Von SUKRIYE AKAR, 13. Februar 2014 –
Grup Yorum zählt zu der Türkei: Musiker im Hungerstreiken bekanntesten türkischen Bands. Die zwölfköpfige Gruppe macht anatlosiche Volksmusik mit linken revolutionären Inhalten, ihre Konzerte werden von bis zu einer halben Million Menschen besucht.
Gegründet nach dem Militärputsch im Jahr 1980 verstand sich die Band immer als ein Sprachrohr derer, die in der türkischen Gesellschaft verfolgt werden: Der Aleviten, der kämpferischen Arbeiter, der Marginalisierten und Ausgestoßenen.
Seit einigen Tagen befindet sich die Gruppe nun im Hungerstreik. Sie will damit auf die Repression, der Künstler und Künstlerinnen in der Türkei ausgesetzt sind, aufmerksam machen. Die Türkei wird von der herrschenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit harter Hand regiert. Es gibt kaum einen Lebensbereich, in den die AKP nicht eingreifen will: Ob das Recht auf Abtreibung, Alkoholkonsum, oder die Anzahl der Kinder, die eine Frau nach dem Wunsch des Ministerpräsidenten auf die Welt bringen soll.
In dieser Situation verwundert es nicht, dass auch auf Künstler massiv Druck ausgeübt wird. Erdogan hat es vor allem auf jene abgesehen, die während des Aufstandes im vergangenen Juni an der Seite der protestierenden Bevölkerung standen.
Das Vorgehen der AKP ist hier rigoros und betrifft viele verschiedene Kunstgenres: Es werden Rollen von nicht konformen Schauspielern in Serienproduktionen abgesetzt. Die Regierungspartei ruft einfach den Besitzer des jeweiligen Medienkonzerns an, dem der Sender gehört, und befiehlt die Durchsetzung von Kündigungen. Andere werden mit haarsträubenden Begründungen festgenommen, wie der beliebte Schauspieler Baris Atay vor einigen Monaten. Atay unterstützte die Gezi-Proteste aktiv in Hatay, seinem Heimatort, und wurde unter dem Vorwannd verhaftet, Mitlgied der linksradikalen Hacker-Gruppe „Red Hack“ zu sein.
Theater müssen schließen, weil sie keine staatliche Unterstützung mehr bekommen. Die AKP-Regierung stört sich beispielsweise daran, dass Stücke von dem weltberühmten sozialistischen Dichter Nazim Hikmet aufgeführt werden. Belohnt werden hingegen solche Theater, die Stücke von reaktionären, pro-osmanischen Autoren aufführen.
Melih Gökcek, der AKP-Bürgermeister von Ankara, ließ eine Statue abreißen mit der Begründung: „auf so eine Kunst spucke ich“. Musikgruppen – wie aktuell Grup Yorum – bekommen Ausreiseverbot, wenn sie nicht spuren. In der Erklärung zum Hungerstreik heisst es: „Gegen unsere Bandmitglieder Ali Araci, Ayfer Rüzgar, Sultan Kavdir und Seçkin Aydogan wird das Ausreiseverbot trotz wiederholter Klagen nicht aufgehoben“. Gleichwohl will sich die Gruppe nicht einschüchtern lassen: „Niemand kann unsere Solidarität mit den unterdrückten Völkern verhindern.Für uns ist das Wort Internationalismus kein Lippenbekenntnis.Darum fürchtet ihr euch vor uns. Im Irak waren wir Teil von lebendigen Schutzschildern. Wir waren an der Seite des syrischen Volkes. Am Todestag von Rosa Luxemburg waren wir an ihrer Grabstätte in Deutschland. Wir haben teilgenommen am internationalen Symposium in Amsterdam.“
Zusätzlich zum Ausreiseverbot sieht sich die Gruppe derzeit verstärktem Druck in der Türkei selbst gegenüber. Grup Yorum gibt jedes Jahr ein Konzert im Harbiye Konzertsaal. Mit einer Kapazität von 6500 Sitzplätzen ist es eines der grössten und renommiertesten Musikhäuser Istanbuls. Dieses Jahr nahm die Stadtverwaltung die Konzertanmeldung von Grup Yorum nicht entgegen. Aus der Behörde hieß es: „Wir werden keine Formulare von Grup Yorum entgegennehmen. Es wird keine Bearbeitung stattfinden“.
Wie weit der Einfluss der Regierungspartei reicht, zeigen indessen Tonbandaufnahmen, die der Presse zugespielt wurden. Auf diesen ist zu hören, wie Premierminister Erdogan höchstpersönlich Fatih Sarac, den Inhaber der Ciner Medya Grup, anruft und befiehlt eine Liveübertragung zu stoppen. Sarac gehören der Sender und die Zeitung Habertürk. Erdogan griff ein, als der Oppositionsführer der faschistischen MHP eine Rede hielt und diese live übertragen wurde. Auf Anordnung Erdogans wurde die Übertragung abgebrochen.