Literaturdozentin Nuriye Gülmen in Istanbul verhaftet

Die Akademikerin Nuriye Gülmen wurde verhaftet. Vergangenen Mittwoch war die 37-Jährige bei einer Razzia im Istanbuler Kulturzentrum Idil festgenommen worden. Als Begründung für die Untersuchungshaft wurde die Anwesenheit Gülmens im Idil herangezogen.

Die türkische Literaturdozentin Nuriye Gülmen ist verhaftet worden. Ein Amtsgericht in Istanbul ordnete am Dienstagabend Untersuchungshaft gegen die 37-Jährige an. Gülmen war am vergangenen Mittwoch bei einer polizeilichen Razzia im Kulturzentrum Idil im Stadtteil Okmeydanı gemeinsam mit vier weiteren Besucher*innen festgenommen worden. Während das Gericht Fırat Kaya, Ezgi Kul und Yasemin Karadağ gegen Meldeauflagen wieder auf freien Fuß setzte, wurden Nuriye Gülmen und der Aktivist Rıdvan Akbaş verhaftet. Als Grundlage wurde ihre bloße Anwesenheit im Idil herangezogen.

Zeitgleich zur Durchsuchung in dem Kulturzentrum, das von einigen Mitgliedern der linken Band Grup Yorum unterhalten wird, waren sechs Musikerinnen und Musiker der Gruppe bei einer Konzertprobe im Istanbuler Stadtteil Beykoz in Gewahrsam genommen worden. Am Samstag hatte die Polizei schließlich ein über Monate vorbereitetes Freiluftkonzert von Grup Yorum verboten. Die Band hat seit 2015 ein Auftrittsverbot in der Türkei. Sie ist für ihre politischen Protestsongs bekannt und setzt sich aus wechselnden Mitgliedern zusammen. Die Regierung sieht die Gruppe als Teil der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften DHKP-C und kriminalisiert ihre Musiker*innen, drei Mitglieder sind im Gefängnis. Um gegen die systematische Repression zu protestieren und die Aufhebung des Konzertverbots zu erwirken, traten einige Mitglieder im Mai letzten Jahres in einen Hungerstreik. Zwei von ihnen, Helin Bölek und Ibrahim Gökçek, starben an den Folgen des Nahrungsentzugs.

Nuriye Gülmen – Symbolfigur des Protests gegen Massenentlassungen

Nuriye Gülmen wurde wie der Grundschullehrer Semih Özakça zur Symbolfigur des Protests gegen die Massenentlassungen nach dem vermeintlichen Putsch im Sommer 2016. Beide sind nur zwei von etwa 170.000 Staatsbediensteten, die per Notstandsdekret entlassen oder suspendiert wurden. Aus Protest gegen ihre Entlassung hatten sie am 9. März 2017 einen Hungerstreik begonnen. Nachdem sie über Monate auf dem Platz vor Menschenrechtsdenkmal in der Yüksel Caddesi im Zentrum Ankaras demonstriert hatten, wurden beide im Mai unter dem Vorwurf, zur DHKP-C zu gehören, verhaftet. Den Hungerstreik, bei dem Gülmen und Özakça nur gesalzenes und gezuckertes Wasser, Kräutertee und Vitamin B1 zu sich nahmen, setzten sie jedoch auch in der Haft fort.

Im Oktober 2017 wurde Semih Özakça vom Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ freigesprochen, Gülmen wurde zwei Monate später in erster Instanz zu sechs Jahren Haft verurteilt und gleichzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Am 26. Januar 2018 beendeten beide am 324. Tag ihrer Protestaktion den Hungerstreik.

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