Neues „Abwehrzentrum“ existiert gar nicht

Das „Gemeinsame Extremismus und Terrorismus-Abwehrzentrum“ dient der Überwindung des Trennungsgebots von Polizei und Diensten. Auch EUROPOL darf mitmachen

Das letzten Donnerstag unter großem Brimborium errichtete „Gemeinsame Extremismus und Terrorismus-Abwehrzentrum“ (GETZ) gibt real nicht. Darauf weist der Journalist Holger Schmidt hin, der für den Südwestfunk regelmäßig Reportagen über spektakuläre Verfahren wegen Terrorismus-Anklagen liefert. Die Inszenierung diente indes dem Auftritt des Bundesinnenministers. Hans-Peter Friedrich wusste die Verstrickungen des Staatsapparats in den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) neuerlich zur Aufrüstung der deutschen Sicherheitsarchitektur zu nutzen.

Mit dem neuen Zentrum will das Bundesinnenministerium angeblich die Konsequenzen aus dem über zehn Jahre lang unerkanntem Treiben der „Zwickauer Zelle“ ziehen. Ein deshalb wenige Wochen nach Auffliegen des NSU eilig eingerichtetes Gemeinsames Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR) wird auf weitere „Phänomenbereiche“ ausgedehnt. Neben „Rechtsextremismus/-terrorismus“ wünscht sich der Bundesinnenminister vor allem die Ausforschung von „Linksextremismus/- terrorismus“.

Damit wird klar, worin ein Zweck des GETZ besteht: Der staatlichen Ausformung des populistischen Tricks , dass rechter und linker „Extremismus“ lediglich die Ränder der Gesellschaft abbilde und gleichsam bekämpft werden müsse. In diese Richtung geht auch der sogenannte “ Ausländerextremismus“, der ebenfalls vom GETZ erfasst werden soll. In Deutschland betrifft dies vor allem Aktivitäten türkischer und kurdischer linker Gruppen.

Peinliche Inszenierung vor ausgeschalteten Monitoren

Das GETZ verzahnt die deutschen Kriminalpolizisten weiter mit den Geheimdiensten. Zu den Beteiligten gehören deshalb unter anderem das Bundeskriminalamt (BKA), die Generalbundesanwaltschaft (GBA), das Bundesamt für den Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärgeheimdienst (MAD). Das zentrale Ziel besteht aber in der Bündelung von Polizeibehörden und Diensten des Bundes mit jenen der Länder. Dementsprechend sollen die 16 Landeskriminalämter ebenso eingegliedert werden wie die gleiche Anzahl der Landesämter für Verfassungsschutz. Das steht allerdings auf der Kippe: Bislang weigern sich sechs SPD-regierte Bundesländer, beim neuen Superabwehrzentrum mitzumachen (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein).

Gründe für die Blockade gäbe es allerhand: Schmidt schildert die Eröffnungsveranstaltung beim deutschen Inlandsgeheimdienst als eine „Show-Veranstaltung“. Bei der Eröffnungsveranstaltung des GETZ waren Beamte des BKA ebenso wie des Inlandsgeheimdienstes anwesend. Jeweils ein Agent des BND und des MAD wurden am Ende des Podiums platziert. Anwesend war auch ein Oberstaatsanwalt der Bundeskriminalamtes GBA.

Im Konferenzraum wurden eilig Türen mit Pappschildern mit „GETZ“ beschriftet. Auch die anwesenden, von Schmidt als „hochkarätig“ bezeichneten Amtsträger waren nur Fassade: Zwar trugen sie vor Computermonitoren Ernsthaftigkeit zur Schau. Jedoch waren diese ausgeschaltet. Trotzdem wurde für die anwesenden Journalisten eine „Lagebesprechung“ vorgespielt.

 

GETZ eine „zeitgemäße Kommunikationsplattform“

Anscheinend war die Inszenierung sogar vielen Beteiligten peinlich. Die kafkaeske Pressekonferenz geriet erst recht zum Desaster, als Georg Maaßen, der neue Anführer des Inlandsgeheimdienstes auf Nachfrage zugab: Das GETZ verfügt über keine eigenen Räume. Als einzige Struktur existiere nur ein kleiner „Sekretariatsstab“. Als anvisierte Arbeitsweise wurde laut dem Journalisten Schmidt erklärt, man wolle hin und wieder gemeinsam zusammen kommen: Mal beim Inlandsgeheimdienst, und mal beim BKA. Laut einer Presseinformation des Bundesinnenministeriums obliege die „Federführung“ dem BfV und dem BKA. Deshalb sei eine „gemeinsame Geschäftsführung“ an den Standorten Köln und Meckenheim eingerichtet. worden

Das Bundesinnenministerium betont, es handele es sich beim GETZ nicht um eine Behörde. Das „Abwehrzentrum“ sei stattdessen die „zeitgemäße Ausformung einer Informations- und Kommunikationsplattform“. „Zeitgemäß“ bedeutet wohl, die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Polizei und Geheimdiensten weiter auszuhöhlen. Denn Deutschland steht mit der Lehre aus der nationalsozialistischen „Geheimen Staatspolizei“ (Gestapo) europaweit allein: Viele Regierungen unterhalten etwa Polizeien, die dem Militär unterstehen. Dem möchte Deutschland offensichtlich nicht nachstehen und dem polizeilichen Staatsschutz zu mehr Macht verhelfen. Neben der Vorfeldaufklärung verabreden die Staatsschützer mit den geheimen im GETZ auch die Einleitung konkreter Schritte, was offiziell allerdings als „Erörterung operativer Maßnahmen“ schöngeredet wird.

Nicht nur Dienste und Polizeibehörden werden munter im neuen Apparat verzahnt. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) dürfen mitmischen und ihre Erkenntnisse beisteuern. Die bundesweite Ausländerbehörde erbringt dadurch einmal mehr Spitzeltätigkeiten für Staatsschutz und Geheimdienste. Als weitere Mitglieder werden die „nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle für Rechtsextremismus/-terrorismus“ (NIAS-R) und die gleichgesinnte „polizeiliche Informations- und Analysestelle “ (PIAS-R) genannt.

„Euro-Anarchismus“ nun über das GETZ ausgeforscht?

Eine der Beteiligten am GETZ ist allerdings im Medienrummel bislang untergegangen, obschon die Mitarbeit einiges zum Verständnis der neuen „Kommunikationsplattform“ beiträgt: EUROPOL. Die EU-Polizeiagentur mit Sitz im holländischen Den Haag durfte bereits beim „Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ mitmachen. Offiziell wurde EUROPOL hierzu von der Bundesregierung eingeladen, um die „dort vorgetragenen Sachverhalte“ hinsichtlich von Verbindungen in europäische Nachbarländer zu prüfen. Die Teilnahme wurde zeitgleich mit der Einrichtung des GAR in der zuständigen EU-Ratsarbeitsgruppe „Terrorismus“ auf die Tagesordnung gesetzt. Mitarbeiter der EU-Kriminalpolizei waren seitdem an allen Sitzungen des GAR mit ein bis zwei Beamten vertreten.

Mit dem GETZ sollen aber nicht mehr nur international agierende „politisch rechts motivierte Gewalttäter“ frühzeitig erkannt werden. Deutsche Polizeibehörden und Geheimdienste wollen die Expertise von EUROPOL vielmehr auch zur Bekämpfung unerwünschter linker Aktivitäten nutzen. Deutsche Stellen arbeiten in dieser Richtung bereits seit längerer Zeit mit Einrichtungen der EU zusammen (Europol und das Gespenst des Anarchismus). In die Kooperation fließen auch Erkenntnisse ein, die über international agierende Spitzel gewonnen werden.

Auch der mittlerweile unter dem Namen „European Intelligence Analysis Center“ (IntCen) firmierende EU-Geheimdienst ist mit dem Phänomen „Anarchismus“ befasst. Kurz vor dem Auffliegen des NSU hatte der Dienst ein sogenanntes „Situation Assessment“ zu grenzüberschreitendem linken Aktivismus erstellt, an dem auch der deutsche Inlandsgeheimdienst mitgearbeitet hatte. Weitere Beiträge kamen aus Zypern, Spanien und Griechenland.

Ähnliche Bemühungen zum Phänomenbereich „Rechte Gewalt“ gab es auf EU-Ebene allerdings nicht. Hektische Betriebsamkeit entfaltete sich diesbezüglich erst nach den Morden von Anders Breivik vor einem Jahr in Norwegen.