt:
Genc bekannte sich in einer Selbstkritik bei seiner Organisation schuldig, bei der Polizei eine Aussage gemacht zu haben.

Zeuge:
Ich meine ich habe von dieser Selbstkritik gehört. Ich kann nur sagen, das sich Menschen aus

Organisationen allgemein so verhalten.

Rechtsanwalt:
Dann frage ich anders: Hat die Genc-Aussage mit Folter die Aussage mit Folter gerechtfertigt ?

Zeuge:
Ich glaube nicht, das man aus der Erklärung sagen kann, das er nicht gefoltert worden sei. Kader haben die Pflicht niemals auszusagen. Es wird davon ausgegangen, dass sowieso gefoltert wird.

Richterin:
Die Ehefrau des Gens hat als Gebietsverantwortliche der DHKP-C ausgesagt, sie habe aus Angst vor der Folter ausgesagt. Ich scheine da mehr zu wissen als sie.

Zeuge:
Es ist mir nicht bekannt, dass die Frau Gebietsverantwortliche war oder überhaupt eine Aufgabe hatte.

Rechtsanwalt:
Konnte das Zentralkomitee ihnen Anweisungen geben ?

Zeuge:
Als Anwalt habe ich von Niemandem Anweisungen angenommen.

Rechtsanwalt:
Auch nicht erhalten?

Zeuge:
Ich hätte es nie akzeptiert,  Anweisungen von einer Organisation zu erhalten, auch nicht von der DHKP-C. Weder hat man mir gesagt, wie ich mich verteidigen sollte, noch hat man mir Befehle erteilt.

Rechtsanwalt:
Das Volksrechtsbüro verteidigte Gewerkschaftler, Menschenrechtsaktivisten, usw. Sie sollen aber in einem Komitee im Volksrechtsbüro gearbeitet haben als Organisator oder Propagandist…Sahib hat Namen genannt, er sagte sie seien Mitglied dieses Komitees gewesen, wie viele andere auch.

Zeuge:
Der Vorwurf des Mannes kann nicht stimmen, weil ich zum besagten Zeitpunkt gar nicht in der besagten Stadt gearbeitet habe. Ich habe von diesem Komitee nur im Rahmen des Strafverfahrens gegen die Rechtsanwälte die aber alle freigesprochen werden mussten erfahren.

Ingo Giesen
Verein für politische Flüchtlinge
vfpf@gmx.net„>vfpf@gmx.net
www.kultur-revolution.com

Fortsetzung des Revisionsprozesses am 

Freitag, den  6.9.2013
um 9.30 Uhr
OLG Düsseldorf
Kapellweg 36
40221 Düsseldorf


http://www.secoursrouge.org/archives/dos/dos_1bahar/FarukErerenaffiche.jpgWeiterführende Links:

Prozessbeobachtung und Soliveranstaltung für die Freiheit von Faruk Ereren und allen anderen politischen Gefangenen!
http://political-prisoners.net/item/2394-prozessbeobachtung-und-soliveranstaltung-fuer-die-freiheit-von-faruk-ereren-und-allen-anderen-politischen-gefangenen.html

Aufruf zur Prozessbeobachtung – Freiheit für Faruk Ereren!
http://www.18maerz.de/web/index.php/77-artikel/531-prozessbeobachtung

Bericht vom ersten Prozess

http://www.grundrechtekomitee.de/node/571

Der Prozess gegen Faruk Ereren ist noch nicht zu Ende

Am 29.11.2012 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe – 3 StR 1/08 – der Revision des Angeklagten Faruk Ereren stattgegeben und das Urteil vom 27.9.2011 des Oberlandesgerichtes Düsseldorf – II – 2 Sts 1/08 – aufgehoben.

Faruk Ereren war am 27.9.2011 vom OLG in Düsseldorf nach über 90 Verhandlungstagen in einem skandalösen Urteil wegen angeblichen Mordes an zwei Menschen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.
 
Friedhelm Schneiders hat den Prozess für das Grundrechtekomitee beobachtet und berichtet darüber.

In dem Urteil wurden die Merkmale der Heimtücke und des Handelns aus niedrigen Beweggründen als verwirklicht angesehen. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Faruk Ereren Ende März 1993 von Deutschland aus als Mitglied der türkisch marxistisch-leninistischen Organisation „Devrimici Sol“ einen nachgeordneten Kader in der Türkei angewiesen habe, in einem bestimmten zeitlichen Rahmen einen Anschlag zu planen, vorzubereiten und durchzuführen. Am 1. April 1993 wurden bei einem Anschlag zwei vor einer Bankfiliale stationierte Polizisten erschossen.
Faruk Ereren bestritt, zu dem Zeitpunkt in Deutschland gewesen zu sein und Mitglied der Organisation zu sein. Er machte aber kein Hehl aus seiner marxistisch-leninistischen Einstellung, für die er in jungen Jahren in türkischen Gefängnissen gefoltert worden war. Seidem ist seine Gesundheit angegriffen, und er leidet unter einer Art Verfolgungswahn, der medikamentös behandelt wird.

Angefangen hatte der Prozess gegen ihn im Jahr 2009, nachdem er im April 2007 in Nordrhein -Westfalen verhaftet worden war. Zu Beginn lautete die Anklage u.a. auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. An den Verhandlungstagen saß Faruk Ereren deshalb isoliert in einem Glaskasten. Viele Verhandlungstage waren damit ausgefüllt, dass Vertreter von BKA und LKA aus Unterlagen, die bei Razzien in ihre Hände gefallen waren, den Aufbau der Organisation in Europa mit ihren Aufgaben, Pflichten und Hierarchien erläuterten. Aber nie konnte ein Zusammenhang mit Faruk Ereren hergestellt, bzw. ein Nachweis über Tätigkeiten von ihm vorgelegt werden. Auch die Befragung zahlreicher türkischer Zeugen, die zum Teil schon wegen des §129b verurteilt waren, ergaben keine Hinweise auf Faruk Ereren.

Auch in Istanbul wurden im Rahmen von Rechtshilfe Zeugen vernommen, so auch am 16.2.2010.
Der erbetene Zeuge erschien nicht. Stattdessen schlug die türkische Justiz vor, am nächsten Tag einen Zeugen zu liefern, der Faruk Ereren kennen würde. Die Vernehmung fand tatsächlich am 17.2.2010 statt. Der Zeuge lebte auf Grund des Reuegesetzes im Zeugenschutz. Er hatte sich in seinem eigenen Verfahren vor einem Türkischen Gericht kooperativ gezeigt und war vorzeitig aus der Haft  entlassen worden. Dieser Zeuge gab an, Ende März in Istanbul mitbekommen zu haben, wie Faruk Ereren telefonisch aus Deutschland die Anweisung zu dem Anschlag am 1.4.1993 gegeben habe. Eine ausführliche Befragung des Zeugen war für die Verteidigung aus Zeitgründen nicht möglich. Zurück in Deutschland sprach die Verteidigung sofort von einem geglückten Überrumpelungsversuch der türkischen Behörden und warfen dem Senat vor, statt stehenden Fußes abzureisen, als der avisierte Zeuge nicht erschien, habe man mitgenommen, was man kriegen konnte, ohne die Aussagen kritisch zu hinterfragen.

Fortan saß Faruk Ereren nicht mehr in seinem Glaskasten, sondern mitten unter seinen Verteidigern. Auf Grund dieser einzigen, dazu noch sehr windigen Zeugenaussage wurde er nun des zweifachen Mordes angeklagt, die die Bundesanwaltschaft noch mit Heimtücke und niedrigen Beweggründen ausstaffierte. Alle Versuche der Verteidigung, in den verbleibenden Verhandlungstagen bis zur Urteilsverkündigung Entlastungszeugen beizubringen, die bezeugen konnten, dass Faruk Ereren zu der Zeit in Istanbul war, wurden von der Bundesanwaltschaft genauso abgelehnt wie entlastende Schriftstücke. Entweder wären sie nicht eindeutig genug oder Gefälligkeitsaussagen usw. Natürlich wurden diese Ablehnungen vom Senat ausnahmslos als Beschlüsse verkündet. Natürlich weigerte sich der Belastungszeuge auch, nach Deutschland zu kommen, um sich einer ausführlichen Befragung durch die Verteidigung zu unterziehen. Er habe alles gesagt, was er wisse. Auch der Senat verlangte nicht nach weiterer Aufklärung, sondern schien froh über diese einzige belastende Aussage zu sein. So kam es dann zu dem eingangs zitierten Urteilsspruch vom 27.9.2011.

Umso erfreulicher ist es, saß der BGH der Revision stattgegeben und das Urteil aufgehoben hat. Ein Skandal ist aber dadurch noch nicht ausgeräumt: Faruk Ereren ist jetzt bereits sechs Jahre ohne Unterbrechung  in Haft, und das seit neuestem ohne Urteil. Schon während der überlangen Verhandlung hatte die Verteidigung mehrfach Anträge auf Haftentlassung gestellt, die alle abgelehnt wurden. Nach der Urteilsaufhebung ist der bisher letzte Antrag auf Haftentlassung gestellt worden, der inzwischen abgelehnt wurde. Ab dem 6. Mai 2013 wird sich nun ein anderer Senat des OLG Düsseldorf nach Einlesen in die umfangreiche Aktenlage wieder mit dem Fall beschäftigen.
 
Friedhelm Schneiders

Friedhelm Schneiders ist Fördermitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie und beobachtet den Prozess gegen Faruk Ereren.

http://www.grundrechtekomitee.de/node/571