BKA durchsucht Wohnungen in Sachsen-Anhalt, Berlin und Baden-Württemberg. Grund: Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
Von Susan Bonath, junge Welt 23.5.2013
Polizisten haben gestern 21 Wohnungen und Gebäude linker Aktivisten in Magdeburg, Berlin und Stuttgart durchsucht. Das teilte die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe am Mittwoch mit. Allein in der Hauptstadt seien zwölf Objekte durchforstet worden. In Magdeburg umstellten und stürmten Beamte gegen sechs Uhr morgens den alternativen Jugendtreff »Infoladen«. Verfügt hatte dies ein Ermittlungsrichter vom Bundesgerichtshof (BGH). Die Bundesanwaltschaft beschuldigt neun Personen, eine »linksextremistisch motivierte kriminelle Vereinigung« gebildet und Anschläge verübt zu haben. Insgesamt seien rund 300 Polizeibeamte des Bundeskriminalamtes und der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg im Einsatz gewesen.
Die Ermittler sind überzeugt, die Beschuldigten gehörten einer Nachfolgeorganisation der »militanten gruppe« (mg) an. Die hatte sich vor vier Jahren offiziell aufgelöst. Unter dem Namen »Revolutionäre Aktionszellen« (RAZ) sollen ihre Mitglieder 2009 Gebäude in der Hauptstadt mit Sprengstoff und Brandsätzen angegriffen haben. Betroffen waren das Amtsgericht und ein Jobcenter im Berliner Stadtteil Wedding sowie das Haus der Wirtschaft, das Amt für Stadtentwicklung und das Bundeshaus in Berlin-Charlottenburg. Ferner sollen sich die RAZ dazu bekannt haben, im März 2011 Pistolenpatronen an den Bundesinnenminister, den ständigen Vertreter des Generalbundesanwalts sowie einen Wissenschaftler versandt zu haben. Dabei haben sie angekündigt, die Geschosse »künftig per Expreß zu versenden«. Bei den Angriffen seien zu keiner Zeit Menschen verletzt worden, bekräftigt die Karlsruher Behörde. Da ein »staatsschutzrechtlicher Hintergrund« vorliege und der Fall »besonders bedeutsam« sei, sei der Generalbundesanwalt mit der Strafverfolgung beauftragt worden. »Ziel der Durchsuchungen ist es, Beweismittel zur Struktur der ›RAZ‹ und zu Straftaten zu gewinnen, zu denen sie sich bekannt haben«.
Nach jW-Informationen verdächtigen die Ermittler in Magdeburg einen Bewohner des Hauses, in dem sich der Jugendtreff »Infoladen« befindet. »Dennoch brachen Spezialkräfte der Polizei in private Räume und den ›Infoladen‹ ein«, kritisierten Vereinsmitglieder am gestrigen Mittwoch. Sie bemängelten zudem, »daß keine belastbaren Fakten für die Durchsuchung vorlagen«. So habe der BGH die Maßnahme im Beschluß damit begründet, »daß der Beschuldigte einen Schlüssel zu dem Laden besäße, sich somit dort aufgehalten oder Gegenstände abgelagert haben könnte«. Rechtsanwalt Uwe Bitter berichtete: »Ein sehr großes Polizeiaufgebot drang zuerst mit Sprengstoffspürhunden ein, zog aber unverrichteter Dinge wieder ab.« Danach hätten die Beamten »alles durchwühlt«, CDs und Gaskartuschen beschlagnahmt. »Letztere gehörten jedoch zu einem Grill und einem Kocher für Veranstaltungen auf dem Innenhof«, so Bitter. Ob am Ende etwas gefunden wurde, gab die Bundesanwaltschaft gegenüber jW bis zum Redaktionsschluß nicht bekannt.
Die Polizei hat den Infoladen seit längerem im Visier und bereits mehrfach durchsucht. Im vergangenen September etwa kassierten Beamte Computer, Datenträger, Mobiltelefone und persönliche Dinge eines Bewohners. Dieser soll im Januar 2012 nach Protesten gegen einen Neonaziaufmarsch und einer polizeilichen Verfolgungsjagd gegen Linke mit einer Betonplatte auf Beamte gezielt, aber nicht getroffen haben. Der Verein sieht darin »Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuche gegenüber linker Politik, die offenbar im Keim erstickt werden soll«.
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen warnte indes gegenüber Spiegel online vor »zunehmenden Straftaten gegen demokratische Parteien und deren Büros im Bundestagswahlkampf«. Auch zwischen »Salafisten und rechten und linken Extremisten« befürchtet er »künftig mehr Ausschreitungen«. »Sie lernen voneinander«, sagte er dem Magazin. Neonazis etwa hätten »das Autonomsein von Linken gelernt«.