Nach 32 Tagen hat Herr Q. aus Mannheim seinen Hungerstreik beendet. Inzwischen ist er mit seiner Familie, der Ehefrau und drei Kindern, wieder zusammen. Am Donnerstag, den 28. Juni flogen sie von Amman (Jordanien) nach Frankfurt/Main und wurden auf dem Flughafen von Herrn Q. und UnterstützerInnen freudig begrüßt.
Sie werden in etwa einer Woche zusammen eine Wohnung beziehen – bis dahin sind sie noch in der AsylbewerberInnen-Unterkunft (Lager) in der Industriestraße in Mannheim untergebracht.
Herr Q. hat das Ziel seines Hungerstreiks, die Familienzusammenführung, nach monatelangem nicht bearbeitetem Antrag damit nun endlich erreicht.
Wir, die UnterstützerInnen vom Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim, dem International Legal Team Mannheim/Heidelberg sowie einige engagierte Einzelpersonen freuen uns sehr, dass der entschlossene Kampf von Herrn Q. letztlich erfolgreich war!
Auch die Sanspapiers haben den Hungerstreikenden in Mannheim begrüßt und ihm Erfolg gewünscht. Sie hatten sich vier Tage lang in Mannheim und zwei Tage in Heidelberg aufgehalten und haben am 16. Juni vor der AsylbewerberInnen-Unterkunft eine Kundgebung abgehalten. Danach demonstrierten sie zusammen mit AntirassistInnen aus Mannheim und der Region zum „Alten Messplatz“ in Mannheim Neckarstadt-West, wo die VeranstalterInnen der Afrikatage den Sanspapiers die Gelegenheit boten, von der Bühne aus ihre Forderungen zu verlesen. Die Sanspapiers waren am 2. Juni in Brüssel zu einem europäischen Marsch nach Straßburg aufgebrochen, wo sie am 2. Juli eintreffen werden. Sie werden zum Europaparlament und zum Europäischen Gerichtshof ziehen und ihre Forderungen dort überbringen: Sie protestieren gegen Ungerechtigkeit, Ungleichheit und gegen die Diskriminierung von Flüchtlingen, Menschen ohne Papiere sowie allen anderen betroffenen BürgerInnen (z.B. Erwerbslose, marginalisierte und prekarisierte Menschen). Insbesondere fordern die Sanspapiers Bewegungsfreiheit und Bleiberecht für alle, außerdem Bürgerrechte und Schutz für alle Asylsuchenden.
Herr Q. hatte am 16. Juni seinen Hungerstreik öffentlich gemacht. Die beiden kirchlichen Organisationen (Caritas und Diakonie), die die Aufgabe haben, die Flüchtlinge im Lager zu „betreuen“ wussten allerdings von Anfang an über seinen Streik Bescheid.
Herr Q. war jedoch nur vertröstet worden, als er darum bat, seinen vor einigen Monaten gestellten Antrag auf Familienzusammenführung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde in Mannheim zu unterstützen. Es war ihm lediglich geraten worden, die Sache „abzuwarten“.
Herr Q. sah sich nach fast einem halben Jahr Wartezeit gezwungen, mit seinem Leben für das Zusammenleben der Familie zu kämpfen. Der Hungerstreik war daher wohl begründet und alles andere als sinnlos – entgegen Äußerungen im Mannheimer Morgen und den dort wiedergegebenen Ansichten ausgerechnet einer Vertreterin der Caritas!
Während des Hungerstreiks wurden Herr Q. und seine UnterstützerInnen immer wieder behindert und schikaniert. Unter anderem wurde Herr Q. am Anfang des Hungerstreiks und einige Tage vor dessen Ende zwangsweise von Polizeibeamten in eine Klinik eingeliefert. BesucherInnen und einem Journalisten wurde mehrmals ohne Angabe eines Grundes willkürlich der Zutritt zum Hungerstreikenden verwehrt – es hieß lediglich: „Sie haben Hausverbot“. Offenbar hatte dies die Stadtverwaltung – unseres Erachtens ohne jegliche Rechtsgrundlage – angeordnet. Die Besuchsblockade wurde durch Angestellte einer am Eingangstor des Lagers im Dauereinsatz tätigen privaten Security-Firma und von herbeigerufenen PolizeibeamtInnen zum Teil mit Gewalt durchgesetzt.
Der Höhepunkt war die schon in einer vorherigen Presserklärung erwähnte Verweigerung des Zutritts des Arztes, der das Vertrauen des Hungerstreikenden genießt.
Herr Q. hat allen diesen Schikanen entschlossen widerstanden. Auf einer Pressekonferenz am 20.06.2012 hatte er eindringlich und überzeugend seinen Hungerstreik begründet; ebenso klar und nachvollziehbar die Gründe für seine Flucht dargelegt.
Wir freuen uns, dass ganz verschiedene Menschen für den legitimen Widerstand und den Hungerstreik von Herrn Q. Verständnis und Respekt aufbrachten und manche sich sehr solidarisch zeigten. Die Erfahrungen, die wir gewonnen haben, bestärken uns darin, mit aller Kraft weiter dafür zu kämpfen, dass Flüchtlinge die gleichen Rechte wie die MehrheitsbewohnerInnen in Deutschland und in ganz Europa erhalten und sie nicht länger von Staat und Behörden diskriminiert und ausgegrenzt werden.
Wir fordern die Schließung aller Lager und die Unterbringung der Flüchtlinge in normalen Wohnungen, ferner: Weg mit allen Sondergesetzen, keine Abschiebehaft, keine Abschiebungen, Bleiberecht für alle! Bürgerrechte für alle Flüchtlinge und MigrantInnen!
Kein Mensch ist illegal!
Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim und International Legal Team Mannheim/Heidelberg
Mannheim, den 29.06.2011