In den Gefängnissen finden sich zahlreiche Menschen mit Drogenproblemen. Wohl erstmals in Deutschland sprach nun ein Gericht einem Inhaftierten das Recht auf eine Diamorphin-Substitution zu.
Drogenabhängigkeit in Vollzugsanstalten
Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass der Anteil der drogenabhängigen Gefangenen circa 30 – 40 % beträgt (vgl. Prof. Dr. Stöver, in „Forum Strafvollzug“, 2013, S. 275 ff;). Gegenüber der Allgemeinbevölkerung ist das rund der 70-fache Wert. Damit in Zusammenhang steht dann auch eine erhöhte Rate an Hepatitis- und HIV-Infektionen. Bei Hepatitis wird von einer Infiziertenrate von etwa 14 – 17 % ausgegangen und bei HIV von rund 0,8 – 1,2 %.
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An anderer Stelle habe ich über das Sterben eines schwerst drogenabhängigen und HIV-infizierten Gefangenen berichtet; aber nicht immer endet eine solche „Karriere“ tödlich.
Folgen der Drogenabhängigkeit
In jedem Gefängnis der Welt dürfte man an fast jede Droge gelangen, auch wenn mantraartig die Gefängnisleitungen beteuern, sie wüssten von keinem Drogenproblem oder es sei zumindest überschaubar. So hat in den letzten Jahren das Substitutionsmittel „Subutex“ eine ungeahnte Belebung des Drogenmarktes in den Gefängnissen bewirkt. Die Tabletten werden pulverisiert und dann zu Höchstpreisen (bis zu 100 Euro pro Tablette) veräußert. Zum einen geraten so viele Betroffene in die Schuldenfalle, zum anderen ist es bezeichnend für einen angeblich „menschenwürdigen“ Vollzug, wenn tausende Gefangene den Alltag nur dann aus- und durchhalten, wenn sie Drogen konsumieren.
Legale Substitution strong>
Während der subkulturelle Handel mit Subutex, wie mit anderen Drogen, strafbar ist und auch von den Anstalten und Gerichten, so denn Fälle bekannt werden, geahndet werden, gibt es in einigen Bundesländern quasi „Drogen auf Rezept“, wie manche ironisch sagen. D.h. man ermöglicht Drogenabhängigen, bei Vorliegen der Indikation, die Teilnahme an „Methadon-Programmen“.
Ein- oder zwei Mal am Tag erhalten sie in flüssiger Form Methadon, um auf diese Weise nicht dazu gezwungen zu sein, sich auf dem Schwarzmarkt der Anstalt mit Betäubungsmitteln zu versorgen.
Heroin auf Rezept
Seit 2011 sieht eine Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg vor, dass geeignete Gefangene an einer „Diamorphin-Substitution“ teilnehmen können sollen. Bis dato umgesetzt wurde die Vorschrift nicht.
Dessen ungeachtet, hat in einem bundesweit wohl bislang einmaligen Beschluss, die mit drei RichterInnen besetzte Große Strafvollstreckungskammer des Landgericht Freiburg (Az.: 12 StVK 402/13 (SV), Entscheidung vom 08.10.2013) die Justizverwaltung verpflichtet, dem Betroffenen, Herrn R. „binnen einer Frist von 6 Monaten (…) die Teilnahme an einer Diamorphin-Substitution anzubieten“.
Herr R. sitzt nun seit über 8 Jahren in Sicherungsverwahrung. Zur Finanzierung seiner Sucht hatte er räuberische Diebstähle begangen, deretwegen er am 06.04.2000 zu insgesamt vier Jahren Haft und Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (zur Realität des Vollzugs in der SV Freiburg vgl.) verurteilt worden war.
Da die ihm bislang angebotene Behandlung und Therapie in der JVA Freiburg ungenügend sei, so das Gericht, mache man von der seit 01.06.2013 geltenden Rechtslage (§ 67 d Abs. 2 Satz 2 StGB) Gebrauch. Das bedeutet: Sollte die Justizverwaltung die Diamorphin-Substitution verweigern, ist Herr R., ungeachtet der ihm weiterhin von einem Gutachter attestierten „Gefährlichkeit“, frei zu lassen.
Im Grunde ist es ärgerlich und bezeichnend für die desolate Versorgung schwerst drogenabhängiger Inhaftierter, dass ein Gericht zu solch einem Mittel greifen muss, um eine adäquate Behandlung und Therapie einzufordern.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg