Am 18.8. entschied das Oberverwaltungsgericht Thüringen (OVG) über einen Eilantrag gegen das Kufiya Verbot der Gedenkstätte Buchenwald. Die antifaschistische Aktivistin Anna M. hat am 1.8. vor dem Verwaltungsgericht Weimar die einstweilige Anordnung gegen das Verbot beantragt und hatte nach Negativentscheid Beschwerde beim OVG eingelegt.
Bereits am 6.4.2025 wurde ihr wegen des Tragens einer Kufiya Hausverbot in der Gedenkstätte erteilt. Im Juli wurde außerdem eine sogenannte ‚Handreichung‘ der Gedenkstätte öffentlich bekannt, die die Kufiya in eine Reihe mit faschistischen Symbolen stellte.
Anlässlich eines geplanten Besuchs zum Todestag von Ernst Thälmann am 18.08., der als Kommunist und Antifaschist im KZ Buchenwald ermordet wurde, ging Anna M. juristisch gegen die Stiftung Gedenkstätte vor. Der Vorwurf: Verletzung ihres Rechtes auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG). Sie führt aus: „Als Antifaschistin bin ich dem Schwur von Buchenwald verpflichtet, der internationale Solidarität und den Kampf für eine friedliche Welt betont, sowie Antifaschismus als fortwährende gesellschaftliche Verantwortung bestimmt. Antifaschistisches Gedenken mitten in einem Genozid kann diesen also nicht ausklammern“.
Ihr Anwalt, Roland Meister, ergänzt: „Eine wahrhafte Schlussfolgerung aus dem Holocaust bedeutet, auch heute Verantwortung für Menschenrechte und -würde zu übernehmen. Das Tragen der Kufiya als Zeichen gegen den Völkermord in Palästina verletzt nicht die Würde der Opfer des Nationalsozialismus – im Gegenteil : er bringt ihr Anliegen, wie es im Schwur von Buchenwald steht, zum Ausdruck.“
Diese Haltung teilt auch der Vorsitzende der Jüdischen Stimme, Wieland Hoban. Er kritisierte in einer Stellungnahme die Argumentation des Gerichts scharf: „Die Lehre aus früheren Genoziden sollte die Entschlossenheit sein, weitere zu verhindern. Ohne Bezug auf die Gegenwart ist ‚Nie wieder‘ eine leere Phrase.“
Gericht folgt Argumentation der Gedenkstätte
Der Präsident des Verwaltungsgerichtes empfahl zunächst eine Rücknahme des Antrags, da das Tragen einer Kufiya „jedenfalls im aktuellen politischen Kontext als Ausdruck der Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden verstanden werden kann“. Dem beugten sich die Antragstellerin und ihr Anwalt nicht, sondern reichten weitere ausführliche Stellungnahmen ein, um die Unterstellungen seitens des Gerichts und der Gedenkstätte zu widerlegen.
Die Gedenkstätte, die für sich ausdrücklich in Anspruch nimmt, besser als Vertreter großer jüdischer Organisationen einschätzen zu können, was ein angemessenes
Gedenken an die Opfer des deutschen Faschismus ist, bediente ahistorische Narrative:
„Historisch ist die Kufiya seit der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur mit antijüdischen und antiwestlichen Positionen verknüpft“. Gleichzeitig verteidigt sie das
Tragen von Pins mit der israelischen Fahne durch ihre Mitarbeiter als unpolitisch. Nach öffentlicher Kritik an der „Handreichung“ hatte der Leiter der Stiftung
Gedenkstätte Buchenwald Kritik eingeräumt und angekündigt, diese zu überarbeiten, sowie den Teil zu vermeintlichem „israelbezogenem Antisemitismus“ vorerst gestrichen
zu haben. Im Gegensatz dazu wiederholten die Stellungnahmen der Gedenkstätte Positionen aus der Handreichung.
Mit erheblicher Verzögerung – am 14.8. – entschied das Verwaltungsgericht (Az. 8 E 3431/25 We) negativ. Dagegen wurde sofort Beschwerde eingelegt. Auch das Thüringer
Oberverwaltungsgericht (Az. 3 EO 362/25) ließ sich mit einer – ebenfalls ablehnenden Entscheidung – bis zum 18.8. spätnachmittags Zeit.
Auf die inhaltlichen Argumente der Antragstellerin – der Zusammenhang des aktuellen Genozids und Gedenken, der tatsächlichen Bedeutung der Kufiya, dem Schwur von
Buchenwald oder auch der Klage gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) wegen Beihilfe zum Völkermord – wurde dabei nicht eingegangen.
Auch den Verstoß gegen das Willkürverbot ignorierten die Gerichte. So wird die eindeutige Positionierung der Stiftung zu Gunsten der israelischen Regierung – wie sie in der vom Gericht zitierten ‚Handreichung‘ oder der durch die israelische Regierung bewirkten Ausladung des jüdischen Philosophen Omri Boehm beim 80. Jahrestages der Befreiung zum Ausdruck kommt – als rechtmäßig angesehen, die tiefen Einschnitte in das Recht auf Meinungsfreiheit der Antragstellerin jedoch ignoriert.
Anwalt Roland Meister zeigt sich entsetzt: „Angesichts des voranschreitenden Genozids ist es unwürdig, wie die Stiftung den Antisemitismusvorwurf verwendet und deutlich macht, dass sie keine Verantwortung für die deutsche Geschichte übernimmt. […] Die Positionen der Stiftungsführung sind mit dem Auftrag der öffentlichen Stiftung unvereinbar. Würde sie die Würde des Menschen zum Maßstab nehmen und das Leid der Opfer, müsste sie dankbar sein, dass unsere Mandantin das Gedenken an die Opfer mit dem Tragen einer Kufiya verbindet.“
Das Ergebnis ist ein Gradmesser für die Unterdrückung und Umdeutung antifaschistischer Positionen durch den deutschen Staat und die deutsche Justiz.
„Wir dürfen die Erinnerung an unsere antifaschistischen Vorkämpfer nicht denen überlassen, die ihr Gedenken entehren“, erklärt Anna M.
Eine Ablehnung im Eilverfahren bedeutet noch keine abschließende Entscheidung:
Derzeit wird geprüft, ob Klage im Hauptsacheverfahren erhoben wird.
Die Dokumente des Eilverfahrens wurden auf der Website des Kufiya Netzwerks veröffentlicht.