Hexenjagd gegen Rechtsanwalt Roland Meister –

Kritische Positionen zu in der früheren DDR internierten Hitlerfaschisten und Kriegsverbrecher werden als „Volksverhetzung“ diffamiert und kriminalisiert

Offener Brief zum „berufsrechtlichen Aufsichtsverfahren“ gegen Rechtsanwalt Roland Meister (Gelsenkirchen) bei der Rechtsanwaltskammer und der Generalstaatsanwaltschaft Hamm

Im August 2022 leitete die Rechtsanwaltskammer Hamm ein sog. Aufsichtsverfahren gegen unseren Kollegen Rechtsanwalt Roland Meister ein. Die öffentliche Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ (Vorsitzender des Stiftungsrates: Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Thüringer Staatskanzlei, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff; Partei „Die Linke“) hatte über ihre Rechtsanwälte gegen ihn haltlose Vorwürfe erhoben. Er habe in Verwaltungsgerichtsverfahren wegen Versammlungsverboten, die sich gegen die „Stiftung“ und die Stadt Weimar richteten, die „Menschenwürde“ der im sogenannten „Speziallager Nr. 2“ in Buchenwald internierten Faschisten und Kriegsverbrecher in Abrede gestellt.

Nach mehr als einem halben Jahr teilte ihm die Rechtsanwaltskammer Hamm am 15.02.2023 ohne jede Begründung mit, es sei „das Berufsrechtlich Erforderliche veranlasst worden.“ Erst die Akteneinsicht brachte ans Tageslicht, dass die Rechtsanwaltskammer den Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm gesandt hatte, da „nach den Angaben des Beschwerdeführers … der Tatbestand der Volksverhetzung verwirklicht sein (könnte)“. Damit drohen ihm nicht nur drastische berufsrechtliche Konsequenzen, bis zum Entzug seiner Anwaltszulassung. Es wird darüber hinaus sogar die haltlose Verdächtigung in den Raum gestellt, Rechtsanwalt Meister könne sich auf Grund seines erfolgreichen Auftretens in verschiedenen Prozessen strafbar gemacht haben.

Diese Verschärfung des undemokratischen Vorgehens gegen unseren Anwaltskollegen ordnet sich ein in Versuche, durch den im November 2022 im Schnellverfahren verschärften reaktionären Volksverhetzungsparagraphen 130 des Strafgesetzbuchs jede kritische, dem antikommunistischen Mainstream widersprechende Diskussion über historische Vorgänge zu kriminalisieren. Historiker, Journalisten und Juristen – so auch unsere Kanzlei – hatten vor einer solchen Entwicklung gewarnt (siehe dazu unseren Offenen Brief vom 22.11.2022 (https://www.rf-news.de/2022/kw47/offener-brief-gegen-die-verschaerfung-des-paragrafen-130-stgb).

Der Angriff auf eine konsequente Rechtsanwalts- und Verteidigertätigkeit ist auch ein Angriff auf grundlegende demokratische Rechte und Freiheiten und zeigt eine verschärfte Rechtsentwicklung.

Zur Vorgeschichte: 2019 verboten die Stadt Weimar bzw. die öffentliche Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ die anlässlich des 75. Todestages von Ernst Thälmann angemeldete Durchführung einer Gedenkversammlung am Glockenturm des KZ Buchenwald, einer Kranzniederlegung am Krematorium und selbst organisierter Führungen auf dem Gelände des KZ Buchenwald seitens des Internationalistischen Bündnisses bzw. der MLPD.

Begründet wurde dies u. a. damit, die Gedenkversammlungen würden die Würde der Opfer des sogenannten „Speziallagers Nr. 2“ verletzen, in dem nach dem II. Weltkrieg Hitlerfaschisten und Kriegsverbrecher interniert waren. Zur Begründung wurde sich ausdrücklich auf § 15 Absatz 2 Versammlungsgesetz bezogen und u.a. geschrieben:

„Darüber hinaus verletzt ein Auftritt dieser Partei (der MLPD, d. U.) die Menschenwürde der von stalinistischem Unrecht Betroffenen, und zwar selbst dann, wenn diese sich zuvor mit dem Nationalsozialismus gemein gemacht haben.“ Damit werden die 56.000 im KZ Buchenwald ermordeten Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden, Sinti und Roma aus vielen Ländern Europas mit den faschistischen Tätern und Kriegsverbrechern auf eine Stufe gestellt.

Gegen die Verbote, deren Durchsetzung ein martialisches Polizeiaufgebot eingesetzt wurde, ist in allen drei Fällen Klage beim Verwaltungsgericht Weimar erhoben worden. Dabei wurde durch Rechtsanwalt Meister darauf hingewiesen, dass § 15 Absatz 2 des Bundes-Versammlungsgesetzes nach seinem eindeutigen Wortlaut und der Entstehungsgeschichte die Würde der Opfer des Faschismus und nicht die der faschistischen Täter schützt. Es sei geschichtsrevisionistisch, die aufgrund der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz für faschistische Täter und Kriegsverbrecher errichteten Internierungslager – zu denen auch das sog. „Speziallager Nr. 2“ auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald gehörte – mit den KZs und Vernichtungslagern des deutschen Hitlerfaschismus gleichzusetzen. Daraus wurde durch die Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ die Unterstellung konstruiert, Rechtsanwalt Roland Meister greife die Menschenwürde an. Das ist infam und eine absichtliche Verdrehung.

Alle drei Gerichtsverfahren endeten für die Stadt Weimar und die Stiftung „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ mit juristischen Niederlagen. Das Verwaltungsgericht Weimar gab in allen drei Verfahren den Klägern Recht und erklärte die Verbote der Versammlung am Glockenturm, der Kranzniederlegung und der selbstorganisierten Führungen für rechtswidrig (Urteile vom 26.07.2022, Az. 4 K 1578/19.We, 4 K 1569/19.We, 4 K 1570/19.We).

Statt das undemokratische, antikommunistisch motivierte Vorgehen der Stiftungsleitung nunmehr selbstkritisch aufzuarbeiten, schwärzte sie Rechtsanwalt Roland Meister denunziatorisch bei der Anwaltskammer an.

Obwohl der Rechtsanwaltskammer all dies bekannt ist, stellte sie das Beschwerdeverfahren gegen Rechtsanwalt Roland Meister nicht ein, sondern leitete den Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft Hamm weiter. Es ist eigentlich eine – auch historische – Verantwortung der Rechtsanwaltskammern, die demokratischen Rechte und Freiheiten ihrer Mitglieder besonders zu schützen.

Wir fordern die Generalstaatsanwaltschaft auf, das Verfahren gegen Rechtsanwalt Roland Meister sofort einzustellen.

Wir halten es für ein Gebot der Solidarität, dass kritische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und andere demokratische Menschen sich für die Niederschlagung des Verfahrens einsetzen. Denn wo kommen wir hin, wenn jetzt schon Anwälte verfolgt werden, nur weil sie die Reinwaschung der faschistischen Täter ablehnen und sich für ein konsequent antifaschistisches Gedenken einsetzen, das den Widerstand der Kommunisten selbstverständlich einschließt.

  1. April 2023, Rechtsanwälte Frank Stierlin, Frank Jasenski, Peter Weispfenning, Peter Klusmann, Yener Sözen