HIV Gefangener ringt mit dem Tod

Schon mehrmals berichtete ich über „Willi aus Bruchsal“, den 45-jährigen, HIV-positiven Gefangenen in der JVA Bruchsal (zuletzt in der Sonderausgabe der Roten Hilfe zum 18.3.2012).

Willi hatte sich 1996 beim Drogenkonsum im Gefängnis mit HIV infiziert, da die benutzte Nadel nicht ausreichend desinfiziert worden war. Da sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte, kämpfte er seit Anfang 2011 um seine Freilassung, um ein menschenwürdiges Sterben in Freiheit.

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Verzögerungstaktik durch Landgericht Karlsruhe

Seit Sommer 2011 lag dem Landgericht ein Antrag auf Freilassung wegen Vollzugsuntauglichkeit vor; die zuständige Richterin meldete sich monatelang gar nicht, als dann ein Anwalt eingeschaltet wurde, weigerte sie sich strikt, diesen (auf Staatskosten) zum Pflichtverteidiger zu bestellen, da die Sach- und Rechtslage einfach sei. Als der Anwalt sie erstmals telefonisch erreichen konnte, bestand ihre erste Reaktion darin, sich bei dem Anwalt über ihre überbordende Arbeitslast bei Gericht zu beklagen, als Begründung für das Ausbleiben einer Entscheidung über Willis Gesuch.

Der Tod erledigt sein Geschäft

Nach dem Willi zwischenzeitlich auch von einem Psychiater begutachtet worden war, denn das Gericht wähnte in Willi eine mögliche Gefahr für die Allgemeinheit, und dieser zu dem Schluss kam, eine Entlassung in eine betreute Einrichtung sei vertretbar, schöpfte Willi Hoffnung. Diese verflog allerdings ebenso rasch mit jeder neu eintreffenden Absage von angeschriebenen Einrichtungen.

Seit knapp zwei Wochen ging es ihm zunehmend schlechter, so dass der Arzt der JVA Willis Wunsch unterstützte, des Nachts mit einem Mitgefangenen zusammen geschlossen zu werden. So verbrachte A. nun jede Nacht auf einer Matratze, die auf dem Boden lag, in Willis Zelle.

Ostermontag jedoch war Willis Zustand derart schlecht, er war zeitlich und örtlich desorientiert, hatte Halluzinationen, phasenweise reagierte er gar nicht, Wasser in Lunge und Bauch erschwerten die Atmung, dass „Alarm“ ausgelöst wurde, als er bei der Mittagessensausgabe leblos im Bett gefunden wurde. Noch Minuten zuvor hatte ich selbst mit ihm gesprochen, soweit man seine leisen, kaum verständlichen Worte als Gespräch bezeichnen möchte.

Und so wurde Willi ins städtische Krankenhaus notverlegt, dort wurde eine akute Lungenentzündung festgestellt. Vorsorglich wurde seine nächste Angehörige (die Mutter) telefonisch informiert; eine Rückkehr in die Anstalt ist wenig wahrscheinlich, da er mutmaßlich diesen letzten Kampf nicht gewinnen wird.

Jeder verweigerte Willi ein Sterben in Freiheit

Willi hatte den GRÜNEN Ministerpräsidenten Kretschmann um einen Gnadenakt gebeten. Willi hatte die Staatsanwaltschaft Freiburg um Haftentlassung wegen Vollzugsuntauglichkeit gebeten. Willi hatte das Landgericht Karlsruhe um Haftentlassung ersucht. Alles auch unterstützt vom Gefängnisarzt, der die Prognose als „infaust“ bezeichnete, der attestierte, mit einer lebensbedrohlichen Krisis sei jederzeit zu rechnen, die angesichts des desolaten Gesamtzustandes zum Tode führen könne.
Niemand hat ihn erhört.
In den Morgenstunden des 10. April 2012 hat Willis Herz aufgehört zu schlagen. Er ist gestorben!

Trauriger Einzelfall?

Nein, es ist kein Einzelfall, von dem hier berichtet wird, sondern es ist der symptomatische Umgang von Staat und Justiz mit einem Marginalisierten. So wie ihm ergeht es unzähligen anderen Menschen – und erst wenn die Marginalisierten, die rechnerisch in der absoluten Mehrheit sind, sich zusammen schließen und bereit sind sich zu wehren, zur Tat zu schreiten, ihre Würde und ihr Mensch-Sein zu verteidigen gegenüber jenen, die ihnen das Mensch-Sein verweigern, auf die Straßen gehen, wie am 31. März weltweit, wird sich etwas ändern.

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal

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