Bradley Manning soll Wikileaks Video von einem verbrecherischen US-Luftangriff in Bagdad zugespielt haben. Dafür droht ihm jetzt die Höchststrafe.
Es wird eng für Bradley Manning. Im Fall des 23jährigen Obergefreiten der US-Armee, der sich seit Mai 2010 in Militärhaft befindet, hat das U.S. Army Criminal Investigation Command als zuständige militärische Strafverfolgungsbehörde jetzt das Ergebnis ihrer siebenmonatigen Ermittlungen bekanntgegeben. Manning soll sich während seiner Tätigkeit als Analyst einer Aufklärungseinheit der US-Armee in Irak »unerlaubt Zugang zu Softwareprogrammen auf Regierungscomputern verschafft haben, um Verschlußsachen herauszufiltern, diese rechtswidrig herunterzuladen, unsachgemäß zu speichern und die vertraulichen Daten zur Veröffentlichung und zur Nutzung durch den Feind zu übermitteln«, wie es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung der Armeeführung in Washington D.C. heißt.
Den Hintergrund der Vorwürfe bilden Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform Wikileaks, die Geheimdokumente der US-Kriegsführung in Afghanistan und Irak veröffentlicht hat. Manning wird verdächtigt, das Leck im Apparat zu sein. Unter anderem soll er Wikileaks Videoaufnahmen eines US-Luftangriffs in Bagdad im Jahr 2007 zugeleitet haben. Damals starben irakische Zivilisten und zwei Journalisten der Agentur Reuters unter dem gezielten Feuer aus US-Kampfhubschraubern, begleitet von menschenfeindlichen Kommentaren der Piloten. Wikileaks verbreitete das in Bild und Ton dokumentierte Kriegsverbrechen im April 2010 unter dem Titel »Kollateraler Mord«.
In der Folge des vorläufigen Ermittlungsberichts hat die US-Armee Manning in 22 Punkten unter Anklage gestellt. Der Hauptvorwurf lautet jetzt auf »Unterstützung des Feindes«, indem er »öffentliches Eigentum oder Daten gestohlen« und »verteidigungsrelevante Informationen« im Internet veröffentlicht habe, obwohl »er wußte, daß sie dann dem Feind zugänglich werden«. Hauptmann John Haberland, Justizsprecher der Armeeführung, wird in der Washingtoner Verlautbarung zitiert, die neuen Anklagepunkte belegten »sehr genau die Bandbreite der Verbrechen«, die man Manning vorwerfe.
Der Vorwurf »Unterstützung des Feindes« ist nach der US-Militärgesetzgebung ein Kapitalverbrechen und kann folglich mit der Todesstrafe geahndet werden. Die US-Anklagebehörde will aber nach einer Erklärung gegenüber Mannings Verteidigern nicht die Todesstrafe beantragen. Allerdings drohen Manning bei einer Verurteilung lebenslange Haft, Degradierung und die unehrenhafte Entlassung aus den Streitkräften bei Verlust aller Bezüge.
Jeff Paterson vom Unterstützungsnetzwerk für Bradley Manning zeigte sich in einer ersten Stellungnahme »schockiert« über die Zuspitzung der Anklagepunkte. Er bezeichnete es als Ironie, daß die Armeeführung zwar »die Möglichkeit herunterspielt, Manning hinrichten zu lassen«, die Todesstrafe aber ins Gespräch gebracht habe, während gleichzeitig alle Welt wisse, daß auch die »Veröffentlichung von Geheimdaten aus dem US-Außenministerium zu den Revolutionen und Revolten gegen die Diktaturen im Nahen Osten und in Nordafrika beigetragen haben«. Nun werde aber gerade derjenige mit dem Tod oder lebenslanger Haft bedroht, »dem man vorwirft, der erste Whistleblower in den USA zu sein, der sich also um die Informationsfreiheit und die Freiheit überhaupt verdient gemacht hat«, so Paterson.
Unterdessen wird Bradley Manning weiterhin im Militärgefängnis der Marine Corps Base in Quantico, Virginia, in strikter Isolationshaft gehalten. Verteidigung und Unterstützer gehen davon aus, daß die verschärften Haftbedingungen und die neue Anklage den mutmaßlichen Whistleblower unter Druck setzen und zu Aussagen bewegen wollen, die sich gegen ihn und den Wikileaks-Gründer Julian Assange verwenden lassen.
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Info: www.bradleymanning.org