Der 2. Senat des Kammergerichts Berlin hat am gestrigen Montag, den 17. November 2025, den kurdischen Aktivisten Mehmet Karaca wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt, der Haftbefehl aufgehoben und der Verurteilte aus der Untersuchungshaft entlassen.
Der Staatsschutzsenat des Kammergerichts sah es als erwiesen an, dass Mehmet Karaca von Oktober 2014 bis Juni 2015 als Mitglied der PKK von Stuttgart aus den „Sektor Süd 2“ für die Organisation geleitet habe und anschließend Leiter des „Gebiets Köln“ geworden war. Des Weiteren habe er von Juni bis zu seiner Festnahme am 21. November 2024 den „Sektor Nord“ sowie die „Region Berlin“ und das „Gebiet Berlin“ geleitet. Darum verurteilte er ihn wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129b StGB.
Entgegen der Bundesanwaltschaft (BAW), die in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten gefordert hatte, war der Senat nicht davon überzeugt, dass sich Mehmet Karaca in der Zeit zwischen 2015 und 2024 in herausragender Position innerhalb der PKK betätigt habe. Eine einfache Mitgliedschaft, von der für diesen Zeitraum dennoch auszugehen sei, sei nach der allgemeinen Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz von 2011 eben nicht verfolgbar. Sie könne dem Angeklagten auch nicht strafschärfend zur Last gelegt werden, sodass der Senat in seinem ausgeurteilten Strafmaß deutlich hinter den Forderungen der BAW zurückblieb.
Die Bewertung der BAW, nach der die PKK eine „terroristische“ Vereinigung im Ausland darstellt, teilte das Gericht. Allerdings ging der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung auf den aktuellen Friedensprozess zwischen dem AKP/MHP-Regime und der kurdischen Bewegung ein. Ob es zu der angekündigten bedingungslosen Auflösung der PKK komme und das endgültige Ende des bewaffneten Kampfs Bestand habe, wie es die Verteidigung vorgebracht hatte, entziehe sich der Überprüfung des Gerichts. Und ob der eingeleitete Prozess schlussendlich erfolgreich seien werde, könne noch nicht abgesehen werden. Aber die Erklärungen der PKK, den bewaffneten Kampf aufzugeben, die Waffen abzugeben und sich selbst aufzulösen, ließen die Einlassung des Angeklagten als glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen.
Da die Vollstreckung der Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und keine Gründe für die Fortsetzung der einjährigen Untersuchungshaft mehr bestehen, konnte Mehmet Karaca das Gerichtsgebäude durch den Haupteingang in Freiheit verlassen. Dort wurde er von Dutzenden Freund:innen und Unterstützer:innen empfangen. In den Gerichtssaal durften nur 30 Zuschauer:innen – unter ihnen das Mitglied des Bundestages Ferat Kocak, sodass viele Anwesende vor dem Saal auf das Ende der Verhandlung warten mussten.
Der Rechtshilfefonds AZADÎ begrüßt zwar die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung und insbesondere, dass der Senat die Entwicklungen in der Türkei und Kurdistan nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern auch das Verfahren gegen Mehmet Karaca dazu ins Verhältnis setzte. Allerdings können dies nur erste Schritte in Richtung Entkriminalisierung sein, wenn der Friedensprozess auch von Deutschland aus anerkannt und unterstützt werden soll.
Die Rücknahme der Ermächtigung zur Verfolgung der PKK als „terroristische“ Vereinigung, die Aufhebung des Betätigungsverbots gegen die PKK und die Streichung der PKK von der Liste „terroristischer“ Organisationen der Europäischen Union müssen weitere Schritte sein, die von der Bundesregierung zu nehmen sind. Dazu braucht es unbedingt ein Primat der Politik gegenüber der seit Jahrzehnten eingespielten Repressionsbürokratie. Es ist an der Regierung und dem Parlament, die positiven Schritte der kurdischen Bewegung aufzunehmen und entsprechende Initiativen zu ergreifen.
Rechtshilfefonds AZADÎ e.V.










