Kommentar des Einstellungsbündnisses zur Verwerfung der Revision

„Wir können sie nicht zwingen die Wahrheit zu sagen. Wir können sie nur dazu zwingen, immer unverschämter zu lügen“ (Ulrike Meinhof)

Über 1,5 Jahre benötigte der Bundesgerichtshof (BGH), um in der Revision das Urteil wegen versuchter Brandstiftung an Bundeswehr-LKW und angeblicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) gegen Axel, Florian und Oliver zu bestätigen. Damit ist das Urteil des einjährigen Staatsschutzprozesses mit Haftstrafen in Höhe von 3 bzw. 3,5 Jahren rechtskräftig.

Der Prozentsatz von erfolgreichen Revisionen liegt bei unter 5%. Der BGH lehnt Revisionen in den meisten Fällen als unbegründet ab. Der Verwerfungsbeschluss ist dann etwa drei Sätze lang. In unserem Fall musste der BGH seine Entscheidung auf immerhin zehn Seiten rechtfertigen, was die Problematik des Kammergerichtsurteils deutlich macht. Auf den Großteil der Revisionbegründung geht der BGH nicht ein und stuft sie als „unbegründet im Sinne des §349 Abs. 2 StPO“ ein.

Anstelle des üblichen Satzes „Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen“ kamen also zehn Seiten juristisch verklausulierte Arroganz. Wir wissen diese Revisionsentscheidung zu „würdigen“, nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen ihres Umfangs:

Zehn Seiten waren notwendig, weil die Bundesanwaltschaft (BAW) sich bereits am Tag der Verhaftung darüber im Klaren war, dass die mittlerweile degradierte Bundesanwältin Vanoni bei der Anordnung der Hausdurch­suchungen ohne richterlichen Beschluss den für die Revision entscheidenden Fehler gemacht hatte.

Zehn Seiten waren notwendig, weil das Berliner Kammergericht neben den vielen auf der Webseite des Einstellungsbündnisses dokumentierten Verstößen und Unterlassungen im Prozess insbesondere der vom BGH bemängelten Aufklärungs­pflicht nicht nachkam. Trotz Rügen der Verteidigung weigerte es sich, Bundesanwältin Vanoni als Zeugin zu laden, um aufzuklären, warum sie ohne richterlichen Beschluss Haus­durch­suchungen bei den Beschuldigten angeordnet hat.

Zehn Seiten waren notwendig, weil dem BGH am Schluss seiner nachholenden Befragungen der Staatsanwältin Vanoni und der Bundesstaatsanwälte Griesbaum und Beck auffiel, dass aufgrund der für ihn unbefriedi­gend gebliebenen widersprüchlichen Aussagen eine einfache, schlüssige und wasserdichte Argumentations­kette nicht ohne weiteres möglich war.

Das Papier rügt das Kammergericht wegen Verletzung seiner Aufklärungspflicht, als auch die BAW wegen eines Organisations­verschuldens. Die VerteidigerInnen versucht der BGH als unfähig hinzustellen. Diesen Versuch, die aufwändige und anstrengende Arbeit der Verteidigung von fast vier Jahren zu diskreditieren, weist das Einstellungsbündnis zurück. Um einen öffentlichkeitswirksamen Abschluss und um eine Argumenta­tion, die einer Verfassungsbeschwerde stand hält bemüht, kleidet der BGH seinen unbedingten Verurteilungswillen in den süffisanten Wink, mit mehr juristischem Sachverstand wäre eine erfolgreiche Revision möglich gewesen. Tatsächlich geht es ihm lediglich um eine plausible Erklärung für ein von vorn herein feststehendes Urteil. Dass der BGH zu diesem Zweck die allgemein übliche Behördenpraxis verbiegt, ist ohne juristisches Fachwissen und Detailwissen zum Verfahrensablauf auf den ersten Blick nicht erkennbar.

Im Schriftverkehr des BGH mit der Bundesanwaltschaft (BAW), gestand die BAW im Frühjahr 2011 ein, dass die Hausdurchsuchungen bei den drei in der Nacht zum 31. Juli 2007 Festgenommenen ohne richterlichen Beschluss erfolgten und damit rechtswidrig waren. Dennoch wurden die bei den Durchsuchungen aufgefundenen Indizien prozessual verwendet. Zu einem Beweisverwertungsverbot äußert sich der BGH nicht.

Vergangene BGH-Entscheidungen von 2007 zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Andrej Holm und zur Abstufung des Verfahrens auf §129 (ohne a) (Beschluss vom 28. November 2007, Aktenzeichen StB 43/07) sowie der Beschluss von 2010, der die mehrjährige Überwachung von drei Berliner Linken für unrechtmäßig erklärte (11. März 2010, Aktenzeichen 3 StB 16/09), erweckten den Eindruck, dass der BGH ein Korrektiv einer „über das Ziel hinausschießenden“ Bundesanwaltschaft sei. Mit dem aktuellen Revisionsbeschluss jedoch zeigt sich, dass auch der 3. Strafsenat des BGH Teil des Spiels und nicht Schiedsrichter ist.

Der BGH hat den Beschluss (Link) heute veröffentlicht. [Achtung der Link geht auf die Seite des BGH]

Wie weiter?

Bis zur Übermittlung des Termins zum Haftantritt läuft nun der Countdown. Axel, Florian und Oliver müssen voraussichtlicht in diesem Jahr in den Knast. An diesem Ergebnis wird sich wahrscheinlich nichts ändern, aber …

… Axel, Florian und Oliver werden weiterhin von vielfältigen antimilitaristischen Protesten und Aktionen gegen den Krieg hören, die ihnen Kraft geben.

… sie sind auch im Knast nicht vergessen und werden unsere Solidarität und Unterstützung bekommen.

Liebe und Kraft – Freiheit für alle politischen Gefangenen – Für mehr Abrüstungsinitiativen weltweit.

Einstellungsbündnis, Berlin, 27.6.2011

Das Einstellungsbündnis bittet weiterhin um Geldspenden für anstehende Rechtsmittel und Haft auf eines der beiden folgenden Konten:

Thomas Herzog, Postbank Essen, Konto-Nr.: 577 701 432, BLZ: 360 100 43, Verwendungszweck: Sonderkonto, IBAN: DE46 3601 0043 0577 7014 32, BIC: PBNKDEFF

Rote Hilfe e.V., GLS-Bank, Konto-Nr.: 4007 238 317, BLZ: 430 609 67, Verwendungszweck: Repression 31.7.2007, IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17, BIC: GENODEM1GLS