Erfolgreich vertuscht: wie der Staat die rechte Schattenarmee freispricht

Als Teil des „Kreuz-Netzwerks“ bereitete sich die faschistische Gruppe „Nordkreuz“ auf die Ermordung von Linken und Migrant:innen vor. Angeführt wurde sie von Spezialeinheiten der Polizei und der Bundeswehr. Nun wurden die Ermittlungen gegen zwei Mitglieder eingestellt. Damit setzt sich die Vertuschungsaktion fort. – ein Kommentar von Tim Losowski
Erneut ist ein Ermittlungsverfahren gegen Teile des faschistischen „Kreuz-Netzwerks“ mehr als glimpflich verlaufen: Die oberste Behörde für Terrorismus-Verfolgung in Deutschland – die Generalbundesanwaltschaft – hat das Verfahren gegen zwei Mitglieder der faschistischen Gruppe „Nordkreuz“ nach vier Jahren Ende Dezember eingestellt. Erst auf Nachfrage teilte dies ein Sprecher der Generalbundesanwaltschaft gegenüber der DPA mit.

Dabei handelte es sich zum einen um einen Rostocker Rechtsanwalt und Bürgerschaftsabgeordneten, der früher in der FDP war. Mehr als 5.000 Namen wurden im Büro des Anwalts gefunden: öffentliche Funktionsträger, JournalistInnen und etwa hundert PolitikerInnen, die meisten von ihnen aus Mecklenburg-Vorpommern – sie alle landeten auf einer Todesliste.

Er war offenbar ein überzeugter Neonazi. So soll er ein Wettschießen veranstaltet haben und den Wanderpokal für den Sieger nach Mehmet Turgut, benannt haben. Turgut wurde am 25. Februar 2004 in Rostock vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ erschossen.

Er unterhielt zudem enge Kontakte in die Führung der Identitären Bewegung sowie zum ehemaligen AfD-Politiker Holger Arppe. In einem internen Chat schrieb Arppe einmal über den Rechtsanwalt: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrückt spielen, bin ich vorbereitet.“

Ätzkalk und Leichensäcke
Des Weiteren ging es bei den Terror-Ermittlungen um einen Kriminaloberkommissar, der auch Mitglied der AfD war. Er soll über seinen Dienstcomputer Namen und Adressen einer „Todesliste“ erforscht haben, die bei Razzien gegen die Gruppe Nordkreuz gefunden wurden. Er war auch bei einem konspirativen Treffen anwesend, über welches die taz berichtete.

Dort traf er sich zusammen mit dem Nordkreuz-Leiter und SEK-Polizisten Marco G. sowie dem Major Horst S.. Dieser war bis März 2017 Vizelandeschef des Reservistenverbands von Mecklenburg-Vorpommern sowie Vizekommandeur der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr).

Auf dem Treffen wurde u.a. darüber debattiert, ob man am „Tag X“ Linke in Bundeswehr-LKWs an bestimmte Orte bringen könnte, um sie dort zu erschießen. Dabei handelte es sich nicht um „Planspiele“: So wurde unter anderem eine Bestellliste gefunden, auf der auch 200 Leichensäcke und Ätzkalk vermerkt waren – um die Verwesung der erschossenen Linken und Migrant:innen zu beschleunigen.

Teil eines bundesweiten Netzwerks
Aufgedeckt wurde die Gruppe „Nordkreuz“, nachdem im April 2017 der Bundeswehroffizier Franco A. festgenommen wurde. Er soll geplant haben, Anschläge auf deutsche Politiker:innen zu begehen. Anschließend sollten diese Anschläge Flüchtlingen in die Schuhe geschoben werden. Dafür hatte sich Franco A. bereits eine passende Identität besorgt.

Die folgenden Ermittlungen machten deutlich: Es handelte sich nicht um einen „verrückten Einzeltäter“. Der faschistische Oberleutnant war Teil eines Netzwerks, das sich deutschlandweit unter den Namen „Nord-“, „West-“, „Ost-“ und „Südkreuz“ organisierte.

Hannibal und Uniter
Geleitet wurde das „Kreuz“-Netzwerk von Bundeswehr-Offizier André S. unter dem Online-Pseudonym „Hannibal“. Er ist nicht irgendjemand: Er war Mitglied der Eliteeinheit der Bundeswehr, dem „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) und bezahlter Informant des Bundeswehrgeheimdienstes MAD. Zusammen mit einem weiteren KSK-Elitesoldaten – der ebenfalls bis zum Jahr 2018 als Spitzel des MAD agierte – administrierte er die Telegram-Chatgruppen des „Kreuz“-Netzwerks.

Hannibal leitete nicht nur das „Kreuz“-Netzwerk. Er war auch Gründungsmitglied des Vereins „Uniter e.V“. Der Verein besteht vor allem aus aktiven und ehemaligen Polizisten und Elitesoldaten, aber auch Menschen aus der Sicherheitsbranche.

Uniter war genauso wie das Kreuz-Netzwerk strukturiert. Bis heute sind mindestens 12 Personen bekannt, die gleichzeitig Mitglied in Uniter und einem der Kreuz-Netzwerke waren. Wie die taz berichtet, würden Beteiligte „nicht zwischen den Uniter-Strukturen und den Chatgruppen [unterscheiden]; Für sie ist beides eins.“

Von Perspektive Online