Am 5. Dezember rief die sogenannte Querdenken-Bewegung dazu auf, zu einer zentralen Demonstration nach Bremen zu fahren.
Wie in anderen Städten die Wochen zuvor schon wurden auch in Bremen tausende Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. Die Anmelder selbst sprachen von 20.000 Menschen für eine erste Kundgebung am Mittag und 10.000 für eine weitere Kundgebung am frühen Abend. Doch dazu kam es nicht. Am 1. Dezember – vier Tage vor der Demo – meldete sich das Bremer Ordnungsamt mit dem Verbot der beiden angemeldeten Kundgebungen und jeglicher Ersatzveranstaltungen zu Wort.
Das Ordnungsamt selbst bezeichnete die geplante Demonstration als eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Bremen vor dem Hintergrund der Pandemieentwicklung“. Auch von höchster politischer Etage des Bundeslandes Bremen schallte die Zustimmung für das Verbot der Demonstration. Bürgermeister, Innensenator usw. unterstützen die Entscheidung des Ordnungsamtes (die natürlich von ihnen selbst getroffen worden war). Nun blieben den Anmeldern der Demonstration nur noch vier Tage um eine Genehmigung vor Gericht einzuklagen. Noch am selben Tag stellten sie einen Eilantrag am Verwaltungsgericht Bremen, welches diesen am Folgetag ablehnte und dem Verbot stattgab. Es folgte das Oberverwaltungsgericht, doch auch hier scheiterten sie und die Demonstration blieb verboten. Noch am Freitag, also einen Tag vor der Demo, klagten die Anmelder beim Bundesverfassungsgericht, welches erst am Samstagmorgen für das Verbot des Ordnungsamts entschied. Die zentralen Kundgebungen blieben also verboten und das zum ersten Mal in der bisher kurzen Geschichte der sogenannten Querdenker-Bewegung. Wo die Gerichte vorher für den Kläger entschieden, passierte diesmal das Gegenteil. Wobei es notwendig ist zu betonen, dass das Bundesverfassungsgericht – die höchste Instanz der Judikative in der BRD – nicht nach tatsächlicher Prüfung des Verbotes durch das Bremer Ordnungsamt und nicht auf Grundlage der Verfassung entschieden hat. Durch die knappe Zeit – und es war kein Zufall, dass die Entscheidung des Ordnungsamtes erst so spät gefällt wurde – gab das Bundesverfassungsgericht den Gerichtsentscheidungen der beiden vorherigen Instanzen statt, jedoch ohne fundierte gerichtliche Entscheidung, sondern aus Zeitdruck.
Es zeigt sich, dass seit der Querdenken-Demonstration in Leipzig im November ein etwas anderer Wind durch die Gerichte weht. Damals begann es ganz ähnlich wie in Bremen, mit einem Versuch der Stadt die Demonstration zu verbieten. Jedoch kassierte ein Gericht das Verbot ein und die Demo fand statt. Was folgte war ein großer „Skandal“, der in den bürgerlichen Medien aufgebauscht wurde, ähnlich wie der zum „Skandal“ aufgebauschte sogenannte „Sturm auf den Reichstag“. So wie auch in Berlin der „Skandal“ schon von der Polizei zugelassen wurde, war es auch in Leipzig und dabei konnten sich ganz besonders die faschistischen Elemente, die sich in der Querdenker-Bewegung herumtreiben, als die Sperrspitze und Vorkämpfer der ganzen Bewegung inszenieren. Es wurde eine große Kampagne rund um die Ereignisse von Leipzig entwickelt, in der die Vertreter der Exekutive, aber auch andere bürgerliche Politiker ihre Stimme erhoben und die Gerichtsentscheidung, die die Demonstration erlaubt hatte, niederschrien. Die Judikative wurde an den Pranger gestellt, Vorwürfe wurden laut und die Frage „Wie konnte die Judikative es wagen sich gegen die Exekutive stellen und das zulassen“ durchbrach die ohnehin schon angeschlagen Säule der bürgerlichen Gewaltenteilung. Was die Kampagne somit bewirkte, ist eine Einschüchterung der Judikative, die nun damit beginnt hinter der Exekutive herzutrotten. Nachdem sich die Parlamente seit Beginn des Ausnahmezustandes im Frühjahr schon weitgehend selbst beschnitten hatten.Von den drei Säulen, die die bürgerliche Gewaltenteilung bilden, bröckeln zwei, während eine – die Exekutive – stärker ist denn je.
In Bremen spiegelte sich also der Erfolg der Kampagne, die nach Leipzig entwickelt wurde, wider. Grundlegende demokratische Rechte wie das Versammlungsrecht werden weiter abgeschafft, die Judikative wird eingeschüchtert und beschnitten, wodurch der Exekutiven ein noch größerer Spielraum eingeräumt wird und im allgemeinen die Tendenz zur Abschaffung der Gewaltenteilung des bürgerlichen Staates weiter forciert wird. Für keinen ernsthaften Revolutionär und für keinen ehrlichen Antifaschisten kann das Verbot der sogenannten Querdenker-Demo in Bremen also einen Anlass zur Freude bieten, denn dieses ist direkt geknüpft an diese Entwicklungen. Zumal die gesamte Argumentation, auf der das Verbot der Demonstration aufbaut, keineswegs nur auf Querdenker-Demos spezifiziert ist und angewandt werden kann. Auch eine kämpferische und widerständige, antifaschistische Bewegung könnte mit solchen Verboten belegt werden, es wäre also total absurd zu begrüßen, was am 5. Dezember passiert ist. Dazu kommt, dass kein aufrechter Antifaschist dafür sein kann, wenn der Staat sich mit seinen Bullen in den angeblich antifaschistischen Kampf einreihen würde und macht, was er am Wochenende in Bremen gemacht hat. Wie kann man es begrüßen, wenn der Staat wie in Bremen sechs Wasserwerfer auffährt, Helikopter die Stadt überfliegen, Polizisten aus allen Teilen der Republik angekarrt werden und die ganze Stadt zum reinsten Besatzungsgebiet der Bullen wird, weil er angeblich irgendwelche Faschisten, Verschwörungstheoretiker und andere Reaktionäre bekämpfen würde. Wie können irgendwelche selbsternannten Antifaschisten damit anfangen sich in den sogenannten sozialen Medien zu wünschen, dass die Bullen die Querdenker „richtig nass machen“. Und es sollte noch einmal ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob eine Parole wie „Maske Auf“, also etwas was vor allem vom deutschen Staat hochgehalten wird, wirklich auch eine geeignete Parole für eine kämpferische antifaschistische Bewegung ist. Es sollte klar sein, doch um das nochmal zu betonen: Die Bullen haben am 5. Dezember selbst wieder gezeigt, dass sie nicht auf unserer Seite stehen, als sie knapp 40 Antifaschisten kesselten, kontrollierten und Ermittlungsverfahren einleiteten. Entsprechend war dieser Tag alles andere als ein Erfolg für die antifaschistische Bewegung. Vielmehr hat der deutsche Staat ein neues Zeichen gesetzt, wie er sich als Polizeistaat manifestiert.
So darf es nicht sein, dass die revolutionäre Bewegung, die progressiven Kräfte und die Antifaschisten in diesem Land schlafen oder auf die Tricks des Staates hereinfallen. Auf Schemata und Buchgläubigkeit zu beharren, reicht in einem komplex entwickelten Klassenkampf nicht, er verlangt mehr. Das bedeutet auch zu sehen, dass die sogenannte Querdenker-Bewegung trotz ihrer reaktionären Führung und trotz all der Faschisten, der Verschwörungstheoretiker und anderer Reaktionäre nicht ausschließlich aus solchen besteht. Im jetzigen Moment ist es die Aufgabe der revolutionären Bewegung, den Notwendigkeiten eines komplex entwickelten Klassenkampfes zu entsprechen. D.h. auch die Verteidigung der demokratischen Rechte und den Kampf gegen den Ausnahmezustand als eine wichtige politische Notwendigkeit des Proletariats auf die Tagesordnung zu setzen. Wer diese Komplexität des Klassenkampfes und somit die Widersprüche (dazu gehören auch und vor allem die Widersprüche im Volk) nicht versteht oder sich weigert diese zu verstehen, sollte seine Tätigkeit noch einmal gründlich überlegen, statt der Agenda der Bourgeoisie zu folgen. Die selbstkritische Alternative wäre, diesen Kampf um grundlegende politische Interessen der Arbeiterklasse nicht den Faschisten und Reaktionären zu überlassen, eine tatsächlich revolutionäre Antwort zu finden und die progressiven Elemente, die sich zu den sogenannten Querdenken Demos hingezogen fühlen, in diesen Kampf mit einzubinden.