Nach dem Freispruch vom Vorwurf der Körperverletzung und Beleidigung wurde unser:e Genoss:in Baki mit fadenscheiniger Argumentation wegen Nötigung verurteilt. Im Anschluss trat die Springerpresse eine Hetzkampagne los.
Am Donnerstagmorgen fand am Amtsgericht in Berlin-Mitte der Prozess gegen unsere:n Genoss:in Baki Devrimkaya statt. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Lahav Shapira warfen Baki Körperverletzung und antisemitische Beleidigung vor. Die Straftaten hätten sich angeblich bei einer Besetzung von Studierenden der Freien Universität (FU) im Dezember 2023 ereignet, die sich gegen die einseitige Positionierung der Universität und ihr Schweigen zu den zivilen Opfern in Gaza richtete.
Das Gericht sprach Baki von diesen Vorwürfen frei, da die Beweise dem eindeutig widersprachen. Die Richterin bestätigte, dass weder eine Körperverletzung noch angeblich antisemitische Beleidigungen nachgewiesen werden konnten. Wie Videoaufnahmen zeigten, war Shapira Teil einer Gruppe, die die Besetzung störte. Er griff Baki an, die als Ordner:in die Besetzung unterstützte, während von Baki keine Aggression ausging. Shapira, der mit einer Verdrehung der Tatsachen unsere:n Genoss:in vor Gericht zerrte, war bereits zuvor durch wiederholte grenzüberschreitende Handlungen bei palästinasolidarischen Veranstaltungen negativ aufgefallen.
Aufgrund der eindeutigen Beweise schwenkten die Staatsanwaltschaft und Shapira auf eine andere juristische Strategie um. Der neue Vorwurf lautete Nötigung, für den Baki letztlich zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt wurde. Konkret geht es darum, dass Baki als Ordner:in ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllte und so den Störer Shapira dessen eigener Aussage zufolge „für fünf bis 15 Minuten“ friedlich am Eindringen in die Versammlung hindern konnte. Nachdem Shapira zuvor durch aggressives Verhalten und das Abreißen von Plakaten aufgefallen war, sollte die Verweigerung des Zutritts zum Hörsaal weitere Provokationen unterbinden. Die Verteidigung berief sich auf das Berliner Versammlungsgesetz, das den Ausschluss von Störern von Versammlungen ausdrücklich erlaubt.
Diese Argumentation ließ die Richterin allerdings nicht gelten und sprach eine Verurteilung nur in dieser Sache aus. Es handelt sich um ein vorgeschobenes juristisches Manöver, um trotz der eindeutigen Unschuld von Baki eine Verurteilung herbeizuführen. Ordner:innen-Aufgaben durchzuführen, wird dadurch kriminalisiert.
Das erstinstanzliche Urteil bedeutet deshalb eine eindeutige Einschränkung der Versammlungsfreiheit, da Organisator:innen von Aktionen das Recht abgesprochen wird, ihre Veranstaltungen gegen Störer:innen zu schützen. Nachdem sich Baki von der hetzerischen Anklage wegen angeblicher Körperverletzung nicht einschüchtern ließ und sich der Vorwurf als völlig haltlos erwies, wurde ein neuer Einschüchterungsversuch gegen die gesamte palästina-solidarische Bewegung und Linke aus dem Hut gezaubert. Es ist notwendig, dagegen Solidarität zu zeigen, damit sich dieses Beispiel nicht verallgemeinern kann.
Rechte Hetze durch BILD und Co.
Aus verschiedenen Zeitungen kamen bereits Stellungnahmen und Hetze gegen Baki und die palästinasolidarische Bewegung.
So verschwiegen Tagesschau, Tagesspiegel, BILD und andere, dass die Richterin selber sagte, Shapira sei nicht wegen seines jüdischen Glaubens vom Hörsaal ferngehalten worden. Sie schreiben lediglich, dass der Vorwurf wegen Formalia fallen gelassen werden musste. Dadurch unterstellen diese Zeitungen Baki ein antisemitisches Motiv. Die BILD beschwert sich über die aus ihrer Sicht zu geringe Strafe und schreibt sogar von „Juden-Hass“ an der Berliner Uni, um den Protest gegen den Genozid zu delegitimieren und Baki als Feindbild zu stilisieren.
Allerdings konnten durch Videomaterial weder antisemitische Beleidigungen, noch überhaupt Beleidigungen vonseiten unserer angeklagten Genoss:in festgestellt werden. Auch das FU-Präsidium musste nach der Besetzung im Dezember 2023 einräumen: „Berichte, denen zufolge Personen wegen ihres Glaubens oder ihrer Nationalität nicht in den Hörsaal gelassen wurden, treffen nicht zu.“
Von der Klägerseite wurde daraufhin eingebracht, dass Bakis Organisierung bei Klasse Gegen Klasse für ein antisemitisches Motiv spräche, aufgrund von veröffentlichten Artikeln, die den Staat Israel kritisieren. Die Richterin musste anerkennen, dass die Organisierung bei Klasse Gegen Klasse nicht antisemitisch ist. Der Vorwurf des Antisemitismus wird oft benutzt, um jegliche Kritik am Staat Israel zu delegitimieren. Antisemitismus kann aber nicht mit Antizionismus gleichgesetzt werden. Dass dies nun auch vor Gericht anerkannt wurde, ist ein Erfolg der palästinasolidarischen Bewegung.
Auch liest man in den Artikeln der Zeitungen nichts dazu, dass Lahav Shapira selber mit provokativem Verhalten aufgetreten ist und vor Gericht zugegeben hat, Plakate während der Besetzung im Dezember 2023 abgerissen zu haben. Auf diesen Plakaten war neben einem toten Kind aus Gaza eine Landkarte zu sehen, die die Vertreibung der Palästinenser:innen aus dem Gebiet darstellt, das heute Israel ist. Auch riss Lahav Shapira ein Plakat mit folgendem Zitat von Nelson Mandela ab: „Wenn man einem Menschen verbietet, das Leben zu leben, das er für richtig hält, hat er keine andere Wahl, als ein Rebell zu werden.“
Die Nebenklage versuchte des Weiteren, unsere Genoss:in in die Nähe der Monate später stattgefundenen Gewalttat an Lahav Shapira zu rücken, bei der dieser schwer verletzt wurde. Tatsächlich verurteilte Baki diese Tat vor Gericht. Dennoch argumentierte Shapira, Baki habe an einer „Hetzjagd“ auf ihn teilgenommen, die schließlich zu der späteren Tat geführt habe. Wir sagen es hier erneut in aller Klarheit: Baki steht in keinem Zusammenhang mit dieser Tat – weder persönlich, noch politisch. Wir wehren uns in aller Härte gegen die unkritische Übernahme dieses Narrativs in verschiedenen Medien, die unsere Genoss:in zur Zielscheibe rassistischen Hasses und gefährlicher Gewalt machen.
Die Diffamierungen in der Presse müssen als Versuch gewertet werden, der wachsenden Empörung über die genozidale Politik Israels entgegenzuwirken. Immer mehr Menschen klagen an, dass die deutsche Regierung diese Politik mit Worten und Taten unterstützt.
Unterstützer:innen gab es viele
In diesem Zuge fand am Vormittag des 17. Juli während Bakis Prozess eine kämpferische Kundgebung statt. Die bis zu 100 solidarisch Unterstützenden klagten die Repressionswelle an, die nicht nur berlinweit, sondern auch auf nationaler und internationaler Ebene die palästinasolidarische Bewegung angreift. Am selben Tag wie Bakis Prozess fanden vier weitere Prozesse gegen Protestierende statt. Wie Baki selber in ihrer Rede nach der Gerichtsverhandlung betonte, müssen wir uns deswegen auch auf internationaler Ebene gegen die imperialistischen Regierungen stellen, die Israel unterstützen. Baki hob dabei auch die vielen internationalen Solidaritätsbotschaften hervor, die im Vorfeld des Prozesses ihren Freispruch forderten.
Verschiedene Einzelpersonen und Gruppen betonten vor Ort ihre Solidarität. Neben der Revolutionären Internationalistischen Organisation und ihrer Hochschulgruppe Waffen der Kritik waren Palestine at the Forefront, Mera25, Jüdische Stimme, Palästina Kampagne, die Revolutionär Sozialistische Organisation, die Gruppe Arbeiter:innenmacht, der kämpferische Hafenarbeiter Toralf, die Students Coalition Berlin, Hands off Students Rights, Migrantifa Berlin, Pride Rebellion und die Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands präsent vor Ort.
Gemeinsam wollen wir gegen die weitere Kriminalisierung der palästina-solidarischen Bewegung und gegen das heutige Urteil, welches einen Angriff auf die Versammlungsfreiheit darstellt, stehen. Lasst uns diese Solidarität ausweiten!