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Mörder von Berkin Elvan bleibt frei

Fast sieben Jahre nach dem Tod von Berkin Elvan hat die Staatsanwaltschaft bis zu neun Jahre Haft für den angeklagten Polizisten Fatih Dalgali gefordert. Ihm werde Tötung durch bewusste Fahrlässigkeit vorgeworfen, sagte der Staatsanwalt am Freitag bei der 19. Hauptverhandlung in dem Prozess. Angehörige und Prozessbeobachter reagierten darauf mit scharfer Kritik.

Berkin Elvan ist das jüngste Opfer des Gezi-Aufstands von 2013. Der Junge war am Rande der Proteste im Istanbuler Viertel Okmeydani durch eine von der Polizei abgefeuerte Gaskartusche schwer verletzt worden und lag vor seinem Tod 269 Tage im Koma. Am 11. März 2014 starb er im Alter von 15 Jahren. Der Prozess begann erst gut drei Jahre später im April 2017. Doch sein Mörder bleibt weiterhin auf freiem Fuß.

Rechtsanwalt Can Atalay, der die Familie Elvan vertritt, reagierte empört auf den Vorwurf der Tötung durch bewusste Fahrlässigkeit. Der Jurist erinnerte an die Versetzung des vorsitzenden Richters vergangenen Dezember kurz vor der Urteilsfassung an den Kassationsgerichtshof und warf dem nachgerückten Richter vor, nicht unabhängig und unparteiisch zu sein. „Der für den Fall einberufene Richter bezeichnet die Gezi-Proteste als ‚Vandalismus‘ und hat in sozialen Medien Einträge mit dem Satz ‚Berkin Elvan ist ein Terrorist‘ mit ‚gefällt mir‘ markiert. Er sollte nicht warten, bis wir ein Ablehnungsgesuch stellen, sondern selbst zurücktreten.“

Atalay forderte eine Bestrafung wegen Mordes. Der angeklagte Polizist Fatih Dalgali nahm an dem Prozess wieder über eine Videoschaltung von seinem Einsatzort in Wan teil. Sein Verteidiger stellte einen Antrag für mehr Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, der angenommen wurde. Der Prozess wird am 18. Juni fortgesetzt.

Kundgebung vor dem Justizpalast

Gülsüm Elvan: Ich habe nicht vergessen

Nach der Verhandlung fand vor dem Justizpalast Çağlayan eine Kundgebung statt. Der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu kritisierte den Vorwurf der Tötung durch bewusste Fahrlässigkeit. „Das kommt eher einem Verkehrsunfall gleich. Dabei hatte der versetzte Richter offen gesagt, dass die Gaskartusche von dem Angeklagten abgefeuert wurde“, so der Politiker. Gülsüm Elvan, die Mutter von Berkin, sagte: „Unsere Kinder liegen unter der Erde, während ihrer Mörder unbehelligt frei herumlaufen.“ Anschließend richtete sie ihr Wort an Recep Tayyip Erdogan. Ob sich der Staatspräsident daran erinnere, wie er Berkin Elvan und die anderen Toten der Gezi-Proteste öffentlich ausbuhen ließ und sie als Terroristen bezeichnete, wollte Gülsüm Elvan wissen. „Weder Ali Ismail Korkmaz, Ethem Sarısülük, Medeni Yıldırım noch die anderen. Und weder die Toten von Roboskî – ich habe sie nicht vergessen und werde sie Dir stets in Erinnerung rufen.“

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