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Gesinnungsstrafrecht

Offensive gegen Kriegsgegner und Antifaschisten: In mehreren bundesdeutschen Knästen werden Linke wegen ihres politischen Engagements festgehalten

Bundeswehroberst Georg Klein. Er wurde drei Jahre nach der Ermordung von über 140 Afghanen durch die von ihm befohlene Bombardierung jetzt zum General befördert. Ein fälliges Verfahren wegen Kriegsverbrechen gegen ihn kam nie zustande. Passend dazu: Gerade in diesen Wochen geht aber die bundesdeutsche Justiz in mehreren Fällen gegen Kriegsgegner und Antifaschisten vor.

Totschlagvorwurf

So wirft z.B. die Staatsanwaltschaft Nürnberg dem 19jährigen Nazigegner Deniz K. vor, bei einer Demonstration am 31. März in Nürnberg Polizeibeamte mit einer zwei Zentimeter starken Fahnenstange aus Holz angegriffen zu haben (jW berichtete). Mittlerweile wollen die Vertreter der Anklage den jungen Mann sogar wegen »versuchten Totschlags« in fünf – und nicht wie bisher in zwei Fällen – auch weiterhin hinter Gittern sehen. Er soll auf gepanzerte und behelmte Polizisten eingeschlagen haben, um sie umzubringen, so die abenteuerliche Konstruktion. »In der Anklageschrift argumentiert die stellvertretende Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Ulrike Pauckstadt-Maihold, der weitgehende Vorwurf eines mehrfachen versuchten Totschlags – was ja einen Vorsatz beinhaltet – sei aufgrund der politischen Gesinnung geboten«, erklärte ein Sprecher des Solidaritätskomitees »Freiheit für Deniz K.« am Sonntag gegenüber jW. Die »Argumentationskette« der Justiz laufe darauf hinaus: Wegen seiner revolutionären Gesinnung hasse der Antifaschist die bürgerliche Ordnung, der Tod von deren Hütern sei ihm egal. Deniz K. ist bereits seit 21. April in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg inhaftiert und war dort in der Vergangenheit mehrfach Opfer von rassistischen Ausfällen und gewalttätigen Übergriffen des Wachpersonals.

Zweifelhafte Zeugen

Mit ähnlicher Härte geht auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen zwei betagte und unter ihrem schlechten Gesundheitszustand leidende Rentner vor, denen sie die Mitgliedschaft in der sozialrevolutionären Stadtguerillagruppe »Revolutionäre Zellen« (RZ) vorwirft. Demnach sollen die 1933 geborene Sonja Suder, die seit nunmehr über zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt, und ihr 70jähriger Lebensgefährte Christian Gauger Mitte der 1970er Jahre an Anschlägen der Guerillagruppe beteiligt gewesen (jW berichtete).

Der Prozeß beginnt am 21. September.

Rechtswidrig

Bereits am 5. September startet zudem vor dem Stuttgarter Landgericht die Berufungsverhandlung im Verfahren gegen einen unter dem Namen »Smily« bekannten Stuttgarter Antifaschisten und Aktivisten der »Red and Anarchist Skinheads« (RASH). Der Angeklagte wurde am 8. Februar von einem Sondereinsatzkommando der Polizei in seiner Wohnung festgenommen und sitzt seitdem in der JVA Stuttgart-Stammheim ein. Schon am 17. Februar war er – trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen – in erster Instanz vom dortigen Amtsgericht wegen angeblicher »Körperverletzung« eines Rechten sowie Sachbeschädigungen unter anderem an Polizeifahrzeugen zu einer Haftstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.

Es ist kein Geheimnis: Der herrschenden bundesdeutschen Politik und ihren sogenannten Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist zunehmend daran gelegen, Kritiker ihrer imperialistischen, also mörderischen internationalen Aktivitäten und ihrer Verwicklungen in den neofaschistischen Terror des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) mundtot zu machen. Wenn dies allerdings mit Hilfe derartig konstruierter, rechtswidriger Verfahren wie in den genannten Fällen geschieht, erhält die gegen die politische Linke gerichtete staatliche Repressionsstrategie eine neue Qualität.

 

Solidarität mit Inhaftierten: Daten und Termine

– Mittwoch, 5. September 2012, 9 Uhr, Prozeßbeginn gegen den Stuttgarter Antifaschisten »Smily« wegen einer angeblich von ihm begangenen Körperverletzung und Sachbeschädigung. Kundgebung um 8.15 Uhr vor dem Landgericht in Stuttgart. Als zweiter Verhandlungstag ist der 10. September (9 Uhr) vorgesehen. Informationen: www.­solikreis-stuttgart.tk

– Am 21. September beginnt vor dem Landgericht Frankfurt am Main der Prozeß gegen Sonja Suder und Christian Gauger. Ihnen wird vorgeworfen, an Anschlägen der »Revolutionären Zellen« (RZ) beteiligt gewesen zu sein. Am 20. September 2012, 19 Uhr, Informationsveranstaltung im Cafè Exzess (Leipziger Straße 91, Frankfurt am Main) mit den Verteidigern. Kundgebung am 21. September vor dem Landgericht (Seilerstraße/Konrad-Adenauer-Str., 8 Uhr). Informationen: www.verdammtlangquer.org

Die Verteidigung benötigt Spenden: Treuhandkonto Rechtsanwalt Hartmann, Kontonummer 35762087, Bankleitzahl (BLZ): 37050198, Sparkasse Köln/Bonn, Verwendungszweck (unbedingt angeben): Solidarität

– Der Prozeß gegen den wegen angeblich mehrfach versuchten Totschlags inhaftierten Antifaschisten Deniz K. soll nach derzeitigem Stand Ende Oktober in Nürnberg beginnen. Am Freitag, dem 7. September, 20 Uhr, Informationsveranstaltung im »New York im Bethanien«, Mariannenplatz, Berlin. Am Dienstag, dem 18. September, 20 Uhr, Solidaritätsveranstaltung im Tohum-Kulturverein (Nordbahnhofstraße) in Stuttgart. Für den 13. Oktober (14 Uhr, Aufseßplatz, Nürnberg) ist eine Solidaritätsdemonstration geplant. Informationen: denizk.blogsport.de

Auch in diesem Fall ist die Verteidigung auf Spenden angewiesen. Diese können auf folgendes Konto überwiesen werden: Rote Hilfe, Kontonummer 4007238359, BLZ: 43060967, Verwendungszweck: »Freiheit für Deniz«.

( bern)