„Isolation durchbrechen, weil Solidarität verbindet“ – Bus-Tour für die Ulm5

  • Nach einem Angriff auf den Elbit Standort in Ulm wird fünf Menschen vorgeworfen, den israelischen Waffenproduzenten sabotiert zu haben. Um Solidarität mit den Angeklagten praktisch werden zu lassen, gibt es eine Bus-Tour zu den fünf Gefängnissen, in denen die Angeklagten sitzen. Wir haben mit Janina Ritter, die die Soli-Tour mitorganisiert, gesprochen.
  • Wer sind die Ulm5? Und warum macht ihr eine Bus-Tour zu Silvester?
  • Die Ulm5 sind die fünf Antimilitaristen Daniel, Leandra, Vi, Walt und Zo. Ihnen wird vorgeworfen, die Deutschland-Zentrale des israelischen Waffenproduzenten Elbit in Ulm angegriffen zu haben. Seit dem 16. September sitzen sie in Untersuchungshaft. Bei der Haftprüfung, also der Entscheidung darüber, ob die Angeklagten bis zur Verhandlung freikommen, wurde bisher kein Beschluss gefasst, der ihre Freilassung ermöglicht. Außerdem wurden sie auf fünf Knäste in Baden-Württemberg und Bayern verteilt.
  • Das Ziel der Repression gegen politische Aktivist:innen ist es, ihnen ein Gefühl der Vereinzelung und Isolation zu vermitteln. Ein bekanntes Gesicht sollen sie nicht einmal im Knast sehen können. Zudem soll es erschwert werden, ihnen Solidarität zu zeigen. Unterstützer:innen müssen weite Wege zurücklegen, um mit allen Gefangenen in Kontakt zu kommen. Anwält:innen, die sich austauschen wollen, müssen einen größeren koordinatorischen Aufwand betreiben. Freund:innen und Familie sollen räumlich voneinander getrennt werden, damit auch dort Vereinzelung entsteht.
  • Der Vereinzelung können wir zum Beispiel entgegenwirken, indem wir den Genoss:innen Briefe schreiben, sie an unseren Kämpfen teilhaben lassen, etwa wenn sie Grußworte halten, oder indem wir sie vor dem Knast besuchen – auch wenn gerade keine Besuchszeiten sind. Kundgebungen vor dem Knast werden von den Gefangenen meist gehört und sind im Knast Gesprächsthema. Mit der Bus-Tour wollen wir die Vereinzelung unter den fünf Gefangenen durchbrechen und Solidarität praktisch werden lassen.
  • Die Silvester-Knast-Spaziergänge haben ihren Ursprung im Stuttgarter Gefängnis Stammheim. Dort versammelten sich 1989, als RAF-Gefangene dort inhaftiert waren, linke und revolutionäre Kräfte, um die politischen Gefangenen zu grüßen. Seitdem wird diese Tradition fortgesetzt, und auch in diesem Jahr werden bundesweit politische Gefangene gegrüßt.
  • Wie geht es den Gefangenen momentan? Wie konntet ihr bisher Solidarität zeigen?
  • Die Haftbedingungen sind für die Gefangenen besonders streng. Für politische Gefangene ist das ein typisches Mittel, da der Staat versucht, mit besonders harter Repression ihren politischen Willen zu brechen und eine abschreckende Wirkung auf andere politisch aktive Menschen zu erzielen. Die Gefangenen verbringen 23 Stunden am Tag in ihrer Zelle und dürfen nur alle zwei Wochen für 30 Minuten Besuch empfangen. Beim Gefangenen Daniel, der in der JVA Ulm sitzt, wird seiner Anwältin zufolge gezielt versucht, Kontakte zu blockieren. Auch sein Vater hat sich dazu geäußert: Daniel soll über längere Zeit kein Zugang zu einem Anwalt gewährt worden sein.
  • Solidarität konnten wir den Genoss:innen bisher auch bei den Haftprüfungen zeigen. Die Gefangenen wurden beim Transport begrüßt, und solidarische Genoss:innen haben Kundgebungen vor dem Gericht abgehalten. Dort wurden Reden gehalten, die auf den Genozid in Palästina und die Rolle von Elbit Systems aufmerksam machen. Außerdem übernimmt die Rote Hilfe die Koordination der Briefe an die Gefangenen.
  • Kannst du noch einmal genauer auf Elbit Systems eingehen? Warum ist Elbit Systems ein Angriffsziel?
  • Elbit Systems ist das größte private Rüstungsunternehmen Israels. Der Konzern entwickelt Rüstungstechnologie für Land, Luft, Meer und den Bereich Cybersicherheit. Der Waffenhersteller hat einen Produktionsstandort sowie seine deutsche Zentrale in Ulm. Dort sollen die Ulm5 eingedrungen sein, Glasscheiben und technische Geräte zerstört sowie politische Parolen hinterlassen haben. Anschließend ließen sie sich von der anrückenden Polizei festnehmen.
  • Elbit produziert 85 Prozent der Drohnen und bis zu 85 Prozent des Bodenequipments, das vom israelischen Staat – unter anderem im Gazastreifen – eingesetzt wird. Ein großer Teil der Artillerie, der elektronischen Kriegsführung und der Munition wird ebenfalls von Elbit produziert. Die Technologien werden für Krieg und Unterdrückung auch an anderen Orten der Welt, etwa in der Westsahara oder in Kaschmir, eingesetzt. Auch die Bundeswehr ist Kunde von Elbit und kauft dort Telekommunikationssysteme ein.
  • Aktivist:innen, die Elbit Systems angreifen, verfolgen das Ziel, das Töten von Zivilist:innen zu stoppen. Im Gazastreifen wurden seit Beginn des Genozids mehr als 70.000 Menschen ermordet.
  • Warum wird diese Aktionsform als Protestform gewählt?
  • Es ist klar, dass es im Kampf um die Befreiung Palästinas und die Beendigung des Genozids im Gazastreifen kein Verlassen auf den deutschen Staat gibt. Die symbolische Geste eines dreimonatigen Waffenexport-Stopps nach Israel hat dem Genozid keinen Riegel vorgeschoben.
  • Diese Art von direktem Protest gegen Rüstungskonzerne, Banken oder Versicherungen wirkt jedoch. In Großbritannien hatte sich z.B. die Organisation Palestine Action im Jahr 2020 gegründet. Seither hat sie an verschiedenen Standorten von Rüstungskonzernen und weiteren Profiteur:innen des Genozids Infrastruktur zerstört, darunter auch bei Elbit Systems. Infolge dessen mussten vier Standorte schließen. Palestine Action wurde in Großbritannien im Juni verboten.
  • Vor ihrem Verbot startete Palestine Action eine Kampagne gegen das Netzwerk von Elbit Systems. Die Organisation ging gezielt gegen die Versicherungen Allianz und Aviva vor und attackierte auch diese. Die Informationen wurden von den Konzernen bisher nicht bestätigt, jedoch berichten verschiedene Medien, dass die Versicherungen ihre Verträge mit Elbit Systems gekündigt haben.
  • Wie können sich Menschen der Bus-Tour anschließen oder darüber hinaus Solidarität zeigen?
  • Der Soli-Bus fährt am 30. Dezember von Berlin los. Fahrkarten für den Bus gibt es unter
  • prisoners_support@systemli.org.
  • Die erste Kundgebung findet um 19 Uhr an der JVA Brühl statt. Die weiteren Kundgebungen am 31. Dezember werden im Rahmen einer Rundfahrt mit Start- und Endpunkt in Stuttgart stattfinden:
  • 11:15 Uhr in Memmingen
  • 13:30 Uhr in Ulm
  • 17:00 Uhr in Schwäbisch Gmünd
  • 19:00 Uhr in Stammheim
  • Außerdem können auch über Silvester hinaus Briefe an die Gefangenen geschrieben werden.
  • https://perspektive-online.net/2025/12/isolation-durchbrechen-weil-solidaritaet-verbindet-bus-tour-fuer-die-ulm5/