Im sächsischen Vollzug wurden dieses Jahr sechs Menschen tot aufgefunden. Damit wurde ein neuer Höchststand seit 2011 erreicht. Während die Justizvollzugsanstalten sämtliche Fehler von sich weisen, ist der Standpunkt der Gefangenen-Gewerkschaft klar: „Es gibt keinen Selbstmord im Knast!“
Im sächsischen Strafvollzug wurden dieses Jahr sechs Menschen leblos aufgefunden. Auch wenn die Leiterin der Justizvollzugsanstalt, Rebecca Stange, meint, dass „der Umstand der Inhaftierung für die allermeisten Gefangenen eine Belastung“ darstelle, macht das die sechs Menschen nicht wieder lebendig.
Im Gegenteil: Durch Corona-Ausbrüche und der damit verbundenen noch strengeren Isolation gelangen auch die Gefangenen an ihre psychischen Grenzen. Rebecca Stange zählt auf, dass noch weitere Faktoren wie „Depressionen, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, der Umstand der Inhaftierung und die Urteilsverkündung“ Auslöser sein könnten.
Vor allem im ersten Monat der Inhaftierung gehe es den Inhaftierten schlecht: sie werden aus ihrem Umfeld herausgerissen und müssen sich in ihrer neuen Zwangsgemeinschaft einordnen und zurechtfinden. Ein sogenanntes „Screening-Verfahren“ (meint: psychologische Betreuung) soll den Inhaftierten vor allem in der ersten Zeit dabei helfen, mit dieser neuen Situation klarzukommen.
Auch wenn dieses Instrument angewendet wird, hat es beispielsweise bei der inhaftierten Sophie Kutscher, die am 2. August 2021 in der JVA Chemnitz leblos aufgefunden wurde, eben nicht funktioniert. Das Screening-Verfahren versagt zu oft. Darum klagt der Vater der Verstorbenen nun gegen die Anstaltspsychologin und weitere nicht bekannte JVA-Beamt:innen – bislang ohne Ergebnis.
Das Gefängnissystem ist das Problem!
In einem Zeitungsartikel des Mitteldeutschen Rundfunks werden die Inhaftierten dann auch einfach mal als „Selbstmörder“ beschrieben. Diese reißerische Formulierung bringt schmerzlich auf den Punkt, dass wahrscheinlich ein Großteil unserer Gesellschaft die meisten Gefangenen eigentlich für Gewalttäter:innen hält. Ein ganz fatales Signal für die Inhaftierten – vor allem während der Pandemie, wenn das psychische Leid aufgrund von Isolation und Quarantäne der Angehörigen immer größer wird.
Insgesamt muss leider festgestellt werden, dass die Todesrate in den Justizvollzugsanstalten möglicherweise nicht so hoch wäre, wenn den Menschen ein würdevolleres Leben und mehr soziale Teilhabe hinter Gittern möglich gemacht würde. So sagt die „Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation“ (GG/BO): „Auch möchten wir klarstellen, dass es unter den Zwangsbedingungen der Haft keinen selbstgewählten ‚Freitod‘ geben kann. Egal, ob Inhaftierte von Beamten ermordet werden oder ihrem Leben selbst ein Ende setzen: Ihr Tod geht auf Rechnung des Gefängnissystems.“
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