usa.knast

Gefängnisleiter liest mit

US-Staat Pennsylvania verschärft die Haftbedingungen: Post läuft über Privatunternehmen

Im Strafvollzug Pennsylvanias werden die Repressionsschrauben angezogen. Anfang September wurden alle Häftlinge in den 27 Gefängnissen des US-Bundesstaats rund um die Uhr in ihren Zellen eingesperrt. Zunächst für zwei Wochen. Kein Hofgang mehr, keine Besuche oder Post von draußen. Fünf Tage nach dem ohne Erklärung verhängten Einschluss und dem Kappen aller Verbindungen nach draußen erließ das »Department of Corrections« (DOC), die Gefängnisbehörde Pennsylvanias, mit dem Segen von Gouverneur Thomas Wolf (Demokraten) am 10. September neue Richtlinien für alle Außenkontakte der etwa 50.000 Inhaftierten des Ostküstenstaats.

Seither wird die gesamte Korrespondenz der Gefangenen an eine Privatfirma in Florida umgeleitet. Das Unternehmen namens Smart Communications scannt jeden Brief samt Beilagen und speichert ihn in einer Datenbank, bevor das Original vernichtet und dem Gefangenen nur noch ein Ausdruck der Datei ausgehändigt wird. Sieben Jahre lang darf das Unternehmen, das sich in Pressemitteilungen rühmt, noch »weitere 19 Behörden in den USA und 50 Kunden weltweit« zu betreuen, diese Daten der Häftlinge, ihrer Familien, Freunde und sonstiger Kontaktpersonen speichern, um sie für alle Behörden zugänglich zu halten.

Große Aufregung herrscht darüber, dass nach dem Willen des DOC neuerdings auch die Verteidigerpost von Anstaltsbeamten fotokopiert werden muss. Angeblich soll auch mit dieser Maßnahme der Drogenfluss in die Gefängnisse gestoppt werden. Die Tageszeitung The Philadelphia Inquirer kritisierte »diese neue beispiellose Strategie für den Umgang mit Verteidigerpost«. Bislang hätten Justizbeamte diese Postsendungen in Gegenwart des Gefangenen geöffnet, sie nach eventuell vorhandener »Schmuggelware« durchsucht, dann sofort ungelesen dem Empfänger übergeben.

Strafverteidiger und Zivilanwälte, die Häftlinge vertreten und monatlich 50, 100 und mehr Schreiben an ihre Mandanten schickten, seien über diese neue Perspektive »in Panik geraten«, schreibt das Blatt. Viele Anwältinnen und Anwälte, unter anderem von der American Civil Liberties Union (­ACLU), dem Pennsylvania Institutional Law Project (­PILP), erklärten, ab sofort könnten sie vertrauliche Dokumente »aus ethischen Gründen« nicht mehr an ihre Mandanten senden, »wenn die Gefahr besteht, dass der Anstaltsleiter sie liest«. Immerhin gehe es darin auch um Anzeigen von Häftlingen gegen Wärter wegen Körperverletzung im Amt, monierte Alexandra Morgan-Kurtz vom PILP in Pittsburgh.

Vic Walczak, Leiter der Rechtsabteilung der Bürgerrechtsorganisation ­ACLU in Pennsylvania, erklärte dem Inquirer, die Praktiken des DOC beschädigten das Recht des Mandanten auf ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem Anwalt erheblich. Er und seine Kollegen hätten inzwischen aufgehört, per Post mit ihren Mandanten zu kommunizieren. Gegen den Bundesstaat werde deshalb »in den nächsten Wochen« Klage wegen Verletzung der Verfassung eingereicht, so Walczak.

Für das DOC behauptete Sprecherin Amy Worden Anfang Oktober laut Inquirer, die Vertraulichkeit sei gewährleistet, da die Brieforiginale in einem versiegelten Umschlag an die Vertragsfirma übergeben würden, die auf die Vernichtung vertraulicher Dokumente spezialisiert sei. Anwälte entgegneten, es gebe Berichte, wonach sich ihre Post in den Anstalten »auf Schreibtischen oder in Müllsäcken« stapele.

Die Gefangenen wollen gegen die weitere Aushebelung ihrer Rechte und Ausspähung ihrer Kommunikation zur direkten Aktion übergehen. Das System ein- und ausgehender Post, die »über die dritte Partei umgeleitet wird«, wollen sie bestreiken. Gefangene müssten »als kollektive Front handeln«, erklärte Bryant Arroyo, Aktivist aus dem Staatsgefängnis SCI Frackville, Ende September in Workers World, Parteizeitung der trotzkistischen Workers World Party. Nicht zufällig habe das DOC die neuen Repressalien während des Arbeitsstreiks umgesetzt, der landesweit in den USA vom 21. August bis 9. September stattfand. Auch Insassen in Pennsylvania waren in den Ausstand getreten. Wie ihre Anwälte wollen nun auch die Häftlinge nur noch über persönliche Besuche kommunizieren, »bis unsere Rechte wiederhergestellt sind«, so Arroyo.
junge Welt 8.10.18
Von Jürgen Heiser