| Hungerstreikende in Strasbourg und der Türkei fordern politische Lösung der kurdischen Frage |
Europaweit haben sich tausende Kurden an befristeten Solidaritätshungerstreiks beteiligt. Bereits mehrfach fanden spektakuläre Aktionen statt mit dem Ziel, das Schweigen der Medien zu durchbrechen. Bereits Ende März besetzte eine Gruppe Jugendlicher den Eifelturm in Paris.
Zentrales Anliegen der Hungerstreikenden ist, auf die Situation des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan aufmerksam zu machen, den Millionen Kurden als ihren politischen Repräsentanten begreifen. Im Herbst 2010 hatte die türkische Regierung den Beginn eines Dialoges mit Öcalan eingestanden. Doch nach den Parlamentswahlen im Sommer 2012, aus denen sowohl die islamisch-konservative Regierungspartei AKP als auch die prokurdische Partei für Frieden und Demokratie (BDP) gestärkt hervorgingen, setzten sich die Hardliner im Staatsapparat mit ihrem Beharren auf einer repressiven Lösung durch. Über Öcalan wurde seit dem 27. Juli eine vollständige Kontaktsperre verhängt; weder Anwälte noch Familienmitglieder dürfen den Gefangenen besuchen, der Postverkehr wurde unterbunden.
Gesundheitszustand und Sicherheit Öcalans müßten auf die Tagesordnung der europäischen Institutionen gesetzt werden, fordern die Hungerstreikenden in Strasbourg vom Antifolterkomitee des Europarates (CPT) und verlangen einen Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali. Neben der Kommunistischen Partei Frankreichs und Bundestagsabgeordneten der deutschen Linkspartei äußerte auch der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu seine Besorgnis über die Isolationshaft von Öcalan.
In der Türkei befinden sich rund 9000 zivile kurdische Aktivisten und Politiker in Haft, darunter 31 Bürgermeister und sechs Parlamentsabgeordnete. Bei Militäroperationen wurden neben Guerillakämpfern in den letzten Monaten auch Dutzende Zivilisten getötet. »Mittäter bei diesem Staatsterror der Türkei gegen die Kurden sind auch die USA und die Europäische Union«, heißt es in einer Erklärung der Hungerstreikenden. »Die USA und die EU unterstützen den türkischen Staat auch aktiv in diesem Krieg: militärisch, politisch, ökonomisch sowie diplomatisch.«
Der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden verschlechtert sich zusehends. So wurde mit der 28jährigen Gülistan Hasan am Sonntag bereits die vierte Teilnehmerin in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie allerdings jegliche Behandlung verweigerte. In der bislang einzigen Reaktion des Europarates auf die kurdischen Proteste zeigte sich dessen Generalsekretär Thorbjörn Jagland am Wochenende »äußerst besorgt um die Gesundheitslage« der Hungerstreikenden. Zudem bezeichnete der norwegische Sozialdemokrat die Aktion als »kontraproduktiv«, da die Institutionen des Europarates ihrer Arbeit nur ohne äußeren Druck effektiv nachgehen könnten.