Am Todestag von Jîna Masah Amini kam es im Iran trotz erheblicher Repression im Vorfeld sowie verstärkter Militärpräsenz und Überwachungsmaßnahmen erneut zu zahlreichen Protesten und Streiks. Auch in Deutschland gingen zahlreiche Menschen aus Solidarität mit der iranischen Bevölkerung und kurdischen Befreiungsbewegung auf die Straße.
Am Samstag hat sich der Todestag von Jîna Masah Amini erstmals gejährt. Amini kam vor einem Jahr durch einen Polizeimord ums Leben. Wegen eines nicht richtig sitzenden Hijabs wurde sie von der Sittenpolizei festgenommen und geschlagen und starb am Freitag, den 16. September 2022 im Kesrai-Krankenhaus in Teheran an ihren schweren Verletzungen.
Der Tod Aminis hatte monatelange Massenproteste gegen das Chamenei-Regime im ganzen Land ausgelöst, auf welche mit zehntausenden Festnahmen sowie zahlreichen Todesurteilen reagiert wurde. Laut Menschenrechtsberichten sind seit September 2022 über 500 Menschen getötet worden, darunter viele Minderjährige.
Der ursprünglich frauenpolitische Kampf unter dem Motto „Zhen, Zian, Azadi“ („Frauen, Leben, Freiheit“) hatte sich mit den Streiks von Arbeiter:innen und Student:innen in den Städten sowie den Aufstand in den kurdischen Gebieten verbunden und die Macht des Regimes ins Wanken gebracht.
Die Aufstände spiegelten nicht nur den Willen der Bevölkerung wider, Geschlechter-Apartheit und patriarchale Unterdrückung zu überwinden, sondern auch die Unzufriedenheit mit vier Jahrzehnte politisch-religiöser Tyrannei, Armut und Ausbeutung der werktätigen Klasse sowie systematischer Zerstörung der Umwelt. Er wurde zur größten regierungsfeindlichen Bewegung seit der Revolution 1979 und wuchs von Frauenrevolten zum Volksaufstand.
Iranische Regierung versucht Proteste im Vorfeld zu verhindern
Jetzt, ein Jahr nach Beginn der Proteste, reagiert die Regierung weiterhin mit Repression: Der Geheimdienst hat mehrere Festnahmen in den kurdischen Gebieten gemeldet und strenge Sicherheitsvorkehrungen geschaffen, um neue Proteste am Todestag von Jîna Masah Amini im Keim zu ersticken.
Am Freitag seien nach Augenzeugenberichten Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte in den Heimatort Aminis verlegt worden. Die kurdischen Bewohner:innen sollen außerdem verstärkt kontrolliert und Überwachungskameras vom deutschen Unternehmen Bosch installiert worden sein. Die Polizei- und Militärpräsenz wurde auch in andere Städten rund um den Todestag von Amini deutlich sichtbarer.
Repression gegen Familienangehörige
Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen sei Jîna Masah Aminis Vater am Todestag seiner Tochter festgenommen und davor gewarnt worden seien, den Todestag zu begehen. Mittlerweile ist Amjad Amini wieder freigelassen.
Masah Aminis Vater ist nicht der Einzige der Amini-Familie, der rund um den Todestag seiner Tochter einzuschüchtern versucht wurde: Auch Masah Aminis Onkel Safa Aeli wurde laut Berichten der Human Rights Activist News Agency (HRANA) Anfang September festgenommen. Insgesamt kam es in der Woche vor dem Todestag von Masah Amini zudem zu neun Festnahmen oder Verhören von Familienmitgliedern der Amini-Familie.
Auch 22 Professoren wurden anlässlich des Todestages von Masah Amini mit verschiedenen Begründungen entlassen oder suspendiert. Das Innenministerium beschuldigte die Professoren „ihre Positionen zu politisieren und für politische und parteipolitische Zwecke auszunutzen”.
Protestierende lassen sich nicht einschüchtern
Trotz Einschüchterungsversuchen und hoher Militärpräsenz gingen die Menschen im Iran am Samstag auf die Straße: Nicht nur in Teheran, sondern auch in weiteren Städten wie Mashad, Ahvaz, Lahijan, Arak und der kurdischen Stadt Senandaj kam es zu Demonstrationen in Gedenken an Jîna Masah Amini. Medienberichten zu Folge wurde in 13 kurdischen Städten rund um die Provinz, wo Amini herkommt, gestreikt.
Auch in Deutschland kam es am Samstag zu zahlreichen Demonstrationen: In Hamburg gingen rund 2.500 Menschen auf die Straße, auch in Leipzig bekundeten Menschen bei einer Demonstration ihre Solidarität, die unter anderem von Young Struggle und Zora mitorganisiert wurde.
In Freiburg veranstaltete das Kurdistan Solidaritätskomitee Freiburg eine Kundgebung in der Innenstadt, bei der sich u.a. das Frauenkollektiv Freiburg beteiligten. Letztere veröffentlichten anlässlich Masah Aminis Todestages eine Erklärung, in der sie den Einsatz deutscher Überwachungskameras zur Kontrolle der Kopftuchpflicht anprangern und den Zusammenhang zwischen patriarchaler Unterdrückung und den Interessen großer Unternehmen herausstellen.