Hungerstreik in der JVA Schwalmstadt

Hessen setzt die rechtswidrige nachträgliche Sicherungsverwahrung trotz eines eindeutigen Gerichtsurteiles des EGMR fort – und damit einmal mehr die verbotene Doppelbestrafung. Dagegen richtet sich ab Montag ein Hungerstreik einiger Insassen der JVA Schwalmstadt. ZUr Unterstützung wird es am 1.11. eine Kundgebung geben.
Ab Montag, 1.11. 2010 treten einige Sicherungsverwahrte der JVA Schwalmstadt in einen zunächst auf 5 Tage befristeten Hungerstreik.
Diese Aktion ist bewusst nicht als Kampfstreik angelegt, der erst beendet wird, wenn einzelne Forderungen erfüllt wurden, sondern soll in erster Linie deutlich machen: *trotz eindeutiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)wird die Sicherungsverwahrung(SV) in der JVA Schwalmstadt nach wie vor wie eine zusätzliche Strafe vollzogen
*wir Sicherheitsverwahrten werden derzeit menschenrechtswidrigen Vollzug von Präventivhaft in Zukunft nicht mehr widerstandslos hinnehmen.
Am 1.11. 2010 tritt das Hessisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung (kurz HStVollzG)in Kraft . (http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-HESStVollzG#FR1)

Darin enthalten, die §§ 66-68, die den Vollzug der SV in Hessen regeln sollen. Gerade einmal drei Paragrafen, die den Vollzug des einschneidendsten Instruments des Strafrechts organisieren. Unter völliger Ignoranz der aktuellen Rechtsprechung des EGMR hat die hessische Landesregierung die gesetzliche Regelung der SV wieder in das Gesetz zur Regelung von STRAFvollzug integriert. Eigentlich im Prinzip folgerichtig: nach wie vor wird eine vorgebliche Maßregel wie eine STRAFE vollzogen, stellt also de facto eine zusätzliche Strafe dar.
Sicherungsverwahrte bleiben auch in Hessen in einem Gefängnis weggesperrt, fast der gesamte Katalog des Gesetzes über den Vollzug von STRAFE findet Anwendung auf sie – nicht etwa ein Maßregelvollzugsgesetz. Es wäre das Gleiche, würde man die Straßenverkehrsordnung über das Lebensmittelrecht regeln. Allein durch das Tragen eigener Kleidung, einen Backofen auf der Station, ein geringfügig erhöhtes Taschengeld, oder eine zusätzliche Hofstunde bekommt diese Form von Einsperrung noch lange keinen anderen Charakter.
Es gilt immer wieder zu vergegenwärtigen: Wir haben unsere STRAFEN verbüßt!
Hier werden wir weiterhin eingeknastet, vorgeblich um zu verhindern, dass wir in Zukunft eventuell Leben, Gesundheit oder Eigentum Anderer gefährden KÖNNTEN.
Und das auf der Basis von gutachterlichen Gefährlichkeitsprognosen, von denen neueste Studien (u.a. von Kinzig, Feltes und Alex) davon ausgehen, dass sie in ihrer Aussage zu 80-90 % fälschlich noch vorhandene Gefährlichkeit annehmen.
Natürlich gibt es auch die Wenigen, bei denen aufgrund ihrer Taten jeder Mensch mit klarem Verstand und auch libertärer Gesinnung sagen muss: das kann eine Gesellschaft einfach nicht tragen; hier ist Behandlung nötig.
Aber eine adäquate Therapie für die Menschen, die aufgrund gewisser Dispositionen in ihrer Persönlichkeitsstruktur unbestritten derartige Hilfe benötigen, wird innerhalb des Vollzuges der SV nicht ansatzweise angeboten. Sie werden auf das Gefängnis verwiesen – denn auch sozialtherapeutische Anstalten sind integraler Bestandteil des Vollzuges von STRAFhaft. Der hiesigen Gefängnisdirektion, die in weiten Teilen die materiellen Bedingungen des Alltags auf der SV-Station bestimmt, sei nahegelegt, sich endlich ernsthaft mit uns an einen Tisch zu setzen. In der Vergangenheit wurden wir durchweg mit inhaltsleerem Gerede, Verweisen auf die Aufsichtsbehörde und Vertröstungen auf eine entfernte Zukunft abgespeist. Das wird von uns nicht länger einfach so hingenommen.
Um die Forderungen der Inhaftierten zu unterstützen gibt es eine Solidaritätskundgebung am Montag, den 1.11.2010 um 14 Uhr vor der JVA Schwalmstadt auf dem Paradeplatz.
Kontakt und Info: lutzsoli@gmx.de