„Genozid beginnt hier“ – Über 100 Menschen beim Shut Elbit Down Camp in Ulm

Vom 17. bis 21. September campten zahlreiche Aktivist:innen vor einem Standort des israelischen Waffenherstellers Elbit Systems in Ulm. Am Samstag fand das Protestcamp mit einer Großdemonstration seinen Abschluss. Perspektive hat einen Blick auf die Proteste geworfen und mit den Organisator:innen über ihre Aktionen gesprochen.
„Elbits Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt“ – unter anderem mit dieser Parole zogen am Samstag rund 800 Demonstrant:innen durch die Ulmer Innenstadt und drückten ihren Protest gegen den israelischen Rüstungshersteller Elbit Systems aus.

Darüber hinaus campten bereits seit Dienstag zwischenzeitlich über 100 Personen beim Shut Elbit Down Camp. Dieses wurde ebenfalls in Ulm vor einer Zweigstelle von Elbit aufgebaut. Über die Woche wurden ausgehend vom Camp immer wieder verschiedene Aktivitäten und Aktionen organisiert. So beispielsweise auch eine spontane Kundgebung vor einer Außenstelle der JVA am Freitagabend. In der Zweigstelle sitzt derzeit ein Mitglied der „Ulm 5“ in U-Haft.

Als „Ulm 5“ werden die Aktivist:innen bezeichnet, die vor wenigen Wochen im Rahmen einer Protestaktion bei Elbit Systems einbrachen und dort einen Schaden von rund 1 Million Euro verursachten. Sie agieren unter dem Namen Palestine Action – ursprünglich ein britisches Netzwerk, das direkte Aktionen gegen Rüstungsfirmen und Profiteur:innen des Genozids an den Palästinenser:innen organisiert.

Nach intensiver Kampagnenarbeit und wiederholten Blockaden mussten vier der Niederlassungen von Elbit Systems, in Oldham, London, Tamworth und Bristol schließen. Daran beteiligten sich neben Palestine Action auch lokale Friedensgruppen und zum Beispiel in Oldham auch die kaschmirische Community.

Das Camp zeigte sich solidarisch mit verschiedenen Aktionsformen und hält eine „Vielfalt an Taktiken für legitim, die darauf abzielen, die Rüstungsproduktion zu behindern, welche den Genozid in Palästina weiter befeuert“. Gleichzeitig verstehen sie den Charakter ihres eigenen Camps anders. Das Camp beteilige sich nicht an der Zerstörung von Eigentum, sondern ziele darauf ab, über die Kriegstreiberei von Elbit Systems aufzuklären und sich untereinander zu vernetzen.

Repression gegen Demonstrierende
Im Verlauf der Aktionswoche kam es dennoch immer wieder zu Angriffen der Polizei auf das Camp. Bereits am Donnerstag wurden bei verschiedenen Aktionen fünf Personen festgenommen. In drei Fällen wurden die Personen in die Gefangenensammelstelle gebracht, in einem Fall soll die Polizei Pfefferspray gegen eine Aktivist:in eingesetzt haben.

In einem weiteren Fall genehmigte die Stadt eine spontane Kundgebung vor der JVA Außenstelle am Freitagabend nicht, so dass diese mittendrin abgebrochen werden musste. Die Versammlungsbehörde ließ zudem den Protest auf dem mehrere Meter breiten Fußgängerweg vor Elbit Systems in der Heidenheimer Straße nicht zu. „Stattdessen demonstrieren wir auf der anderen Straßenseite, um weiterhin sichtbar zu sein“, so Leila E.* vom Bündnis Shut Elbit Down.

Zudem beinhalteten die Auflagen auch das in Baden-Württemberg weit verbreitete Verbot der Nutzung des Satzes „From the river to the sea, Palestine will be free“. Obwohl verschiedene Gerichte in Deutschland auch schon festgestellt haben, dass dieser Spruch nicht eindeutig der Hamas zuzuschreiben ist, versucht die Polizei diese Parole zu unterdrücken.

Die Versammlungsbehörde der Stadt Ulm drohte sogar, das Camp aufzulösen, nachdem der Spruch laut Polizei einmalig gerufen wurde. Und das, obwohl die Versammlungsleitung wiederholt auf das in den Auflagen ausformulierte Verbot des Spruchs hinwies.

Wer ist Elbit Systems?
Elbit Systems ist der größte private israelische Waffenhersteller und gehört zu den Hauptproduzenten des israelischen Militärs. Elbit produziert laut der Datenbank für israelische Militär- und Sicherheits­exporte (DIMSE) 85 Prozent der Drohnen und bis zu 85 Prozent des Bodenequipments, die vom israelischen Staat – unter anderem im Gazastreifen – eingesetzt werden. Ein großer Teil der Artillerie, elektronischen Kriegsführung und Munition wird ebenfalls von Elbit produziert.

Derzeit verfügt der Konzern über zwei Produktionsstandorte in Deutschland. Sowie über Büros in Berlin und Koblenz. In Norddeutschland, vermutlich in Wilhelmshaven, soll seit August eine weitere Niederlassung existieren. In dieser sollen Aufträge aus dem maritimen Bereich umgesetzt und somit die Bandbreite von Elbit ausgebaut werden.

Leila fasste einen Teil der Recherchen des Bündnisses dazu in einem Interview mit Perspektive zusammen: „Elbits Skylark und Hermes UAV Drohnen werden seit Jahren in der Westbank und in Gaza für Überwachung und willkürliche Festnahmen verwendet. Elbit-System-Bomben werden teilweise explizit für dicht besiedelte städtische Kriegsführung entwickelt und nachweislich für Angriffe u. a. auf Notfallzentren verwendet.

Elbit liefert auch an andere Regime Besatzungstechnologien zur Unterdrückung indigener Bevölkerungen, wie zum Beispiel in der Westsahara und Kaschmir. Nicht zuletzt wird Elbit-System-Grenztechnologie neben dem Gazastreifen auch an Grenzen wie der US-mexikanischen eingesetzt. Es zeigt sich also deutlich, dass Elbit auf einer Vielzahl an Ebenen unterdrückerische, tödliche und genozidale Besatzungs- und Grenzregime unterstützt.“

An seinem Produktionsstandort in Deutschland stellt Elbit außerdem Telekommunikationssysteme für die Bundeswehr her.

Deutschland als Mittäter im Völkermord
Die Organisator:innen des Shut Elbit Down Camps betonen dabei nicht nur die Rolle Israels, sondern auch die Komplizenschaft Deutschlands und Europas:

„Deutschland genehmigt laufend Waffenexporte an Israel und die Produktion dieser tödlichen Kriegsmaschinerie auf deutschem Boden. Wir fordern einen umgehenden Stopp der Militärkooperation mit Israel und ein Ende der Rüstungsproduktion: Elbit Systems raus aus Ulm, Elbit Systems raus aus Deutschland, Elbit Systems entwaffnen!

Wir müssen Druck auf Elbit Systems und die Stadt Ulm aufbauen und zeigen, dass wir nicht nachgeben werden, bis Elbit aus Deutschland raus ist. Wenn dieser Druck nicht von der Regierung kommt, dann müssen wir von unten Druck machen – deswegen unterstützen wir eine Vielzahl an Taktiken mit dem Ziel, Elbit System zu zeigen: Wir lassen hier keine Produktion von Kriegsmaschinerie zu. Wir werden weiter laut und aktiv sein, bis es für Elbit unrentabel wird, hier weiter zu produzieren.

Wir zeigen mit dem Camp, dass die Forderung Shut Elbit Systems Down nur ein erster wichtiger Schritt ist – wir fordern ein Ende der Belagerung des Gazastreifens und des Genozids, ein Ende der Besatzung!“

Darüber hinaus sei Elbit Systems eng mit der europäischen Verteidigungsindustrie verwoben und produziere Sensorik, Zielerfassungselektronik und Gefechtsüberwachungssoftware für einige der größten europäischen Waffenfirmen. Dazu zählen Airbus, Rheinmetall und Diehl Defence, sowie mit Thales aus Frankreich, Leonardo aus Italien und BAE Systems aus Großbritannien.

Erst kürzlich soll Österreich für das Bundesheer 315 Überwachungsdrohnen von Elbit Systems Deutschland, also aus Ulm, angeschafft haben.

Nachbar:innencafé und
Unter der Woche gab es Workshops zur Wissensvermittlung zu Elbit Systems und seiner Verwicklung mit anderen Rüstungsunternehmen. Auch Infoveranstaltungen, um der zunehmenden Kriminalisierung der Palästina-solidarischen Bewegung etwas entgegensetzen zu können, stießen auf Interesse. Gut besucht waren auch die Vorträge und Workshops zu der Schwesterkampagne gegen Elbit in Schweden.

„Da es uns wichtig ist, auch lokal verankert zu sein, haben wir auch zum Nachbarschafts-Kaffeetrinken eingeladen, um mit Anwohnerinnen ins Gespräch zu kommen“, erzählt die Aktivistin Leila Im Interview. Auch an den Workshops zu Elbit Systems sowie zu anderen Rüstungsfirmen in Ulm nahmen Nachbar:innen teil.

„Auf dem Camp werden zudem weitere Formate praktiziert, wie andere Protestformen, Infotische und weitere Möglichkeiten, die Ziele, Motive und den Hintergrund der Shut-Elbit-Down-Kampagne zu thematisieren, insbesondere den gegenwärtigen Genozid und die Besatzungs- und Vertreibungsgeschichte der Palästinenserinnen durch Israel.

Auf dem Camp selbst gibt es auch Weiterbildungsformate, wie Filmvorführungen und eine offene Bücherei für alle mit palästinensischer und antikolonialer Literatur“, so die Aktivistin.

Denn es gehe auf dem Camp um weit mehr als Elbit System. Der Rüstungskonzern sei ein Symptom für ein globales kapitalistisches System, in dem von Kriegstreiberei und der Unterdrückung widerständiger Bevölkerungen Profit geschlagen wird. „Dieser Genozid ist nur möglich, weil die Welt es zulässt und schweigt. Wir brechen dieses Schweigen und unterstützen diejenigen, die mit ihren Aktionen gegen das System vorgehen.“

https://perspektive-online.net/2025/09/genozid-beginnt-hier-ueber-100-menschen-beim-shut-elbit-down-camp-in-ulm