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Nizhny Novgorod, Russland: Aufruf zu koordinierten Aktionen weltweit

Am 1. März gab es eine solidarische Strassenblockade in Moskau u.a. für die verfolgten Antifaschisten. Weitere Infos über die Situation und die Entwicklungen in dem Fall gibt es beispielsweise auf 19januar.noblogs.org, avtonom.org, streetmob.org und freeantifann.livejournal.com
Wir, AntifaschistInnen und AnarchistInnen aus Nizhniy Novgorod (Russland), appellieren an alle besorgten Menschen weltweit. Die politische Polizei (das Zentrum zur Bekämpfung von Extremismus‘ oder einfach ‚Zentrum E‘) hat gegen unsere GenossInnen ein Strafverfahren eingeleitet. Antifaschismus wurde in unserer Stadt illegalisiert. Wir brauchen eure Hilfe und Solidarität.

Weshalb werden unsere Freunde und Genossen angeklagt?
5 junge Männer, unsere Freunde, wurden wegen der Gründung einer „extremistischen Gemeinschaft“ unter dem exotischen Namen „Antifa-RASH“ angeklagt. Diese merkwürdige Abkürzung soll nach Meinung der ungebildeten Polizisten (im Englischen) für „Red anarhia skinheads“ stehen und folgendermaßen vom englischen Slang ins Russische übersetzt werden: „die roten Anarchie-Skinheads“ (eine Mischung aus allen Ängsten der normalen, gesetzestreuen BügerInnen). Artyom Bistrow, Albert Gainutdinow, Pawel Kriwonosow, Dmitriy Kolesow und Oleg Gambaruk sollen diese „Organisation“ dazu gegründet haben, um Menschen mit ultrarechten Ansichten zu verprügeln und um zu Hass gegen diese und gegen reiche Menschen zu anzustiften.
Warum behaupten wir, dass die Sache trügt?

Sogenannte Ausweise, die angeblich die Teilnahme der Angeklagten an der extremistischen Organisation beweisen, wurden unseren Genossen während der Hausdurchsuchungen heimlich zugeschoben (während derer es eine Menge Verfahrensverstößen gab, u.a. waren mehrere der Angeklagten während ihre Wohnungen durchsucht wurden). So sollten die hinzugezogene Zeugen während einer Durchsuchung der Wohnung von einem der Angeklagten, der zu der Zeit nicht zu Hause war, vor seiner geschlossenen Haustür warten während die Polizisten, die die Wohnung durch das Fenster betreten hatten, so taten als ob sie erfreut in der leeren Wohnung wären. In diesen vermeintlichen Ausweisen gab es grobe orthographische Fehler (es wäre sonderbar, hätten die Aktivisten selbst das Wort „Anarchie“ falsch geschrieben). Die Satzung dieser „Organisation“, welche auch während der Haussuchung zugeschoben wurde, legte eine hierarchische Struktur, bedingungslose Unterordnung unter dem Anführer und sogar Bestrafung für die ungehorsamen Mitglieder fest. Diese Regeln sind natürlich mit keinerlei linken Ansichten und Werten der Freiheit und Gleichheit, an welche unsere Genossen glauben, vereinbar.

Der zweite Teil der der Strafverfolgung, der die Angeklagten der Gewalttaten gegen Neonazis bezichtigt, ist ebenfalls von Fälschungen und Widersprüchen geprägt. Pawel Kriwonosow und Artyom Bistrow haben ein lückenloses Alibi zu der Zeit als sie die Ultrarechten angeblich verprügeln hätten und außerdem erkannten mehrere Opfer sie nicht als ihre Angreifer wieder. Was den verprügelten Neonazisten Dmitriy Redkin angeht, der von den Antifaschisten Gambaruk und Kolesow verprügelt wurde (beide haben den Sachverhalt eingestanden), so war es eine gewöhnliche Prügelei vor der Kneipe, die keine geplante politische Aktion darstellt.
Warum wurden diese fünf Männer zur Verfolgung ausgewählt?

Für die politische Polizei ist es zweifellos günstig, genau diese Menschen zu verfolgen. Sie haben ihre antifaschistischen, linken, oppositionellen Ansichten nie verborgen.
Artyom Bistrow ist der Hauptangeklagte. Seit Ende April steht Artyom unter Hausarrest. Er war für viele Jahre in der Initiative „Essen nicht Bomben (Food not Bombs)“ (die kostenlose Nahrungsmittel, Kleidung und Arzneimittel an Bedürftige verteilt) involviert. So wie auch sein Genosse Pawel Kriwonosow, ist Artyom Bistrow ein Antifaschist, linker Sozial- und Umweltaktivist. Artyom und Pawel waren beteiligt bei der Organisation und Bewachung von antifaschistischen Konzerten und haben an Protesten für Tierrechte und an ökologischen, antiatomaren und antifaschistischen Aktionen teilgenommen.

Die politischen Polizei hat bekannt gegeben, dass Albert Gainutdinow nicht nur der Gründer und Anführer der erfundenen „extremistischen Organisation“ sei, sondern auch der Urheber der Website Streetmob. Die Polizisten aus Nizhniy Novgorod üben offensichtlich eine persönliche Feindschaft dieser Seite gegenüber aus, da diese ihre Verbrechen ebenfalls enthüllt – die Fakten, dass sie AntifaschistInnen, AnarchistInnen und Oppositionelle gefoltert haben. Momentan ist Albert gezwungen, sich zu verstecken. Er weiß sehr gut, dass er, wenn er verhaftet werden würde, mit körperlicher Gewalt und Folter von den Händen des „ Zentrum E“ rechnen muss (und die politische Polizei zögert nicht, offen darüber auf derselben Website in Kommentaren zu schreiben).
Dmitriy Kolesow ist ein Musiker in einer Hardcore-Band. Und er verbirgt seine antifaschistischen Ansichten auch nicht.

Aufgrund seiner Unerfahrenheit hat Oleg Gambaruk unter dem Druck und der Bedrohungen der Polizei eingestanden, dass er nicht nur in der Prügelei involviert war sondern auch Mitglied der mythischen „extremistischen Gemeinschaft“ gewesen sei. (Daher helfen wir ihm derzeit nicht.)
Die Schuld der anderen Angeklagten liegt darin, dass sie sich weigerten, als Denunzianten zu diene als die Polizisten versuchten, sie während der Befragung dazu zu zwingen – selbst unter Folter. Ihre Schuld ist, darauf verzichtet zu haben, die Willkür der Polizei und das Wüten der nazistischen Gewalt auf unseren Straßen zu dulden. Ihre Schuld liegt darin, gegenüber den aktuellsten sozialen, ökologischen und politischen Probleme nicht gleichgültig waren.
Wie könnt ihr helfen?

Zuerst brauchen wir eure Solidarität. Die Behörden ignorieren alle Verbrechen der politischen Polizei gegen die Menschenrechte, sie verzichten darauf, solche klar auf der Hand liegende Fakten der Fälschungen in der Strafsache zu sehen. Wir können nur auf den Druck der Öffentlichkeit, internationale Veröffentlichung und Resonanz in den Medien hoffen. Für die Zeit vom 16. bis 18. März sind rufen wir zu koordinierten solidarischen Aktionen mit den Antifaschisten aus Nizhny Novgorod auf.

Zweitens brauchen wir Geld, um die Rechtsanwälte zu zahlen. Leider müssen wir um eure Hilfe bitten – wir benötigen $3000. Wir würden sehr dankbar sein, wenn ihr einen beliebigen Teil von dieser Geldsumme sammeln könntet, die unseren Genossen zu Gute kommen würden oder zu diesem Zweck Benefizveranstaltungen oder Konzerte organisieren könntet. Die ersten Verhandlungstage werden Anfang März stattfinden. Wir werden regelmäßig über den Stand der Spenden informieren.
Danke! Wir rechnen mit eurer Solidarität und Hilfe.

Antifaschisten aus Nizhniy Novgorod.